Clarice Lispector

Der große Augenblick

Roman
Cover: Der große Augenblick
Schöffling und Co. Verlag, Frankfurt am Main 2016
ISBN 9783895616235
Gebunden, 128 Seiten, 18,95 EUR

Klappentext

Mit einem Nachwort von Colm Tóibín. Aus dem brasilianischen Portugiesisch von Luis Ruby. Zwei Welten treffen aufeinander, als der kultivierte Schriftsteller Rodrigo S. M. die Geschichte der bedauernswerten Macabéa erzählt, die sich in der rauen Hafengegend von Rio mit Schreibarbeiten durchschlägt. Ihre seltenen Freuden im Leben sind Filme mit Marilyn Monroe, Coca-Cola und ihr großmäuliger Freund. Niemand, nicht einmal er, hat das unansehnliche, unterernährte Mädchen aus dem armen Norden gern. Obwohl Rodrigo vor so viel Elend erschaudert, bewundert er Macabéas innere Freiheit: Sie scheint einfach nicht zu wissen, wie unzufrieden sie sein müsste. Doch die arglose Heldin und ihr besser gestellter, aber zutiefst unglücklicher Schöpfer haben auch überraschende Gemeinsamkeiten, es trifft Leiden auf Verzweiflung. Beide sind letztlich Figuren in einem Spiel, mit dem die große brasilianische Schriftstellerin Clarice Lispector unsere Vorstellungen von Armut, Liebe, Identität und Fiktion auf den Kopf stellt. In ihrem letzten Roman, der als Schlüssel zu ihrem Werk gilt, öffnet sie die Türen zu ihrer eigenen Gedankenwelt und den wahren Mysterien des Lebens.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 27.04.2016

Rezensentin Michaela Metz ist begeistert von diesem letzten Roman von Clarice Lispector aus dem Jahr 1977. Die Geschichte einer jungen, glücklosen Frau aus dem Nordosten Brasiliens, die Lispector als biblische Figur inszeniert, scheint Metz in mehreren Lesarten zu genießen, als brasilianisches Sozialdrama, als Selbsterfahrungstrip oder als sprachphilosophische Untersuchung. So schmal das Buch ist, so skizzenhaft Figuren und Orte und so rätselhaft die Sprache, so fruchtbar wird der Text laut Metz, wenn die Leserin nur innehält und zwischen den Zeilen zu lesen versteht.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 23.04.2016

Christian Thomas erlebt die brasilianische Schriftstellerin Clarice Lispector in diesem Kurzroman, Lispectors letztem Werk, von ihrer kapriziösen, schillernden und spielerischen Seite. Wie die Autorin darin die Grenzen des Erzählens auslotet, indem sie einen Erzähler einsetzt, der die Geschichte der erniedrigten und beleidigten Schreibkraft Macabéa aus Rios Armenvierteln mit einer Mischung aus Mitleid und Sarkasmus, aus Melodramatik und Machtlosigkeit berichtet, hat Thomas beeindruckt. Das literarische Vermächtnis der 1977 verstorbenen Lispector scheint dem Rezensenten so geheimnisvoll wie die Autorin selbst und allemal lesenswert - als mit bösem Witz, wilder Empathie und raunender Klage gleichermaßen ausgestattete postmoderne Passionsgeschichte.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.04.2016

Rezensentin Wiebke Porombka kann die gesellschaftliche Gewalt mit Händen greifen, die die junge Frau in Clarice Lispectors letztem, nun neu aufgelegten Roman niederdrückt und schließlich vernichtet. Verstörend findet sie, wie die Autorin in klaren Sätzen das Schicksal ihrer Heldin aus dem Norden Brasiliens, ihren Gleichmut und ihre Ergebenheit aus Sicht eines männlichen, nicht eben zaghaften Erzählers schildert. Für Porombka ein Albtraum, der auf einen unausweichlichen Schlag zuläuft, die Geschichte einer universellen Einsamkeit und des dazu gehörigen sozialen Hintergrunds.
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