Elif Batuman

Entweder / Oder

Roman
Cover: Entweder / Oder
C.H. Beck Verlag, München 2023
ISBN 9783406806988
Gebunden, 396 Seiten, 25,00 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Claudia Wenner. "Entweder/Oder" ist das Porträt einer sehr klugen Frau mit einer sehr komplizierten Gefühlswelt - und eine genauso geistreiche wie lustige Persiflage auf das Akademiker-Milieu. Es ist Selins zweites Jahr an der Harvard-Universität. Sie leidet unter Liebeskummer, möchte Schriftstellerin werden und nimmt seit Kurzem Antidepressiva. So weit, so normal. Doch Selins Problem mit dem Leben ist komplizierter: Sie neigt dazu, alles zu zerdenken, und steht sich dadurch ständig selbst im Weg. Ihr Versuch, sich die Welt über Bücher zu erklären - von Kierkegaard bis Nabokov -, um ja keinen Fuß in die Wirklichkeit setzen zu müssen, liefert Selin keine klaren Ergebnisse. Was ist das soziale Konzept einer Party, wie emanzipatorisch darf, will oder muss ich sein, und warum ist Sex eigentlich so erstrebenswert? Um ihre Fragen ans Leben zu beantworten, begibt sie sich - etwas verkrampft, aber durchaus risikobereit - mitten hinein und gerät dabei an so manchen düsteren Ort.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.10.2023

Rezensentin Christiane Pöhlmann hätte das Buch rückblickend am liebsten nach dem Klappentext beiseite gelegt. Denn mit dem Roman um die aus Batumans Vorgänger "Die Idiotin" bekannte Selin kann sie so gar nichts anfangen. Selins zweites Jahr als Harvard-Studentin steht, lernen wir, im Zeichen des Sex und der Liebe. Die Hauptfigur stürzt sich in eine Serie von Affären, deren Hintergrund laut Pöhlmann ein eher diffuses feministisches Programm bildet. Der Kritikerinleuchtet diese Selin schlicht nicht ein: Warum ist diese angeblich so kopflastige Frau so unbelesen, warum ist eine säkular erzogene junge Frau aus einer türkisch-amerikanischen Familie in sexuellen Dingen so naiv, dass sie sich Kusstipps aus der Weltliteratur holen muss? Der im Stil eines Tagebuchs geschriebene Roman arbeitet sich zwar an einer breiten Spannbreite an Themen ab, schließt Pöhlmann, insbesondere als Porträt seiner Hauptfigur jedoch findet sie ihn ernüchternd.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 12.09.2023

Rezensent Felix Stephan empfiehlt Elif Batumans zweiten Roman. Auch wenn mancher Kritiker der Autorin Kopflastigkeit attestiert, wie Stephan weiß, sollte sich die Leserin auf die Geschichte einer jungen New Yorker Studentin einlassen, die ihre Prägung durch die US-Gegenwartskultur mit den Inhalten kanonischer Romanen abgleicht. Gewinnbringend ist das laut Rezensent in vielerlei Hinsich, auch wenn man sich durch eine endlos erscheinende "Aneinanderreihung von Seminaren, Lektüren und Liebeskummer" ackern muss.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 26.08.2023

Rezensentin Anna Vollmer merkt Elif Batumans Roman den Einfluss der MeToo-Bewegung an, die zwischen dem Vorgängerroman "Die Idiotin" und dieser Fortsetzung ihren Anfang nahm. Denn die schiere Begeisterung der Protagonistin und Harvard-Studentin Selin sei im zweiten Teil einer kritischeren Perspektive gewichen, die distanzierter auf männlich geprägte Kanonbildung oder heteronormative Paarbeziehungen blickt, so Vollmer. Eine spannende Entwicklung, findet die Kritikerin, gelesen haben müsse man den ersten Teil aber nicht für ein erfüllendes Lektüreerlebnis: Lebendig erzähle Batuman, die einige biografische Parallelen zur Protagonistin aufweise, von Semlins Neugier auf Kierkegard, ihre platonische (?) Beziehung zu ihrer besten Freundin und dem "Herumgeistern" des Beinahe-Geliebten Iwan (ebenfalls aus dem Vorgängerroman bekannt). Vor allem gehe es um Selins großes Erstaunen darüber, dass selbst in Harvard der Großteil der klugen Leute nur aufs Kinderkriegen und Geldverdienen aus ist. Wie Batuman es schafft, derartige Fundamentalkritik nicht schwer oder bitter klingen zu lassen, sondern in einen unterhaltsamen College-Roman einzubinden, lustig und berührend, beeindruckt die Kritikerin.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 19.08.2023

Rezensentin Miriam Zeh freut sich, mit diesem Buch eine Fortsetzung von Elif Batumans Campusroman "Die Idiotin" lesen zu können: Die 19-jährige Selin Karadag studiert Literatur in Harvard und entdeckt Kierkegaards "Entweder/Oder" für sich. Seine Differenzierung zwischen ethischem und ästhetischem Leben fasziniert sie, auch wenn sie schnell merkt, dass ästhetisch (nicht nur) bei Kierkegaard vor allem bedeutet, sich jungen Frauen zuzuwenden, schreibt Zeh. Selin versucht, für sich eine ästhetische Lebensweise zu finden und denkt dabei viel über Literatur nach, Ausführungen, die zwar manchmal etwas ausführlich geraten, für die Kritikerin aber dennoch "einmalig" sind, etwa in ihrer Rettung Madame Bovarys vor ihrem Schöpfer. Eine kluge, feministische Protagonistin, von der und ihren selbstbestimmten Entscheidungen sie gerne liest.