Christoph Schönberger, Sophie Schönberger

Die Reichsbürger

Ermächtigungsversuche einer gespenstischen Bewegung
Cover: Die Reichsbürger
C.H. Beck Verlag, München 2023
ISBN 9783406807503
Kartoniert, 189 Seiten, 18,00 EUR

Klappentext

Am 7. Dezember 2022 rückten mehr als 3 000 Polizisten zur wohl größten Anti-Terror-Razzia in der Geschichte der Bundesrepublik aus. Sie verhafteten die Rädelsführer einer Gruppe aus dem Reichsbürgermilieu, die einen gewaltsamen Umsturz der Regierung geplant hatte. Wer aber sind diese Reichsbürger, die die Bundesrepublik nicht als legitimen Staat anerkennen und sich immer noch im Deutschen Reich wähnen? Die Verfassungsrechtler Sophie und Christoph Schönberger betrachten in ihrem neuen Buch die historischen Wurzeln der Reichsbürgerszene, die zu den Besonderheiten der deutschen Teilung zurückführen, und beleuchten das vielfältige Spektrum ihrer gegenwärtigen Erscheinungsformen. Zugleich bleibt das Buch nicht bei intellektuellem Ressentiment und Kopfschütteln stehen, sondern gelangt zu einer originellen Deutung des Phänomens, weil es die Anziehungskräfte ernst nimmt, die hier am Werk sind. Das kuriose Auftreten der Reichsbürger verleitet dazu, sie als marginal und lächerlich abzutun.
Christoph und Sophie Schönberger zeigen demgegenüber, dass die wachsende Szene von paradigmatischer Bedeutung für die gegenwärtige Bedrohung der Demokratie ist. Denn so gestrig die Reichsbürger durch ihren Bezug auf das vergangene Reich auch erscheinen mögen: Sie erweisen sich als ein durch und durch zeitgeistiges Phänomen unserer individualisierten Gesellschaft. Auf verbreitete Erfahrungen von Haltlosigkeit und Ohnmacht reagieren sie mit der Erfindung eines imaginären Rechts, das ihnen als Mittel zu einer radikalen Selbstermächtigung dient. Damit rühren sie nicht nur an die Grenzen des Verständlichen, sondern auch an die Grenzen staatlicher Macht.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 06.02.2024

Ein hervorragendes Buch über die Reichsbürgerszene haben Sophie und Christoph Schönberger verfasst, so Rezensent Henry Bernhard, und zwar weil die beiden Juristen die Menschen, über die sie schreiben, ernst nehmen. Unter anderem belegt das Phänomen, so die Autoren laut Rezensent, dass positives Recht immer mit Legitimationsproblemen zu kämpfen hat, was sich in diesem speziellen Fall unter anderem in einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1973 niederschlägt, in dem von einem "über Gesamtdeutschland schwebenden" Reich die Rede ist. An solche Formulierungen docken die Reichsbürger an und bauen daraus ihre eigene Scheinwelt aus, mit deren Hilfe sie ihre Probleme zu lösen erhoffen, so Bernhard. Problematisch ist das, fasst der Kritiker die Argumentation weiter zusammen, nicht, weil alle Reichsbürger rechts wären, sondern weil sie, wie auch andere gesellschaftliche Akteure, das Selbstverständnis von gesetzten Regeln, die für alle gelten, in Frage stellen. Die Autoren empfehlen den Verantwortlichen, schließt der komplett einverstandener Rezensent, die staatliche Ordnung wieder stärker positiv zu besetzen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 14.10.2023

Ein wichtiges Thema behandelt das Buch von Sophie und Christoph Schönberger, findet Rezensent Christoph Koopmann: Die Reichsbürger sind nicht erst seit dem Auffliegen der "Patriotischen Union" im Dezember 2022 in aller Munde, aber allzu viel weiß niemand über diese Leute, die glauben, dass die Bundesrepublik Deutschland eigentlich gar nicht existiert. Wer Reichsbürger sind - ältere Männer mit schwieriger Biografie zumeist - meint man zu wissen, aber warum sie ausgerechnet auf diese spezielle Ideologie kommen, ist ein Rätsel, findet Koopmann. Dem sich die Autoren leider erst gegen Ende ihres Buches widmen, wie der Rezensent anmerkt. Die These ist dann, referiert Koopmann, dass Menschen sich den Reischsbürgern anschließen, weil das ihnen ermöglicht, den eigenen Entmächtigungserfahrungen mit Selbstermächtigung zu begegnen. Ähnliche Muster zeigen sich, so Koopmann nach Schönberger & Schönberger, auch in anderen Gesellschaftsbereichen, und dass Reichsbürger insbesondere an der Integrität des Rechtssystems zweifeln, ist vermutlich auch kein Zufall, da dieses universelle Gültigkeit beansprucht, aber keine Absicherung in allgemeinen Prinzipien hat. Recht funktioniert nur aufgrund gesellschaftlichen Vertrauens, schließt Koopmann seine Rekonstruktion, und eben weil sie dieses Vertrauen untergraben, sind die Reichsbürger gefährlich.
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