Giulia Caminito

Das Wasser des Sees ist niemals süß

Roman
Cover: Das Wasser des Sees ist niemals süß
Klaus Wagenbach Verlag, Berlin 2022
ISBN 9783803133496
Gebunden, 320 Seiten, 25,00 EUR

Klappentext

Erscheint am 18. August 2022. Aus dem Italienischen von Barbara Kleiner. Am Grund des Sees liegt eine versunkene Weihnachtskrippe, sein Wasser schimmert trüb, schmeckt nach Sonnencreme und Benzin. Hier, am Lago di Bracciano, bezieht Gaia mit ihrer Familie eine Sozialwohnung: der Vater, der seit einem Arbeitsunfall im Rollstuhl sitzt, der ältere anarchistische Bruder Mariano, die kleinen Zwillinge - und die Mutter Antonia, die so zupackend wie rücksichtslos alles zusammenhält.Ihre Tochter, blass, sommersprossig, dürr, soll nicht so enden wie sie, Bildung soll der Ausweg für Gaia sein. Doch die erkennt früh, dass Talent und zwanghafter Fleiß nicht ausreichen, um mitzuhalten - wenn man kein liebes Mädchen sein will, den filzstiftgrünen Pullover des Bruders aufträgt und sich kein Handy leisten kann. Konfrontiert mit Herabsetzungen, Leistungsdruck und Orientierungslosigkeit verwandelt sich Gaias stumme Verletzlichkeit in maßlose Wut, die sie zunehmend Grenzen überschreiten lässt...

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 28.10.2022

Hymnisch bespricht Rezensentin Anne Kohlick den zweiten Roman der italienischen Autorin Giulia Caminito - auch wenn er der Kritikerin einiges abverlangt. Denn Caminito erzählt ihr einen "Anti-Bildungsroman", der mitunter verstört: Die inzwischen erwachsene Ich-Erzählerin blickt zurück auf ihre Kindheit und Jugend in prekären Verhältnissen, auf die Wut und Verachtung die sich aufstaute und bald in Gewalt entlädt und auf den gescheiterten Bildungsaufstieg, resümiert die Kritikerin. Die intensiven Bilder und Sätze hallen bei Kohlick lange nach, nicht zuletzt dank der exzellenten Übersetzung durch Barbara Kleiner.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.09.2022

Christiane Pöhlmann ist begeistert: Wie umstandslos Giulia Caminito ihren Figuren Präsenz verleiht, das imponiert der Rezensentin besonders in diesem Roman um eine Mutter, die ihr eigenes Leben nicht auf die Reihe bekommen hat, ihrer Tochter jetzt aber unbedingt den Aufstieg durch Bildung ermöglichen möchte. Doch Gaia, die Erzählerin, tritt in der falschen Disziplin an, wie Pöhlmann andeutet, statt im Rennen läuft sie beim Weitsprung. Gaia ist keine Sympathieträgerin, warnt Pöhlmann vor, die stattdessen sehr beeindruckt ist von der "Kälte und Brutalität", die Caminito ihr zuschreibt. Über die Übersetzung von Barbara Kleiner müsste sich jede Autorin freuen, meint die Rezensentin zudem.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 20.08.2022

Rezensentin Karen Krüger hat das Gefühl, den Figuren aus Giulia Caminitos neuem Roman jederzeit auf der Straße begegnen zu können. Der Text über das Aufwachsen in prekären Verhältnissen an der Peripherie Roms mutet ihr einiges an Härte zu, räumt Krüger ein, zugleich spürt die Rezensentin, dass die Schilderungen im Roman dem Leben unmittelbar abgeschaut sind. Groß und kraftvoll erscheint ihr der Text auch deswegen, weil Caminito, die in Italien ein neuer Stern am Literaturhimmel ist, ihre Erzählerin mit einer glasklaren Kälte auf die Verhältnisse blicken lässt. Wie die Autorin eigene und fremde Lebenserfahrungen im Text verarbeitet, erscheint Krüger bezwingend.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 06.08.2022

Rezensent Marc Reichwein scheint ein so großer Fan der italienischen Autorin Giulia Caminito zu sein, dass er das Buch schon zwei Wochen vor Erscheinungstermin bespricht. Entsprechend hymnisch fällt seine Kritik des Romans aus, der ihm "Bildung als Passionsgeschichte" erzählt. Er folgt hier Gaia, die in einer sechsköpfigen Familie in einer Sozialwohnung in einem der besseren Viertel Roms aufwächst, der Vater ist querschnittsgelähmt, die Mutter schickt sie aufs Gymnasium. Gaia schafft es bis zur Doktorandin, aber der Weg ist steinig. Caminitos Aufsteigergeschichte ist keine Autofiktion à la Ernaux oder Louis, sondern schlicht Literatur, freut sich Reichwein. Brillant recherchiert - und übersetzt - zeugt der Roman von einer ungeheuren Kraft, besticht durch die "garstige Lebensenergie" seiner nicht zwingend sympathischen Heldin und durch eine Sogkraft, der man sich nicht entziehen kann, fährt der Rezensent fort. "Besser als Ferrante", schließt er.