Claus Leggewie

Amerikas Welt

Die USA in unseren Köpfen
Cover: Amerikas Welt
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2000
ISBN 9783455111378
Gebunden, 299 Seiten, 20,40 EUR

Klappentext

Schon immer herrschte in Deutschland die Vorstellung, dass Amerika unsere eigene Zukunft widerspiegelt, im guten wie im Bedrohlichen. Ob Multimedia oder Kultursponsoring, ob Telearbeit, Ladenschlussverlängerung oder Rauchverbote ? mit mindestens zehn Jahren Verzögerung wird schließlich auch in Deutschland etabliert, was "drüben" längst zur Routine geworden ist. Gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise dient Amerika mehr als Vorbild denn als Schreckbild. Ausgehend von jüngeren Ereignissen wie den Sex-Affären von Präsident Clinton, der Verhaftung des elfjährigen Raoul und der rigiden Vollstreckung der Todesstrafe, zeigt Claus Leggewie, wie Amerika vor allem in den Köpfen der Deutschen immer wieder heftige Reaktionen auslöst.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 14.03.2001

In einer Mehrfachrezension bespricht Sieglinde Geisel drei Bücher, die sich mit Amerika befassen. Dabei wird bereits in der Einleitung deutlich, dass sie keinen dieser Bände wirklich überzeugend findet. Stattdessen sehnt sie sich nach dem "ethnologischen Scharf- und dem philosophischen Weitblick" Alexis de Tocquevilles zurück, der 1831 - vom Fernsehen noch unbeeinflusst - die amerikanische Welt beschrieben hat.
1.) Claus Leggewie: "Amerikas Welt" (Hoffmann und Campe)
Obwohl sich Geisel von der Menge des hier vorgestellten Materials durchaus beeindruckt zeigt, so kann sie sich insgesamt nicht für dieses Buch begeistern. Sie moniert ein Übermaß an "redundant formulierten Plattitüden und Meinungen" und vermisst einen thematisch überzeugenden Zusammenhalt. Stattdessen "franse das Buch ins Allgemeine aus", besonders dort, wo Leggewie Themen wie den Kosovo-Konflikt, die amerikanische Vorstellung vom Nationalstaat oder "`Seattle` und die Folgen" aufgreift. Nach Geisels Ansicht berichtet Leggewie zu wenig von eigenen Erlebnissen und Erfahrungen, dafür aber umso mehr von dem, was er gelesen oder gehört hat. Lediglich die Passagen des Buchs, in denen der Autor auf das amerikanische Bildungssystem eingeht - Leggewie war, wie der Leser erfährt, drei Jahre als Professor in New York tätig - findet die Rezensentin überzeugend, zumal die hier geäußerten Ansichten ihrer Meinung nach für die europäische Bildungsdebatte hilfreich sein könnten.
2.) Robert von Rimscha: "Die flexible Gesellschaft" (Econ)
Dieses Buch kommt der Rezensentin in erster Linie wie ein "Nachschlagewerk in Sachen shocking America" vor, wobei sie inhaltlich allerdings nicht viel Neues diagnostiziert. "Trash-Talkshows und Todesstrafe, entrechtete Indianer und affirmative action" bis hin zu - wen wundert`s - Monica Lewinsky: Von Rimscha decke das ganze Spektrum ab. Dabei hat die Rezensentin durchaus überlegenswerte amerikanische Besonderheiten entdeckt, etwa dass sich Schüler ungestraft mit dem `deutschen Gruß` begrüßen dürfen. Doch die "große Interpretation" amerikanischer Verhältnisse vermisst die Rezensentin - ebenso wie in dem Buch von Claus Leggewie - auch hier. Nicht zuletzt stört sie sich an der flapsigen Reporter-Sprache von Rimschas, bei der sich der Leser "des Öfteren auf die Zähne beißen" müsse.
3.) Jürgen Gerhards (Hrsg.): "Die Vermessung kultureller Unterschiede" (Westdeutscher Verlag)
Geisel hat von diesen soziologischen Aufsätzen keine Überraschungen erwartet - schließlich werden hier vor allem Umfrageergebnisse vorgestellt. Dementsprechend gelangweilt zeigt sich die Rezensentin auch von der Lektüre, zumal es hier "nicht einmal Anekdoten oder wenigstens Beobachtungen" zu lesen gibt. Doch ein paar überraschende Resultate hat Geisel dann doch entdeckt, etwa was die Einstellung von Amerikanern und Deutschen zur Todesstrafe angeht. Denn in den sechziger Jahren, so Geisel, war das Verhältnis umgekehrt: Die Deutschen befürworteten zu 80 Prozent die Todesstrafe, während die Amerikaner sie damals mehrheitlich ablehnten. Interessant findet sie auch, dass in einem Beitrag über Familien ein Unterschied zwischen West- und Ostdeutschen gemacht wurde, wobei sich gezeigt habe, dass die Ostdeutschen mit ihrer Einstellung zur Vereinbarkeit von Mutterschaft und Berufstätigkeit größere Nähe zu den Amerikanern aufweisen als zu den Westdeutschen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.02.2001

