Christa Wolf, Charlotte Wolff

Ja, unsere Kreise berühren sich

Cover: Ja, unsere Kreise berühren sich
Luchterhand Literaturverlag, München 2004
ISBN 9783630871820
Broschiert, 160 Seiten, 15,00 EUR

Klappentext

"Sie werden verstehen, daß ich Ihnen schreiben muss2 - Christa Wolf eröffnet den Briefwechsel mit ihrer Namensvetterin Charlotte Wolff, weil sie bei der Lektüre von Wolffs Autobiografie unverhofft auf ihren eigenen Namen stößt. Denn Charlotte Wolff war auch Schriftstellerin, die bei der Lektüre von Christa Wolfs "Kein Ort. Nirgends" ein poetisches Bild entdeckte, das sie auf ganz ähnliche Weise in einem ihrer Gedichte verwendet hatte. Der Briefwechsel handelt oft von solchen "Wundern", von Koinzidenzen und Zusammentreffen, die die Rationalität zunächst herausfordern. Denn es ist die Zeit, als Christa Wolfs "Kassandra" gerade veröffentlicht war, in der sie die Frage nach der selbstzerstörerischen Tendenz in der Zivilisation des Abendlandes zum Ursprung patriarchaler Strukturen zurückverfolgt. Meist aber ist von Persönlichem die Rede, davon, ob sich für Charlotte Wolff am Ende eines langen Lebens im Exil so etwas wie Heimat einstellen kann, von den Herausforderungen und Erschöpfungen immer wieder sich neu anbahnender Projekte. Christa Wolf arbeitet während des Briefwechsels unter anderem auch an der Konzeption von "Sommerstück", Charlotte Wolff schreibt an ihrer großen Biografie zu Magnus Hirschfeld, dem Pionier der Erforschung der menschlichen Sexualität. Es wird ihr letztes Buch sein, sie stirbt im September 1986. So bleibt beider immer wieder ausgesprochener Wunsch, einander zu begegnen, unerfüllt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.12.2004

Heinz Ludwig Arnold preist diesen Briefwechsel als einen Blick in das Innere von Christa Wolfs Leben und Arbeiten, der einmal mehr als falsch offenbare, was ihre Kritiker nach 1989 über ihr Werk schrieben: "Es sei einer Ästhetik der Gesinnung verpflichtet gewesen." Die jüdisch-deutsche Ärztin Charlotte Wolff, 32 Jahre älter, während des Briefwechsels, der mit ihrem Tod endete, in London lebend, war eine Geistesverwandte, mit der sich die Schriftstellerin insbesondere auch über die Suche nach innerer Freiheit, über Selbstbetrug und Selbsterkennen, über Ideale und Autonomie austauschte.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 17.04.2004

Für die Rezensentin Beatrix Langner ist der vorliegende Briefwechsel zwischen Christa Wolf und der in London lebenden, dreißig Jahre älteren, jüdischen Psychotherapeutin Charlotte Wolff ein Zeugnis der Annäherung zweier Menschen, die in der Annäherung erst erkennen, wie ähnlich sie sich sind. Und das nicht nur in thematischer Hinsicht, etwa wenn Charlotte Wolffs Interesse für Bisexualität und ihre "Theorie der Homoemotionalität als Grundform gewaltfreier gesellschaftlicher Kommunikation" sich teilweise mit Christa Wolfs gesellschaftlichen Fragestellungen überschneiden. Das Einverständnis der beiden Frauen, so die Rezensenten, erscheint eher als eine alle Unterschiede überbrückende "Seelenverwandschaft", eines Sprechens, das keiner "Übersetzung" bedarf, aber auch als Bewusstsein eines "größeren europäischen Geistes- und Geschichtszusammenhang", in dem sie beide standen. Diese 67 Briefe, so die Rezensentin, markieren die "historische Schnittstelle zwischen der Westberliner Feministinnenszene und der Frauenliteratur in der DDR, zwischen dem lesbischen Berlin der 1920er Jahre und der literarischen und künstlerischen Emigration aus Nazideutschland".

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 25.03.2004

Selbst ihre Initialen waren gleich, und auch sonst fühlten sich die beiden Frauen in Gedanken und Ideen eng miteinander verbunden, die sie einander per Brief über viele Jahre mitteilten, schreibt Verena Auffermann über den Briefwechsel Christa Wolfs Wolf mit der Psychiaterin Charlotte Wolff. Diese, Jahrgang 1897, war eine Generation älter als Christa Wolf; sie emigrierte 1933 erst nach Paris, floh dann nach London, schrieb Bücher über die gleichgeschlechtliche Liebe und verfasste eine Biografie über den Sexualforscher Magnus Hirschfeld. Was das Thema Sexualität angeht, antwortet Christa Wolf "wie eine errötende Schülerin", hält Auffermann fest, die auch sonst trotz gedanklicher Nähe gravierende Unterschiede zwischen den beiden Frauen sieht. Für Wolff hieß Fortgehen Fortschritt, führt die Rezensentin weiter aus, für die andere, familiengebundene Wolf bot sich keine überzeugende Alternative zum Dableiben. Nach Wolffs Tod im Jahr 1986 weihte die Brieffreundin eine Berliner Oberschule auf deren Namen, so Auffermann, doch leibhaftig kennen gelernt hätten sich die beiden Frauen nie.
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