Deniz Ohde

Ich stelle mich schlafend

Roman
Cover: Ich stelle mich schlafend
Suhrkamp Verlag, Berlin 2024
ISBN 9783518431702
Gebunden, 248 Seiten, 25,00 EUR

Klappentext

"Ich stelle mich schlafend" erzählt von den dunklen Seiten einer Liebe - und die Geschichte einer Befreiung. Ein Roman über den Versuch der Auslöschung einer Frau, und über die Frage, ob es eine Berührung gibt, die den Kern eines Menschen unwiederbringlich verändert. Das Haus, in dem Yasemin bis vor kurzem gelebt hat, steht nicht mehr. Es musste bis auf die Grundmauern abgerissen werden. Von der Wohnung, die sie zuletzt mit ihrem Freund Vito geteilt hat, sind nur Erinnerungen übrig. Die Geschichte der beiden reicht bis in ihre Jugend zurück: Beide wachsen im selben Hochhauskomplex auf, und Yasemin verliebt sich mit dreizehn in den drei Jahre älteren Nachbarn. Von klein auf fasziniert von Glaubensfragen und Spiritualität, versucht sie durch einen Liebeszauber, Vito für sich zu gewinnen. Doch nach einem Sanatoriumsaufenthalt, wo ihre Skoliose behandelt wird, geht sie auf Distanz. Zu fremd ist ihr der eigene Körper, zu groß die Scham wegen ihres Korsetts. Erst zwanzig Jahre später, als die mühsam aufgerichtete Wirbelsäule droht sich wieder zu stauchen, begegnen sie sich erneut. Yasemin hält dieses späte Aufflammen der Jugendliebe für Schicksal. Aber dann zeigt Vito sein Inneres, das bedrohlich ist und leer.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.04.2024

Yasemin steht in jeglichem Sinne vor den "Trümmern ihres Lebens", schildert Kritikerin Emilia Kröger den Ausgangspunkt von Deniz Ohdes neuem Roman. Die Protagonistin erzählt dann, wie es dazu gekommen ist: Sie rekapituliert ihre Beziehungserfahrungen, die Jugendliebe Vito, die sie zwanzig Jahre nicht sieht und dann verhängnisvollerweise doch wieder kontaktiert, die vielen Männer, mit denen sie schläft - für Kröger passen die repetitiven Erinnerungen und mantraartigen Sätze, die Yasemin dazu einfallen, gut zu den traumatischen Erfahrungen, die ebenfalls wie in einem Kreislauf immer wiederkehren. Ein Buch, das die inneren Mechanismen von Gewalt in Beziehungen deutlich macht und die Rezensentin ebenso beeindruckt wie Ohdes Debüt "Streulicht".

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 13.04.2024

Wenig gelungen ist Deniz Ohdes zweiter Roman, findet Rezensentin Lara Sielmann. Dabei widmet er sich, stellt Sielmann dar, einem wichtigen, in der deutschen Literatur oft vernachlässigten Thema, nämlich dem Leid einer Frau, die nicht in der Lage ist, sich aus einer unbefriedigenden Beziehung zu lösen. Die Hauptfigur ist Yasemin, die in ihren Dreißigern ihre Jugendliebe Vito wiedertrifft, für ihn ihren Partner verlässt, damit aber nicht glücklich wird. Das ist alles erst einmal gut konstruiert, so Sielmann, als Erzählung über die Suche nach Erfüllung unter den Bedingungen des Patriarchats, aber leider funktioniert es literarisch nicht, zu schwarz-weiß sind die Figuren gezeichnet, vieles bleibt kitschig und formelhaft, auch Zeit- und Perspektivsprünge ändern daran wenig. Insgesamt hatte sich die Rezensentin mehr erhofft von diesem Buch.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 30.03.2024

