Gabriel Garcia Marquez

Wir sehen uns im August

Roman
Cover: Wir sehen uns im August
Kiepenheuer und Witsch Verlag, Köln 2024
ISBN 9783462006421
Gebunden, 144 Seiten, 23,00 EUR

Klappentext

Aus dem Spanischen von Dagmar Ploetz. Jedes Jahr fährt Ana Magdalena Bach im August mit der Fähre zu einer Karibikinsel, um dort auf das Grab ihrer Mutter einen Gladiolenstrauß zu legen. Jedes Jahr geht sie danach in ein Touristenhotel und isst abends allein an der Bar ein Käse-Schinken-Toast.  Dieses Mal jedoch wird sie von einem Mann zu einem Drink eingeladen. Es entspricht weder ihrer Herkunft oder Erziehung noch ihrer Vorstellung von ehelicher Treue, doch geht sie dennoch auf seine Avancen ein und nimmt den Unbekannten mit auf ihr Zimmer. Das Erlebnis hat sie und ihr Leben verändert. Und so fährt sie im August des kommenden Jahres wieder erwartungsvoll auf die Insel, um nicht nur das Grab ihrer Mutter zu besuchen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 16.03.2024

Zum zehnten Todestag von Gabriel García Márquez erscheinen zwei Bände, die sich Rezensent Hernán Caro vornimmt: die Erinnerungen von Sohn Rodrigo García "Abschied von Gabo und Mercedes" sowie "Wir sehen uns im August", das letzte Romanfragment des kolumbianischen Literaturnobelpreisträgers. Es sollte eigentlich unter Verschluss bleiben, er war mit dem Werk selbst nicht zufrieden, zu sehr hatte ihn die Demenz schon beeinträchtigt, doch seine Söhne haben sich dennoch zur Veröffentlichung entschlossen, erfahren wir. Ausgangspunkt ist die Protagonistin Ana Magdalena Bach, die alljährlich Blumen auf dem Grab ihrer Mutter auf einer karibischen Insel ablegt und eines Tages anfängt, an diesem Tag im Jahr mit einem fremden Mann zu schlafen, erklärt Caro, der die Prämisse zwar eigentlich interessant finden, den die platten Figuren, die Wiederholungen und der fehlende Márquezsche Humor aber denken lassen, es wäre doch besser gewesen, das Buch nicht zu veröffentlichen.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 16.03.2024

Dieser mit viel Hype auf den Markt geworfene letzte Roman von Gabriel Garcia Marquez verdient das Prädikat Roman eigentlich nicht. Es gibt keine Endversion, Garcia Marquez hat seine Entwürfe angesichts seiner fortschreitenden Demenz verworfen. Der Herausgeber hat dann aus dem Material einen "Roman" zusammengestellt, erzählt Rezensentin Sigrid Löffler, die sich wünschte, wie schon der Autor, das Buch wäre nie erschienen. Gewiss, das Thema ist originell, gibt sie zu. Die Geschichte dreht sich um eine ältere Frau, die plötzlich den Sex entdeckt und einmal im Jahr, auf der Reise zum Grab ihrer Mutter, nach Herzenslust auslebt. Aber sprachlich reichte es nur noch für Platitüden, bedauert die Kritikerin, die sich die Lektüre dieses "Dokument des Ruins" gern erspart hätte.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 14.03.2024

Niemand anders schreibt hier die Kritik als Michi Strausfeld, die große Entdeckerin der lateinamerikanischen Literatur für den deutschen Buchmarkt. Ihr Urteil ist eindeutig: Es war eine richtige Entscheidung der Marquez-Erben, diesen nachgelassenen kleinen und vielleicht nicht ganz vollendeten Roman veröffentlicht zu haben. Sie ist geradezu erleichtert, denn dieser Roman erscheint ihr als ein würdigerer Schlusspunkt als "Erinnerung an meine traurigen Huren", Marquez' offiziell letzter Roman von 2004, den sie doch trotz toller Passagen als eine Altmännerfantasie empfand. Hier ist es anders: Marquez schrieb diesen Roman, als er sich seiner wachsenden Demenz bewusst wurde, darum wohl auch der Name der Protagonistin: Ana Magdalena Bach, denn die Erinnerungen verfliegen, die Liebe zur Musik bleibt, so Strausfeld. Dieser Roman, verspricht sie, enthält bei allen Mängeln viele schöne poetische Passagen und vor allem einen brillanten Schluss, über den sie natürlich nichts verrät. Nebenbei empfiehlt Strausfeld übrigens die Lektüre des parallel erscheinenden Erinnerungsbuchs "Abschied von Gabo und Mercedes" von Marquez' Sohn Rodrigo, eine Hommage an den späten, kranken Vater.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 14.03.2024

