Benjamin Anastas

Die wahre Geschichte vom Verschwinden eines Pastors

Roman
Cover: Die wahre Geschichte vom Verschwinden eines Pastors
Jung und Jung Verlag, Salzburg 2003
ISBN 9783902144393
Gebunden, 351 Seiten, 24,90 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Silvia Morawetz. Bethany macht sich keine Illusionen. Sie hat zwar eine ganze Menge vom Leben bekommen: einen Mann, der sie nach wie vor begehrt (und wie!), zwei anhängliche kleine Biester, einen gewissen Komfort - und doch fehlt da etwas. Zeit? Sinn? Liebe? Weder Chardonnay noch Dope bringen diese Frage zum Verschwinden. Sie versucht es dann mit Meditation für Anfänger, und schließlich steht sie vor der Tür der Pilgrims' Church. Dahinter findet sie Thomas, einen überaus anziehenden Priester. Melancholisch ist er, in sich gekehrt, und auch ihm scheint die Liebe, die er bekommt, nicht länger zu genügen. Eines Tages ist er verschwunden, spurlos. Liegt der Schlüssel in seiner letzten Predigt? War er in Not? Too much love?

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.08.2003

Er ist "ein guter Hirte und zurecht beliebt", doch Pastor Thomas Mosher will mehr. Sie dagegen ist frustriert von Kindern, Mann, Job und puritanischem Muff. Und so kam es, schreibt Martin Halter, dass Beth Caruso, "die Madame Bovary von Neuengland die Kirche als Fluchtraum und Thomas als Erlöser" entdeckte und ihm ein obszönes Angebot machte, auf das er eingeht. Dann verschwindet der nicht mehr ganz so gute, aber in den Augen der Gemeinde umso heiligere Pastor, und Ende sind vielleicht alle wieder dort, wo sie hingehören. Ganz definitiv kann Halter aber verraten, dass Benjamin Anastas mit seinem Buch Hawthornes "Scharlachroten Buchstaben" fulminant und komisch in die Gegenwart verlegt, während der Schauplatz derselbe bleibt: Massachusetts, wo heute zwar keine Hexenverbrenner, aber zumindest liberale, spirituell verkommende Puritaner wohnen, auch als Wasps bekannt. Und ebenjene, lobt der Rezensent, hat Anastas so präzise und frei von Zynismus aufs Korn genommen, dass er ihm sogar das ein wenig zu wohlig geratene Happy End verzeiht.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 30.06.2003

Wollte man die amerikanischen Autoren dieser Zeit in zwei Kategorien einteilen, meint Jutta Person - in die hartgesottenen Psychosenspezialisten a la Coupland und die softeren Neurosen- und Familienanalytiker a la Franzen - dann läge Benjamin Anastas ihrer Meinung irgendwo in der Mitte. Er sei ein realistischer Erzähler, charakterisiert sie ihn, der "Mut zum artistischen Schnörkel" besitze. Anastas, Jahrgang 1969, hat seinen Roman in einer kleinen Stadt in Massachusetts angesiedelt, genauer gesagt in einer kleinen Gemeinde, in der jener unkonventionelle Reverend Mosher wirkt, dessen Verschwinden die Psychopathologie der Gemeindemitglieder bloßlegt, ihre Mittelstandsneurosen, verschiedenartigen Seelentröster, protestantischen (Selbst-) Disziplinierungsmethoden, modernen Kommunikationstrategien, kurzum amerikanische Befindlichkeit, die Anastas präzise und durchaus boshaft auf den Punkt bringen soll. Im letzten Drittel des Romans verliere er etwas an Zugkraft, gesteht Person, die sich mit Anastas ansonsten gut unterhalten hat.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 05.06.2003

Ein herzliches Lob von Ulrich Greiner, dem die tragisch-komische Geschichte eines in eine Ehebruch-Affäre verwickelten Pastors in Massachusetts außerordentlich gefallen hat. Greiner spricht von "Kunstgriff" und "Kunst": ersteres ist das Verschwinden des Pastors, dessen Person im Folgenden durch die Brille einiger unglücklicher Frauen der Gemeinde charakterisiert - oder fantasiert - wird, das andere die "für amerikanische Verhältnisse ungewöhnliche ästhetische Form", das heißt, es gibt weder lange Dialoge noch ein Aneinanderreihen kurzer Sätze. Im Gegenteil gelingt es dem jungen "Erzähltalent", schreibt Greiner, durch "lange Sätze, die sich selbst ins Wort fallen", durch eine dadurch entstehende reflexive Ebene und elegante Konstruktion, das an sich wenig originelle Thema allseitiger Abhängigkeiten einer Kirchengemeinde im ländlichen Amerika neu zum Glänzen zu bringen.