Deniz Ohdes Protagonistin Yasemin wächst in gewaltvollen Umständen auf, sie ist aus einer Vergewaltigung entstanden, trotzdem heiraten die Eltern, so Rezensentin Nina Apin, Yasemin verliebt sich in den Nachbarsjungen Vito und das Muster beginnt sich zu wiederholen. Auch wenn eine schwere Skoliose die beiden vorläufig trennt, kehrt sie doch zurück zu ihm, er ist ein Narzisst, sie wird zum Missbrauchsopfer und leidet unter ihrem Selbsthass, was Ohde so eindrücklich schildert, dass sich bei der Lektüre "ein fast spürbarer Film des Selbstekels" auf die Kritikerin legt. Apin hätte sich den Plot zwar etwas weniger starr und klischeehaft gewünscht, die Tragödie vom fortlaufenden Missbrauch hätte man sicher literarisch aufbrechen und umschreiben können, dennoch eine lohnenswerte Lektüre, resümiert sie.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 27.03.2024

Rezensentin Katharina Teutsch seufzt: Sie schätzt die Frankfurter Autorin Deniz Ohde und auch das Thema des Romans - der Missbrauch von Frauen im weitesten Sinne - ist ein wichtiges. Allein, Ohde bekommt es nicht zu fassen, meint die Kritikerin. In Rückblenden wird hier von Yasemin erzählt, die in eine toxische Beziehung mit Vito gerät. Schon Yasemin selbst wurde gegen den Willen der Mutter gezeugt, der Vater war abwesend, die beste Freundin wird ermordet, Yasemin wird Zeugin eines sexuellen Übergriffs, schließlich verlässt sie ihren Lebensgefährten, um zu Jugendliebe Vito zurückzukehren, der allerdings Liebe mit Besitz verwechselt, resümiert Teutsch. Beide Figuren werden für die Kritikerin aber nicht greifbar und auch sprachlich kann Ohde diesmal nicht überzeugen, schließt die Rezensentin.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 16.03.2024

Rezensentin Marlen Hobrack liest und genießt mit Deniz Ohdes "Ich stelle mich schlafend" eine Coming-of-Age-Geschichte, die weit über sich selbst hinaus- oder besser gesagt: hinabweist. Nach und nach wird hinter jeder Figur, jedem Motiv dieser Erzählung eine weitere Bedeutungsebene aufgedeckt. Yasemin heißt die Protagonistin in diesem Buch, ihre Gegenfigur Immacolata steht für die Idee der weiblichen Unschuld, Vito, der Mann zu dem Yase eine "unheimliche" Beziehung pflegt, für den Todestrieb, Yases krummer Rücken für die psychische Deformation, die Frauen in unseren Gesellschaften erfahren. So ergibt sich mit der Lektüre bald eine Art raffiniert konstruiertes Mosaik aus Sinnbildern, das mehr erzählt, als das was erzählt wird. Auch wenn Hobrack die Prämissen dieses Buches teilweise kritisch sieht (Stichwort "victim blaiming"), kann sie sich über diesen klug gebauten Text freuen, der von Talent zeugt, wie sie meint.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 14.03.2024

Ein Roman über eine Gewaltbeziehung - ein derzeit auch unter dem Begriff "Femizide" viel diskutiertes aktuelles Thema, meint Rezensentin Jolinde Hüchtker und verweist auf andere Romane wie Terezia Moras "Muna" oder Lana Lux' "Geordnete Verhältnisse". Die Hauptprotagonistin in Deniz Ohdes Roman "Ich stelle mich schlafend", Yasemin, wird uns als "unauffällig freundlich" vorgestellt, als junge Frau, deren größte Angst es ist aufzufallen, eigene Bedürfnisse zu entwickeln. Ein Grund dafür, referiert die Kritikerin, ist die Tatsache, dass ihre Mutter beim Zeugungsakt völlig betrunken war, wie sie ihrer Tochter erzählt. Ein anderer, dass sie miterlebte, wie eine Freundin ihrem Geliebten nachgab und mit ihm schlief, weil sie nicht deutlich nein sagen wollte. Yasemin landet schließlich in einer gewalttätigen Beziehung, die sie "verdient" zu haben glaubt. Als Leser der Kritik stutzt man angesichts all dieser passiv leidenden Frauen. Aber dies ist ein "hochpolitischer Roman", versichert die Rezensentin, der erzählt, "wie schwierig es ist, nicht nur Nein, sondern auch aufrichtig Ja zu sagen".