Rezensent Volker Weidermann möchte am liebsten gar kein Wort über dieses posthum veröffentlichte Werk von Gabriel Garcia Marquez verlieren, so sehr schämt er sich. "Seicht, konventionell und läppisch" lautet sein vernichtendes Urteil über den Roman, den der kolumbianische Schriftsteller nicht ohne Grund nie veröffentlicht wissen wollte. Erzählt wird die Geschichte einer Frau, die jährlich auf eine Karibikinsel zum Grab der Mutter fährt, um Gladiolen niederzulegen und dort bald in einen "Liebestaumel" gerät. Von Magie oder Geheimnis keine Spur, stattdessen ein überholtes Frauenbild und eine in Gladiolenduft ertränkte Story, schließt der Kritiker, der hofft, dass Garcia-Marquez-Anfänger diesen Roman nie in die Hände bekommen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 13.03.2024

Rezensentin Cornelia Geißler zeigt sich sehr angetan von dem letzten, nun posthum veröffentlichten Roman des Nobelpreisträgers Gabriel García Márquez. Obgleich durch Autor und Vorwort als Fragment ausgewiesen und an einigen Stellen nicht ganz gerundet, ist der Text laut Geißler durchaus durchgearbeitet - und überzeugt als eine Erzählung von Liebe und Lust einer bald fünfzigjährigen Frau. Marquez' Erzählung von der Lehrerin Ana Magdalena Bach und den erotischen Abenteuern, die sie, beginnend mit der Feier des Todestages ihrer auf einer Karibikinsel begrabenen Mutter, jährlich am gleichen Ort eingeht, ist Geißler zufolge nicht nur durchdrungen von der Musik, der die Helden nachgehen, sondern auch komponiert wie ein Rondo. Nicht zuletzt wegen des überraschenden Schlusses empfiehlt Geißler das Buch.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 12.03.2024

Rezensent Kurt Kister wägt ab zwischen Bedenken über die Publikation eines offensichtlich nicht vollendeten Buches aus dem Nachlass von Gabriel Garcia Marquez und der Lesefreude an einer Geschichte über eine ältere Frau und ihre späten Amouren und über Liebe und Tod. Die Story macht es Kister nicht leicht, weil vieles im Ungefähren bleibt, sprachlich "unfertig" oder altmännerhaft wirkt. Der Schluss allerdings überrrascht den Rezensenten auf eine Weise, dass er sich wünscht, der Autor hätte noch Zeit gehabt, das kleine Buch zu einem wirklich großen zu vollenden.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 08.03.2024

Dieses Buch stellt einen kleinen "Verrat" dar, wie Rezensent Dirk Fuhrig gleich zu Beginn erklärt - ein Verstoß gegen den Willen des großen "Sprachmagiers" Gabriel García Márquez, welcher den Fragment gebliebenen Text nie veröffentlichen wollte. Wie gut, dass sich Márquez' Erben über den Wunsch ihres Ahnen hinweggesetzt haben: Gut für sie selbst, in finanzieller Hinsicht, vermutet Fuhrig, und gut für Márquez' Fans in intellektueller Hinsicht. Zwar ist dieser letzte Roman nicht die literarische Glanznummer, als die er vermarktet wird - zur Weltliteratur fehlt der schmalen Liebesnovelle der gesellschaftliche Kontext, der etwa Romane wie "Liebe in Zeiten der Cholera" auszeichnete. Dennoch ist "Wir sehen uns im August" ein Genuss, freut sich der Rezensent, ein "reizender Episodenroman" über das weibliche Begehren, erzählt in einer herrlich erquickenden Sprache.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 07.03.2024

Die Entscheidung, unvollendete Romane aus Nachlässen zu veröffentlichen, ist eine schwierige, wie Kritikerin Katharina Döbler bei diesem letzten Buch von Gabriel García Márquez sieht, das er aufgrund seine Demenz nicht mehr vollenden konnte. Die Idee findet Döbler toll: Eine Frau, die nicht zufällig Ana Magdalena Bach heißt, fährt immer am 16. August zum Grab ihrer Mutter, wo sie dann in einem Jahr zufällig einen Mann kennenlernt. Daraus entsteht quasi eine Tradition, jedes Jahr hat sie in dieser Nacht einen anderen Liebhaber, "vom Heiratsschwindler bis zum Bischof." Die Rezensentin merkt dem Text allerdings stark an, dass Márquez nicht mehr die Kraft hatte, ihn fertigzustellen, zu groß sind die Lücken, zu unfertig das ganze Buch. Trotz der Freude, noch ein letztes Mal Zeilen von ihm lesen zu können, eine Leseerfahrung, die Döbler "schmerzlich" findet.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.03.2024

Eine literarische Sensation ist dieses letzte Werk von Gabriel García Marquez, weiß Rezensent Paul Ingendaay. Ein "poetisches Kammerstück über das Verkümmern der Liebe" hat der große, damals schon an fortschreitender Demenz leidende Marquez geschrieben, so Ingendaay. Es geht hier, ausnahmsweise, um weibliches Begehren. Mit der gewohnten Sprachgewalt erzählt Marquez die Geschichte eines Ehebruchs: Immer wenn Ana Magdalena Bach einmal im Jahr das Grab ihrer Mutter besucht, schläft sie mit einem Mann. Marquez' Übertreibungen und seine mutige Prosa nehmen den Rezensenten dabei wie ein "Wirbelsturm" mit. Ingendaay kann nur trauern, dass es nun keinen weiteren Text geben wird.
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