Annette Mingels

Der letzte Liebende

Roman
Cover: Der letzte Liebende
Penguin Verlag, München 2023
ISBN 9783328602958
Gebunden, 304 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Carl Kruger ist einsam. Fast sechzig Jahre war der emeritierte Chemieprofessor mit Helen verheiratet. Obwohl die Ehe schon lange zerrüttet war, trifft Helens Tod ihn bis ins Mark. Darum willigt er ein, als seine Tochter Lisa ihn zu einer Reise in die alte Heimat überredet. Doch der Besuch in Ostdeutschland und Polen verläuft anders, als der Wahlamerikaner erwartet. Konfrontiert mit einer Welt im Umbruch, stellt sich Carl die Frage: ist er, der "alte weiße Mann", überhaupt angekommen in diesem Jahrhundert? Annette Mingels' Roman erzählt vom Schwinden aller Sicherheiten am Ende eines langen Lebens und von sehr heutigen Konflikten zwischen den Generationen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.01.2024

Kluge Fragen zum Altern stellt dieser Roman von Annette Mingels, lobt Rezensentin Rose-Maria Gropp: Protagonist ist der über achtzigjährige Carl Kruger, der früher mal ein echter "Homme à femmes" war und heute nur noch als "alter weißer Mann" gilt. Nach dem Tod seiner Frau reist Carl gemeinsam mit der zwischenzeitlich sehr entfremdeten Tochter von Amerika nach Zoppot, seine Geburtsstadt. Er wird dort auf eine Weise mit sich selbst konfrontiert, die ihn für die Kritikerin deutlich sympathischer macht. Auch wenn Gropp das Gefühl hat, dass die Autorin ihre Figur bisweilen ein wenig überfrachtet, zeigt sie ihr doch Sensibilität im Umgang mit dem Altern und dem nahen Tod - die "Chance zur Versöhnlichkeit" nimmt Gropp mit der Lektüre gerne wahr.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 03.01.2024

Als "versierte Erzählerin" präsentiert sich Annette Mingels auch in ihrem neuen Roman, lobt Rezensent Rainer Moritz. Der Kritiker rechnet es der Autorin hoch an, dass sie aus ihrem Protagonisten Carl Kruger, der nun wirklich kein angenehmer Charakter ist, nicht einfach den Stereotypen eines "verblendeten alten weißen Mannes" gemacht hat, sondern seine Figur differenziert zeichnet und sogar Empathie und Sympathie beim Leser für ihn weckt. Krugers Leben liegt unversehens in Trümmern, resümiert der Kritiker: Seine Frau liegt im Sterben und will den "Schürzenjäger", der während der Ehe zahlreiche Affären unterhielt, auch in seiner Position als Universitätsprofessor, nicht mehr sehen. Der sonst uneinsichtige Egoist muss sich eingestehen, dass er einiges falsch gemacht hat, so Moritz. Auf Drängen seiner Tochter begibt er sich schließlich auf eine Reise in die Orte Sopot und Windisch und konfrontiert sich mit seiner Vergangenheit - eine schwierige Reise, die ihn verändert, eine vollständige Läuterung gesteht ihm die Autorin aber nicht zu, verrät der Rezensent. Auf manche Erzählstränge hätte Moritz verzichten können, nichtsdestotrotz schätzt er den Roman. Neben den Nuancen gefallen ihm auch die "klugen Beobachtungen" und "zarten Natur(beschreibungen)" Mingels.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 09.12.2023

Annette Mingels neuer Roman bringt uns dazu, führt Rezensent Rudolf von Bitter aus, dass wir uns einem wahrhaften Unsympathen zu nähern und, peu à peu, Interesse für Ihn gewinnen. Und zwar, lernen wir, dreht sich das Buch um Carl Cruger, geborener Krüger, der einst Chemieprofessor an einer Eliteuni war und sich jetzt um seine Frau kümmert, die im Sterben liegt. Die er, heißt es weiter, allerdings in früheren Jahren nach Strich und Faden betrogen hatte, und deren Leid ihn auch in der Gegenwart letztlich genauso wenig erreicht wie die Probleme seiner Tochter Lisa, die in ihm den Grund für ihre eigenen Eheprobleme sieht. Schuldbewusstsein ist diesem Typen grundsätzlich fremd, fährt Bitters Rekonstruktion fort, und doch bringt uns Mingels Crugers Innenleben langsam näher, insbesondere auch, wenn seine eigene, keineswegs unbeschwerte Vergangenheit zunächst als Kriegsflüchtling und später im geteilten Deutschland und das zerrüttete Verhältnis zu seinen Geschwistern thematisiert wird. Lisas Sohn Collin, also Crugers Enkel ist es, der dem Rezensenten am Ende als Hoffnungsschimmer, ein möglicher Aufbruch in eine bessere Zukunft erscheint.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 23.09.2023

Rezensentin Ursula März mag ihn, den alten weißen Mann, den Annette Mingels in ihrem neuen Roman entworfen hat. Vielleicht auch deshalb, weil Mingels ihren Helden individuell und nicht typologisch gestaltet. Und so lässt sich die Kritikerin gern ein auf die Geschichte des achtzigjährigen Carl Krugers, einst Chemieprofessor in New Jersey, jetzt verwitwet und unheilbar krank. Seine Frau hat er unzählige Male betrogen, auch mit Studentinnen ließ er sich ein. Nun, im offenbar letzten Lebensjahr, wird er von Adoptivtocher und Enkel zu einer Reise nach Ostdeutschland und ins heutige Polen, dem Land seiner Herkunft überredet, resümiert März. Wie Mingels hier Verlust, Heimatlosigkeit und Todesnähe umschreibt und dabei die Zeiten geschickt verschränkt, ringt der Kritikerin große Anerkennung ab.