Bora Cosic

Das Land Null

Cover: Das Land Null
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2004
ISBN 9783518416112
Gebunden, 320 Seiten, 24,80 EUR

Klappentext

Aus dem Serbischen von Katharina Wolf-Grießhaber. "Il Borgo" heißt eine alte Villa über dem Meer. Sie ist zur Festung geworden, seit das Land ringsum verrückt spielt und der einzigen bei Verstand gebliebenen Person, dem Erzähler, einen Belagerungszustand aufgezwungen hat. Er irrt durch die "Zimmer der Vergangenheit" und fühlt sich von den Nachbarn observiert - ein isolierter Bürger und Intellektueller, der sich vor der anbrandenden Barbarei in seinem Haus verbarrikadiert. Bora Æosiæ schildert in sieben Kapiteln die Urszenen des osteuropäischen Daseins. Der Mensch in der Warteschlange: Steht er nicht wie vor den Toren des Paradieses? Die übervollen Magazine: Sind das nicht die Dinge, die bei Hausdurchsuchungen, Verhaftungen, Deportationen eingesammelt wurden? Das durch Bombardierung halbierte Haus: ein Puppenheim, das sich in den Wartesaal der Geschichte verwandelt hat?

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.07.2005

Absolute Desillusionierung, ungenießbar und dennoch nicht ohne Reiz - im "Land Null", befindet Wolfgang Schneider, ist auch das Erzählen am Nullpunkt angelangt: Cosic "versucht den Beweis zu erbringen, dass ein Buch ganz ohne Leben auskommen kann". Alles ist Allegorie und Abstraktion, es gibt keine Figuren, nur "Schemen und gesichtslose Menschenmengen". Als "wären von einem epischen Werk nur die Vergleiche übrig geblieben", schreibt Schneider, und das ist ihm trotz der reizvollen Absurdität dann doch etwas zu wenig. Das heißt: zu wenig Konkretes, zu viel Metaphysik. Im Prinzip, folgert Schneider, hat Cosic aufgegeben: Er ist exiliert, keiner interessiert sich für sein Werk, und jetzt interessiert er sich umgekehrt nicht mehr für die Leser, an denen er - mit "tragikomischen Esprit" - vorbeischreibt.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 12.05.2005

Dorothea Dieckmann entdeckt bei der Besprechung eines Romans und eines Gedichtbandes des in Berlin lebenden serbischen Autors Bora Cosic bei aller surrealistischen Kälte doch eine "kleine geflügelte Ahnung von Transzendenz". Im Roman "Das Land Null" kehrt der Autor in das Land seiner Kindheit zurück, und während sich die Rezensentin davon zunächst "Rück- und Überblick" versprach, wurde dann aber von einer Inventarisierung "des Nichts" überrascht, und zwar nicht nur des "Lebens und des Landes, sondern das der Existenz selbst". Bei Cosic werde Serbien zu einem "Theater- oder Filmset", in dem die Bewohner nurmehr als "Statisten", die "Dinge als Requisiten" erscheinen, so die Rezensentin weiter. Die als "Archetypen der Moderne" aufgefassten entseelten Orte der Stadt wie das tote Schaufenster oder das riesige Altstofflager, werden dem Autor zum "Panorama einer in Allegorie aufgelösten Geschichte", bemerkt die beeindruckte Dieckmann, für die nur die immer wieder im Buch auftauchenden Vögel ein wenig "Transzendenz" versprechen. Auch die Übersetzung ins Deutsche von Katharina Wolf-Grießhaber imponiert ihr durch die "glasklare" und "nüchterne" Sprache.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 08.12.2004

Jörg Plath hat sich überwinden müssen, um sich durch Bora Cosics neues, radikales Buch zu kämpfen, das von einer "ermüdenden Verzweiflung und deprimierenden Ausschließlichkeit" ist. Der 72-jährige Autor, der überwiegend in Berlin lebt, erklärt darin sein Leben in seiner Heimat Jugoslawien für "null und nichtig". Weil er glaubt, dass das Land Intellektuelle wie ihn deportiert, hat sich der Erzähler in eine Villa zurückgezogen und hält eine monologische "Totenrede auf den Balkan". Nichts wird erzählt, vielmehr hat der Autor "wie mit einer Vakuumpumpe alles aus dem Monolog gesogen, was irgendwie an Belletristik erinnern könnte". Es gibt folglich keine Handlung, keine Motive, keine Figuren und vor allem nichts Persönliches, ja, der Blick aus dem Fenster ist schon beinahe das Äußerste an persönlichem Gepäck, meint Plath. Der radikale Monolog des Intellektuellen hat den Kritiker an eine riesige Trommel erinnert, in der beständig Metaphern und Allegorien mit Restrealien gedreht und gewendet werden, "um in neuer Kombination neue Bedeutungen zu generieren". Mit einiger Fassungslosigkeit, aber auch mit Respekt stellt Jörg Plath fest, dass "Das Land Null" in puncto Ernsthaftigkeit und Traurigkeit Maßstäbe setzt, die kaum zu überbieten sind. 

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 05.10.2004

Schon zu Beginn macht Rezensentin Ilma Rakusa klar, dass es sich hier nicht um leichte Kost handelt: Ein "herbes Alterswerk" habe Bora Cosic verfasst, eine monologische Bilanz seiner von ihm als trostlos empfundenen Heimat wie seines "rudimentären" Lebens". In einem "radikal desillusioniertem Ton" klagt er über Herkunft und Existenz und bringt es trotz der nichtexistenten Handlung auf ganze 300 Seiten, staunt Rakusa. Dabei leiste er Paradoxes. Durch die Montage von Bildern, Gedanken, Zitaten und Motiven schaffe Cosic einen "zusammenhanglosen Zusammenhang". Der Protagonist, den Rakusa "leicht" als Alter Ego des Autors erkennt, sei von sich und der Welt dermaßen entfremdet, dass er zum Zuschauer im Film seines eigenen Lebens werde. Am Ende schlägt der Nihilismus auch beim Leser durch, meint Rakusa, und übrig bleibt der "Sound einer Sprache", der sich ob der ständigen Wiederholungen als "monotoner Singsang" im Kopf festsetze.
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