Christopher Kubaseck, Günter Seufert

Abschied von Atatürk

Die Krisen und Konflikte der Neuen Türkei
Cover: Abschied von Atatürk
C.H. Beck Verlag, München 2023
ISBN 9783406806421
Kartoniert, 266 Seiten, 18,00 EUR

Klappentext

Die Türkei verehrt offiziell weiter ihren Gründer Atatürk, doch tatsächlich hat sich das Land unter Präsident Erdogan vom "Vater der Türken" verabschiedet. Die Türkei-Experten Günter Seufert und Christopher Kubaseck beschreiben, wie die Republik autoritär umgepolt wird und dabei keinen Konflikt scheut: Konfrontationen innerhalb der NATO und mit der EU häufen sich, türkisches Militär operiert in immer mehr Ländern, Minderheiten werden unterdrückt und Oppositionelle verfolgt. Die "Alte Türkei" ist Vergangenheit, doch die "Neue Türkei" hat noch keinen Weg aus ihren vielen Krisen gefunden. Am 29. Oktober 1923 rief Atatürk die Türkische Republik aus. Der neue Staat schrieb sich Modernisierung und Säkularisierung auf die Fahnen und orientierte sich kulturell und politisch am Westen. Das Militär sorgte für die Einhaltung dieses Kurses, notfalls durch Putsche. Um die Jahrtausendwende war die Türkei auf dem Weg in die EU - doch davon kann unter Erdogan keine Rede mehr sein. Das Buch zeigt anschaulich, wie Atatürks Türkei verabschiedet wird: Die Trennung von Staat und Religion gilt nur noch pro forma und könnte bald ganz fallen. Ernst zu nehmende Opposition wird unterdrückt. Man kehrt dem Westen den Rücken, blickt selbstbewusst nach Osten und Süden, lässt Truppen in Syrien und Nordafrika operieren und beansprucht das halbe östliche Mittelmeer. Doch auch in der türkischen Gesellschaft entsteht Neues: eine junge, liberale, demokratische, ökologische Zivilgesellschaft, die bereit ist zum Widerstand. 29. Oktober 2023: 100. Jahrestag der Gründung der Türkei Die Krisen und Kriege der Neuen Türkei und was sie für den Westen bedeuten Hochaktuell: Wahlen in der Türkei am 14. Mai (Parlaments- und Präsidentschaftswahlen), der scheinheilige Umgang mit dem Erdbeben, Korruption in der Bauwirtschaft

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.10.2023

Rezensentin Friederike Böge würde gerne den Optimismus des Soziologen Günter Seufert und des Turkologen Christopher Kubaseck teilen und davon träumen, dass das bleierne Regime Erdogans bald ein Ende hat. Zunächst aber stimmen sie die Analysen der beiden Autoren doch eher hoffnungslos. Das Buch lässt auch kein gutes Haar an Erdogan, meint sie, zeigt die Zusammenhänge zwischen türkischer Innen- und Außenpolitik auf und erläutert "kurzweilig" wie "meinungsfreudig", wie Erdogan den Staat, Wirtschaft, Justiz, Militär und das Bildungswesen nach seinen Maßgaben umgestaltet hat. Ein kompakter Überblick zu allen in der Türkei relevanten Themen, meint Böge.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 10.10.2023

Gut informiert fühlt sich Rezensentin Susanne Güsten von Günther Seufert und Christopher Kubasecks Buch, das anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der türkischen Staatsgründung erscheint. Im Zentrum steht jedoch nicht der Republikgründer Atatürk, lernen wir, sondern die deutlich aktuelleren Veränderungen der Türkei unter Erdoğan. Das Buch erklärt, führt Güsten aus, wie Erdoğan und seine AKP das Land autoritär umbauen konnten, und selbst dann noch gewählt werden, wenn wirtschaftliche Probleme Überhand nehmen. Erdoğan orientiert seine Politik nicht an wirtschaftlichem Erfolg, sondern an ethnischen Feindbildern und Ressentiments in der Bevölkerung, liest Güsten. Besonders gelungen erscheinen ihr die Passagen, die sich der korrupten Wirtschaftspolitik annehmen und die klarmachen, dass Erdoğan keine brauchbaren Ideen dazu hat, wie dringend benötigte internationale Investitionen angelockt werden könnten. Auch andere innenpolitische Themen werden behandelt, vor allem aber auch die Außenpolitik, die sich, wie Güsten die Argumentation des Buchs nachzeichnet, schon immer durch eine Ambivalenz gegenüber dem Westen ausgezeichnet hatte. Am Scheitern des EU-Beitritts etwa ist jedoch nicht nur die Türkei, sondern auch der Westen Schuld, stellt die Rezensentin klar.