Günter Kunert

Die zweite Frau

Roman
Cover: Die zweite Frau
Wallstein Verlag, Göttingen 2019
ISBN 9783835334403
Gebunden, 204 Seiten, 20,00 EUR

Klappentext

Ein Roman, geschrieben vor 45 Jahren - in der DDR "absolut undruckbar", wusste Kunert und versteckte ihn im Archiv. Nun wiedergefunden, wird er endlich veröffentlicht. In einer Truhe fand Günter Kunert unlängst ein Manuskript, das er vor fast fünfundvierzig Jahren geschrieben hat - einen Roman, so frech, brisant und "politisch unmöglich", dass Kunert, der damals noch in der DDR lebte, ihn gar nicht erst einem Verlag vorlegte. "Absolut undruckbar", wusste er und vergrub das Manuskript so tief in seinem Archiv, dass er selbst es vollkommen vergaß und erst jetzt durch Zufall wiederfand. Kunert ist berühmt für seine skeptischen Gedichte, die vor ökologischen Katastrophen und Fehlentwicklungen warnen, für seine Miniaturen und kurzen Prosatexte, Notate, Hörspiele, Filme; als Romanautor kennt man ihn eher nicht. Und hier ist nun ein Roman, funkelnd und frisch, geschrieben zur Hälfte des Lebens: Der männliche Protagonist sucht nach einem Geschenk zum vierzigsten Geburtstag seiner Frau; die Auswahl in den Geschäften ist ebenso entmutigend wie seine Einfallslosigkeit, schließlich tauscht er Mark der DDR in Westgeld, um im Intershop einzukaufen, und macht dort unbedachte Bemerkungen. So nimmt eine Tragikomödie um Montaigne, Missverständnisse und Stasi-Tumbheit ihren Lauf.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 07.03.2019

Als Günter Kunert diesen Roman schrieb, war er halb so alt wie heute, nämlich 45. Und Ulrich Greiners kleine Kritik liest sich darum auch wie eine Hommage zum Neunzigsten des Autors. Es ist ein satirischer Roman, so Greiner, dessen Existenz Kunert fast vergessen hätte, nachdem er das in der DDR natürlich nicht zu veröffentlichende Manuskript mit in den Westen genommen hatte. Und es ist eine prima Satire, ein perfektes Gegengift für alle jene Ostalgiker, die ja auch in Greiners Zeit immer noch öfters ein Refugium finden. Heute sei Kunert fast noch sarkastischer drauf, versichert Greiner am Ende seiner Kritik. Aber gerade mit diesem Sarkasmus halte man die auch heute grassierenden "Ismen" besser aus.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.03.2019

Jochen Schimmang staunt nicht nur über das Derb-Komödiantische an diesem Roman, den Günter Kunert in den siebziger Jahren in der DDR nur für die Schublade schreiben konnte. Er staunt auch über die "Lust an der Reflexion", die sich hier zur Lust am Erzählen gesellt und der Farce den todernsten Hintergrund liefert: "Die Zweite Frau" erzählt vom DDR-Archäologen Barthold, der Ärger mit der Stasi bekommt, als diese ihn über Montaigne sprechen hört, einen Ausländer, über dessen Kontakt Barthold nicht ordnungsgemäß Bericht erstattet hat. Schimmang weiß, dass die Stasi genau deshalb so übel agierte, weil sie "allwissend und doch zugleich stockdoof" war. Und er ahnt, dass dem Schriftsteller dieser Roman, obwohl wahrscheinlich nie für die Veröffentlichung vorgesehen, zur eigenen Standortbestimmung diente.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 06.03.2019

Jürgen Verdofsky ist fasziniert von Günter Kunert Roman von 1975. Kein bisschen leise oder alt scheint ihm der Text, der Kontext der Geschichte um ein Archäologen-Ehepaar in DDR- und wackelnden Eheverhältnissen so allgemein und klar, dass er ihn auch ohne Erläuterungen begreift. Kunert, Stimmgeber einer Generation, so Verdofsky, ist auch lustig, versichert der Rezensent. Als Film kann er sich den Roman mit seinen Überblendungen sehr gut vorstellen, sogar die inneren Monologe.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 06.03.2019

Rezensent Helmut Böttiger gibt sich Mühe, diesen Roman nicht einfach zu verreißen. Er billigt ihm wegen der Verhältnisse - das Leben in der DDR zur Entstehungszeit des Romans 1974/75 war schlicht grässlich - mildernde Umstände zu. Doch lässt er keinen Zweifel daran, dass Günter Kunerts DDR-Satire für seinen Geschmack reichlich derb ausgefallen ist, mit einem "schenkelklopfenden" Humor, dem er zugesteht, dass da wohl "etwas raus musste". Interessant authentisch findet er das, literarisch kann ihn der Roman aber nicht überzeugen.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 04.03.2019

Katrin Hillgruber freut sich über diesen um 1975 entstandenen Roman von Günter Kunert. Dass der Autor nicht nur als Lyriker und Verfasser von Kurzprosa überzeugt, beweist ihr der nach 40 Jahren  Dornröschenschlaf veröffentliche "kriminalistisch-politische" Liebesroman. Frisch und frech und kompromisslos satirisch schreibt das SED-Mitglied Kunert hier über die Trostlosigkeit der frühen Honecker-Ära und macht seiner Enttäuschung über den kleinbürgerlichen real existierenden Sozialismus Luft, meint Hillgruber.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 15.02.2019

Die Geschichte hinter Günter Kunerts neuem alten Roman wirkt ausgedachter als der Roman selbst, findet Rezensentin Elke Schlinsog. 1974/75 hat Kunert ein Buch über das Leben in der DDR geschrieben, über den Mangel, die Langeweile, die Tristheit, über das ständige Misstrauen, das Abwarten. Veröffentlicht hat er ihn jedoch nie, lesen wir. Wusste er doch, dass ein so brisanter, ein so ungehörig kritischer, und hochgradig ironischer Text niemals publiziert werden würde. Glücklicherweise, so die Rezensenten, hat er ihn nun wieder gefunden und beschlossen, dass es jetzt an der Zeit ist. Der Leser wird ihm danken, denn "Die zweite Frau" ist unterhaltsam, spannend, witzig, ehrlich, er eckt an und lässt den Leser so die ganz authentische DDR (wieder-)erleben, so Schlinsog. Ganz besonders schätzt die Rezensentin diesen kecken, humorvollen Ton, in dem Kunert auch die schmerzhaften und gefährlichen Seiten des Lebens schildert. Ein abenteuerlicher Kurztrip durch das eine Deutschland in den Siebzigern, meint die Rezensentin, und: Unbedingt lesen!