Anna Prizkau

Fast ein neues Leben

Erzählungen
Cover: Fast ein neues Leben
Matthes und Seitz Berlin, Berlin 2020
ISBN 9783751806008
Gebunden, 111 Seiten, 18,00 EUR

Klappentext

Eine Familie kommt aus ihrem alten Land nach Deutschland. Dort passiert Unvorstellbares und Unverständliches - zumindest für die Tochter der Einwanderer. Sie, die Ich-Erzählerin, wächst auf im neuen Land, doch die Geschichten über das alte lassen sie nicht los. Sie wird erwachsen in dem Gefühl, immer eine Fremde zu bleiben, niemals dazuzugehören. Später wird aus ihr eine Theaterautorin; erfolglos, arbeitslos, aber voller Hoffnung. In diesen Erzählungen begegnet die Erzählerin dem neuen Leben, der neuen Sprache, den neuen Menschen: Martha, die vielleicht töten muss, um zu besitzen. Marcel, den alle Mädchen küssen wollen. Samiha und Olcay aus dem türkischen Viertel, die eine unerklärliche Todesangst vor dem Fahrstuhl in ihrem Hochhaus haben. Sie trifft den Chef ihrer Mutter, der mehr will als nur eine gute Angestellte, den sadistischen Mann vom Arbeitsamt und Frank, das Männermodel, das seine Haare hochtoupiert trägt.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 23.11.2020

Rezensentin Andrea Gerk taucht mit Anna Prizkaus Erzählungen um ein Mädchen zwischen zwei Leben ein in die von Verlust und Ausgrenzung gepeinigte migrantische Seele. Sowohl explizite Verletzungen als auch subtile psychologische Versehrungen kommen im Buch vor, erklärt Gerk. Was es für Kinder bedeutet, angestarrt und gefürchtet zu werden, vermitteln die zusammenhängenden Episoden laut Gerk in nüchterner Tonlage, distanziert und eigenwillig.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 07.11.2020

Rezensentin Sarah Pines lässt sich von Anna Prizkau auf "elegante" Weise vom Fremdsein erzählen. Die zwölf Geschichten im Band berichten laut Pines vom Ankommen, von fehlgeschlagener Assimilierung und Entfremdung, aber in ruhigem Ton. Die Hauptfigur, eine Wanderin von Ost nach West, kann ihre Herkunft nicht verstecken und erinnert sich an eine "sanft glitzernde, östliche Welt", erläutert Pines. Die Umsetzung, lakonisch, genau und mit überraschenden Bildern, erinnert Pines an Lucia Berlin und Clarice Lispector.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 13.10.2020

"Kurz, hart und geschliffen" wie Diamanten sind Anna Pritzkaus Geschichten, schreibt Rezensent Ulrich Gutmair. Und "Kurz, hart und geschliffen" sind auch die Sätze, aus denen sie bestehen. Sie erzählen auf bedrückend wahrhaftige Weise aus dem Leben eines Mädchens, das in Deutschland aufwächst, jedoch immer wieder - mal unterschwellig, mal gewaltsam an seine eigentliche Herkunft und an sein Anderssein erinnert wird. Aus Angst vor diesen Reaktionen erwächst irgendwann die Scham, aus der Scham erwachsen die Lügen und aus den Lügen wiederum neue Scham. Diese Mechanismen weiß die Autorin kühl und trotzdem einfühlsam zu beschreiben, ohne dabei auf Klischees oder einfache Antworten zurückzugreifen. Was dieses Buch stattdessen auszeichnet, so der Rezensent, ist das Aushalten der Widersprüche.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 09.10.2020

Rezensentin Dana von Suffrin schätzt das unsentimentale, unironische Erzählen von Anna Prizkau. Wie die Autorin in ihren locker verbundenen Geschichten von Erfahrungen als Einwanderin berichtet, von ereignislosem Alltag, Sehnsüchten und Trauer, reduziert und dennoch tief, findet Suffrin lesenswert. In knappen, scharfen Umrissen zeichnet die Autorin ihre Figuren, und Suffrin weiß alles, was sie wissen muss - über den Willen zur Anpassung, das ewige Fremdsein. Wie die Texte große Dramen in wenigen Sätzen erfassen, scheint Suffrin beeindruckend.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 23.09.2020

Rezensentin Shirin Sojitrawalla folgt der exemplarischen Geschichte einer Migrantin vom ersten Schultag bis zu ersten Berufserfahrungen in Anna Prizkaus Roman. Wie es die Autorin schafft, in zwölf Erzählungen, ohne Chronologie und genaue Angaben zu ihrer Erzählerin vom Fremdsein zu berichten und dafür eine überzeugende Form zu finden, indem sie die Episoden zu einem Roman verdichtet und sich eines nüchternen Stils bedient, auch wenn die berichteten Erfahrungen "krass" scheinen, findet Sojitrawalla bemerkenswert. Die feinen Unterschiede bezüglich Herkunft und Status treten laut Sojitrawalla ebenso zutage wie unterschiedliche Migranten-Milieus. Nur manchmal übertreibt es die Autorin, wenn sie bereits Gesagtes überdeutlich herausstreicht, meint Sojitrawalla.
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