Thomas Leuchtenmüller zeigt sich geteilter Meinung zu diesem Band: "voll kluger Einsichten und banaler Weisheiten" sei das Buch, das er sich summa summarum etwas dünner gewünscht hätte. Denn viele Aussagen, wie etwa die, dass die englische Sprache inzwischen zur "lingua franca" geworden sei oder dass amerikanische Politiker und Unternehmer Entertainer-Qualitäten besitzen müssten, quellen diesen Band nach Ansicht Leuchtenmüllers nur unnötig auf. Doch vor allem die Kritik, die Leggewie an Amerika äußert, bewertet der Rezensent als "größtenteils überzeugend". So etwa wenn er von dem Widerspruch spricht, dass die USA einerseits als Service-Musterland gelten, man als Kunde jedoch meist vergeblich auf einen Rückruf wartet. Oder auch wenn der Autor auf das Bildungssystem zu sprechen kommt und eine Tendenz erkennt, dass Bibliotheken, Verlage und Software-Entwickler "den Zugang zur Ware Wissen durch Gebühren und Verschlüsselung" einschränken und damit intellektuelle Ressourcen der Bevölkerung verspielen. Dass Leggewie am Ende des Buchs fünf mögliche Szenarien des "amerikanisch-europäischen Verhältnisses zeichnet", scheint der Rezensent durchaus anregend zu finden - doch ausgerechnet dieser Teil des Buchs ist für seinen Geschmack zu knapp ausgefallen.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 06.12.2000

Das deutsche Amerikabild, so die Hauptthese Leggewies, werde "immer `diffuser und blasser`", erklärt Rezensent Peter Felixberger. Und weiter: Amerikanisches sei überall und daher auch nirgends mehr wirklich verortbar, die amerikanische Identität sei in einem "weltweiten Recycling" diffundiert. Daher könne Amerika sich nicht länger als "Weltgendarm und Marktführer" zugleich behaupten, eine neue "transnationale Gesellschaft" sei im Entstehen, in der Nicht-Regierungsorganisationen eine immer wichtigere Rolle spielen. Leggewie mache darauf aufmerksam, dass die New Economy in den USA - nicht kopierbar und fremd für uns - sich offenbar nicht im Widerspruch zu religiösem Puritanismus befinde. Totale Amerikanisierung müsse an "kulturellen Unterschieden" scheitern: anderswo hat man mehr Sinn fürs Soziale. Felixberger findet Leggewies Buch insgesamt "sehr klug", nur ein paar Abschweifungen in Richtung deutscher Politik bemängelt er. Stattdessen hätte die Untersuchung der Medien etwas gründlicher ausfallen dürfen.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 02.11.2000

Nach Dieter Buhl geht es Leggewie hier vor allem darum, den Unterschied zwischen der amerikanischen Wirklichkeit und den `USA in unseren Köpfen` aufzuzeigen. Klar ist, dass dabei auch Mythen auf der Strecke bleiben, wie etwa der vom "zufriedenen Ein-Mann-Unternehmer" oder die Idee, "der amerikanische Staat sei völlig von der wirtschaftlichen Bildfläche verschwunden". Dass diese These allerdings in deutschen Köpfen weit verbreitet sein soll, scheint denn doch recht verwunderlich. Einleuchtender ist es, wenn Bohl darauf hinweist, dass Leggewie sich gegen eine blinde Nachahmung amerikanischer Verhältnisse wendet, etwa bei den Hochschulen, die er "nicht als Profitcenter erleben" möchte. Bohl betont, dass es dem Autor nicht um "Amerika-Schelte" geht. Vielmehr zeige er auf, wie unser Amerika-Bild geprägt wird und wie gefährlich es sein kann, amerikanische Verhältnisse unkritisch kopieren zu wollen. Dies tue der Autor durchaus mit Nüchternheit.