Eva Kanturkova

Freundinnen aus dem Haus der Traurigkeit

Roman
Cover: Freundinnen aus dem Haus der Traurigkeit
Deutsche Verlags-Anstalt (DVA), München 2003
ISBN 9783421052490
Gebunden, 420 Seiten, 22,90 EUR

Klappentext

Aus dem Tschechischen von Silke Klein. Eva Kanturkova ist den sechziger Jahren durch mehrere Prosabände bekannt geworden. Nach der Niederschlagung des Prager Frühlings bekam sie Publikationsverbot, schrieb für Exilzeitschriften und veröffentlichte ihre Werke in Exilverlagen. 1981 wurde sie verhaftet und musste für ein Jahr ins Gefängnis. Der dokumentarische Roman "Freundinnen aus dem Haus der Traurigkeit" schöpft aus den Erfahrungen der Haftzeit. Es sind psychologische Porträts der Frauen, die mit Eva Kanturkova eingesperrt waren. Die Autorin wirft einen Blick aus allernächster, geradezu quälender Nähe auf sie und zeigt, wie Menschen sich im Leben unter dem kommunistischen Regime durchgeschlagen haben und wie sie, dem Repressionsapparat ausgeliefert, versuchen, trotz allem ihre Menschlichkeit zu bewahren.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 04.09.2004

Beeindruckend findet Rezensent Karl-Markus Gauß diesen Gefängnisroman von Eva Kanturkovás, die selbst Gefängniserfahrung hat: Ein Band mit Gesprächen mit Protagonistinnen der Bürgerrechtsbewegung hatte ihr den Vorwurf des Republikverrats und ein Jahr Haft eingetragen. Der Roman bleibe dicht an den Fakten und verstehe sich als Dokument der Zeugenschaft, berichtet Gauß. Kanturková schildere nicht nur die unerträglichen sanitären Verhältnisse und die Demütigung durch Wachpersonal, sondern auch den täglichen Widerstand gegen die schleichende Dehumanisierung. Sie zeichne warmherzige Porträts von den Mitgefangenen, etwa von rassistisch gequälten Roma-Frauen, einer schüchternen Lesbierin und jener lebenshungrigen Nadenka, die aus dem Zwangsidyll ihrer Ehe ausbricht. Kanturkovás Buch blicke in einen Abgrund aus staatlichem Terror und individueller Verkommenheit, resümiert Gauß. "Aber es ist kein hoffnungsloses Buch, denn immer wieder kündet es von jener 'Brüderlichkeit' (...), die an Orten keimt, wo Hoffnung nichts mehr gilt'".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.05.2004

Hans-Peter Riese misst das Buch von Eva Kanturkova an seinem vermeintlichen Anspruch, "Porträt einer totalitären Gesellschaft" zu sein, und erklärt das Vorhaben für gescheitert. Allerdings bleiben beim Lesen seiner gut informierten Rezension, in der er sich ausführlich mit dem gesellschaftlichen Kontext und der Aufgabe tschechischer Literatur nach dem Prager Frühling geht, Zweifel, ob es wirklich die Autorin war, die diesen Anspruch erhoben hat. Wie dem auch sei: Riese lobt den dokumentarischen Blick Kanturkovas, die aus politischen Gründen 1981 für ein Jahr inhaftiert war und nach ihrer Entlassung ihre weiblichen Mithäftlinge in diesem Roman porträtierte. Diese Frauen waren, anders als die Autorin, Kriminelle und dienen dieser als Kaleidoskop einer tschechischen Gesellschaft auf falschen Wegen - damit aber, befindet der Rezensent, werden sie reduziert dargestellt und bleiben "merkwürdig blass". Negativ ist ihm außerdem Kanturkovas "klischeehaftes" Frauenbild aufgefallen, positiv dagegen die Passagen über die inhaftierten jungen Mädchen. In jedem Fall aber sei die Autorin einer Täuschung erlegen gewesen, als sie ihre Mithäftlinge und die Mechanismen der Haftanstalt als paradigmatisch für den Zustand ihres Landes wahrnahm.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 20.03.2004

Der "politische Wahrheitsroman" der 1981 für ein Jahr inhaftierten tschechischen Autorin ist nicht nur eine bewegende literarische Verarbeitung ihrer Haftzeit; es ist zugleich ein Buch mit einer "unerhörten Botschaft", berichtet Katharina Ranzin. Die Insassinnen des Gefängnis - alles Frauen, "die laut realsozialisitischer Staatsdoktrin eigentlich gar nicht hätten existieren dürfen" - habe die Autorin "in feinen psychologischen Porträts mitreißend lebendig" geschildert. Vermöge ihrer narrativen Kraft hat es Kanturkova "bei aller Differenziertheit der Darstellung" bewerkstelligen können, das Zentralnervensystem unserer Rezensentin unmittelbar mit dem Innenleben ihrer Erzählerin zu verbinden: Ihre emotionale Beteiligung übertrage "direkt ins Rückenmark", versichert unsere bewegte Rezensentin. Doch nicht nur darum sei Kanturova Buch mehr als nur ein anrührendes Zeitdokument, bekräftigt Ranzin: "Hätte es zu Zeiten der Diktatur erscheinen dürfen, wäre es eine Sensation gewesen."