Antonia S. Byatt

Der Turm zu Babel

Roman
Cover: Der Turm zu Babel
Insel Verlag, Frankfurt am Main 2004
ISBN 9783458172185
Gebunden, 815 Seiten, 26,80 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Brigitte Heinrich und Melanie Walz. Es ist das Jahr 1964, als die moralischen Gewissheiten einer ganzen Nation durch einen "Lady Chatterley"-Prozess und einen Profumo-Skandal erschüttert wurden. Die ehrgeizige Literaturwissenschaftlerin Frederica Potter hat einen wohlhabenden Unternehmer geheiratet, auf dessen Landsitz sie argwöhnisch beaufsichtigt lebt. Nach einer tätlichen Auseinandersetzung entschließt sich Frederica, ihren Mann zu verlassen und nach London zu gehen, wo sie sich mit Abendkursen und Lektoratsgutachten durchschlägt.
Eines Tages liest Frederica das Manuskript eines gewissen Jude Mason, der als Dichter und Aktmodell bereits von sich reden gemacht hat. "Babbletower" heißt sein literarisches Opus, zu dessen Publikation Frederica dem Verleger trotz einiger Bedenken rät. Masons Roman erzählt von einer Gruppe Überlebender der Französischen Revolution und von der Gründung einer Gemeinschaft, die jedoch bald durch sexuelle Exzesse, Gewalt und Folter zugrunde geht. Der Verlag wird wegen der Veröffentlichung des "obszönen" Machwerks verklagt. Im Zentrum des Romans stehen nun die zwei parallel geschilderten Gerichtsverfahren: der Scheidungsprozess Fredericas mit allen unerquicklichen Einzelheiten und das Verfahren gegen Verfasser und Verleger von "Babbletower".

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 30.11.2004

Antonia S. Byatt sei die "Grande Dame der englischen Gegenwartsliteratur", weist Alexandra Kedves potenziellen Lesern den Weg, die Byatts Namen vielleicht nur von Bestsellerlisten oder Büchertischen kennen. "Erzählerisches Raffinement" besitze auch "Der Turm zu Babel" in höchstem Maße, lobt Kedves den dritten Teil von Byatts "Frederica"-Tetralogie. Frederica, das Alter Ego der Autorin, sei nun in den 60er Jahren und bei ihrer Scheidung angelangt, so Kedves, und weil das so banal klingt, insistiert die Rezensentin darauf, "Der Turm zu Babel" sei weit mehr als ein klassischer und teilweise recht melodramatischer Ehe- und Emanzipationsroman. Er konfrontiere uns mit dem "Diskursuniversum der Sechziger" und reflektiere das gesellschaftliche Leben vor 68 ebenso wie die intellektuellen Debatten jener Zeit, fasst Kedves zusammen. Allerdings, erhebt die Rezensentin einen zaghaften Einwand, laufe Frederica in diesem Roman zu sehr Gefahr, wie eine wandelndes Werbeplakat einer typischen Intellektuellen zu wirken. Die Figur bleibe eigentlich zu blass. Oder verschwindet in der von Kedves dennoch hochgelobten Romankonstruktion der Autorin, die verschiedenste Motive, Schreibweisen, Handlungsstränge kunstvoll miteinander verknüpft hat.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 25.11.2004

An diesem Roman der britischen Autorin Antonia S. Byatt hat Andreas Dorschel keine rechte Freude gehabt. Es geht darin um drei Gerichtsverfahren, einen Scheidungsprozess zwischen Frederica und ihrem Ehemann, ein Verfahren um das Sorgerecht des gemeinsamen Sohnes und um ein wegen "Obszönität" angeklagtes Buch, dessen Druck Frederica selbst befördert hat, erklärt der Rezensent. Das eigentliche Thema aber sieht er in dem Verhältnis von "Sprache und Freiheit", dem die Autorin unter der Metapher des Babylonischen Turmbaus nachgeht, so Dorschel weiter. Zu seinem Bedauern tut Byatt dies "eher breit und redselig", ohne "linearen Erzählfaden" und mit vielen Querverbindungen, die wohl mehr für "Literaturkritiker" als für den gewöhnlichen Leser gedacht sind. Sein Hauptkritikpunkt aber ist, dass dieser Roman mit seinen über 800 Seiten einfach zu lang ist. Hier reicht seiner Ansicht nach die "Erzählkraft" der Autorin nicht aus und mitunter wird es ihm sogar richtig "langweilig". Dabei hätte das Buch, auf weniger als die Hälfte gekürzt, durchaus einiges Hellsichtige über "Sexualität und Gewalt" zu sagen gehabt, bedauert Dorschel, dem insbesondere der "Bildungsschmock", mit dem Byatt sich in bester Gesellschaft zu anderen Cambridge- und Oxford-Absolventen befindet, gehörig auf die Nerven geht.
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