Carlos Franz

Das verschwundene Meer

Roman
Cover: Das verschwundene Meer
Mitteldeutscher Verlag, Halle 2023
ISBN 9783963118265
Gebunden, 488 Seiten, 30,00 EUR

Klappentext

Aus dem chilenischen Spanisch von Lutz Kliche. Zwanzig Jahre, nachdem sie als Richterin abgesetzt wurde und aus ihrem Heimatland Chile nach Berlin floh, kehrt Laura Larco in die Kleinstadt Pampa Hundida zurück, eine in den Weiten der Atacama-Wüste verlorene Oase. Gleichzeitig kehrt auch Major Cáceres dorthin zurück, der damals, nach dem Militärputsch gegen den Präsidenten Salvador Allende, Kommandant eines Lagers für politische Gefangene nahe der Stadt gewesen war. Damals hatte er der jungen Richterin einen Deal vorgeschlagen: Für jede Nacht, die sie mit ihm verbringt, würde er einen Gefangenen freilassen. Laura lässt sich auf diesen "Pakt mit dem Teufel" ein, nur um später festzustellen, dass sie betrogen wurde. Während in der Stadt ein ausgelassener heidnischer Karneval tobt, treffen die beiden erneut aufeinander.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 11.09.2023

Anlässlich des fünfzigsten Jahrestags des Pinochet-Putsches in Chile stellt Rezensent Marko Martin einen Roman vor, der in dem Land, in dem er spielt, längst Teil des Kanons ist: Carlos Franz, so erklärt Martin nach einer Einführung über die geschichtlichen Hintergründe, schreibt über die Geschichte von Laura und ihrer Tochter Claudia, deren Lebensgeschichte auf intrikate Weise mit dem Putsch verwoben ist. Laura war während des Putsches Richterin in Chile und wurde in einem Lager interniert. Für jede Vergewaltigung, die sie dort über sich ergehen lässt, wird (vermeintlich) ein Insasse freigelassen. Franz zeichnet hier eine "zutiefst verstörende Gewalt- und Verratsgeschichte", so der Kritiker. Im Berliner Exil will die Juristin diese auch auf theoretischer Ebene aufarbeiten. Ihre Tochter hingegen kann sich mit Theorie nicht zufrieden geben und reist nach Chile, so Martin. Bei einem katholischen Pilgerfest treffen Täter und Opfer aufeinander, gleichzeitig zieht der Autor eine mystische Ebene ein. "Nahezu ein Meisterwerk" ist dieser beeindruckende Roman für den Kritiker, der von den verschiedenen, hochkomplexen Ebenen tief bewegt ist, die hier miteinander verwoben werden.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 05.09.2023

Interessiert bespricht Rezensentin Lena Seauve Carlos Franz' Roman über die Nachwirkungen der Pinochet-Diktatur. In Gang kommt die Geschichte, lernen wir, durch die Frage einer jungen Frau an ihre Mutter Laura, die in der Pinochet-Zeit als Richterin tätig war und jetzt als gefeierte Buchautorin reüssiert. Im Rückblick entfaltet sich dann die Geschichte Lauras, die sich selbst für rational hält, aber gegen die eigene Überzeugung politisch vorgegebene Urteile vollstreckt. Und außerdem mit einem Vertreter der Diktatur schläft, um wenigstens ein paar Gefangenen die Freiheit zu ermöglichen. Nicht nur die Berufspraxis der Richterin, sondern auch der Sex ist von Gewalt dominiert, so Seauve, was dazu führt, dass Laura gleichzeitig Täterin und Opfer ist. Franz' von Lutz Kliche gut übersetztes Buch dreht sich um die Verschollenen der Diktatur, ein Thema, das in Chile nach wie vor präsent ist, führt die Rezensentin aus. Besonders eindrücklich ist laut Seauve das Nebeneinander von Unrecht und Begehren, das sich in dem Roman entfaltet, heißt es zum Schluss.
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