Harry Mathews, Georges Perec

Roussel und Venedig

Entwurf zu einer melancholischen Geografie
Cover: Roussel und Venedig
Zero Sharp, Berlin 2018
ISBN 9783945421079
Kartoniert, 72 Seiten, 12,00 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Hanns Grössel. Mit einem Nachwort von Maximilian Gilleßen und sieben Zeichnungen von Anton Stuckardt. Der französische Schriftsteller Raymond Roussel (1877-1933) war für Harry Mathews und Georges Perec ein entscheidender Einfluss. Sie bewunderten seine karnevaleske Schreibweise, sein raffiniertes Spiel mit dem Kanon, seine Vermischung von historisch Beglaubigtem und rein Fiktivem. Die ursprünglich zu seinem hundertsten Geburtstag erschienene Studie, die sie ihm widmeten, ist jedoch mehr als nur eine Hommage: ein zwischen Philologie und Parodie, Wahrheit und Fiktion schwebendes Geflecht von Bezügen und Anspielungen, in dessen Zentrum ein hypothetisches Theaterstück Roussels steht.
Die Topografie von Venedig, so argumentieren die beiden Autoren, könnte dem Aufbau von Roussels Büchern zugrunde liegen: als Erinnerung und geheime Metonymie eines Verlustes, als Spur eines unmöglichen Begehrens. Aber jede Deutung ist ein Effekt des Textes, und Venedig könnte ebenso gut eine Erfindung Roussels sein: "Es gibt kein Geheimnis Roussel, sein Werk stellt kein zu lösendes Rätsel dar; einzig unsere Lektüre, unser Durst nach Erklärungen, unsere Lust an Vorder- und Hintergründen erweckt um dieses Werk den Eindruck eines aufzubrechenden Geheimnisses. Wenn es aber ein Geheimnis gibt, dann mit Sicherheit nicht dort, wo wir es suchen."
Derart antworten Mathews und Perec auf alle Interpreten, die glauben, sie könnten, weil sie den Schlüssel besitzen, aus jedem Text das passende Schloss machen. Ihre Arbeit stellt eine so elegante wie unterhaltsame Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten und Grenzen autobiografischer und psychoanalytischer Deutungsansätze dar - und ist nicht zuletzt ein gelungenes Beispiel für eine "imaginäre Lösung" im Sinne der Pataphysik.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 14.02.2019

Rezensent Christoph Vormweg staunt über dieses Werk des französischen Schriftstellers und Filmemachers Georges Perec und des amerikanischen Autors Harry Mathews, die dem Dichter Raymond Roussel hier ein literarisches Denkmal setzen. Das Konzept ist komplex: Roussel, von den Oulipoten - ein den Surrealisten nahe stehender Autorenkreis, der die Sprache durch formale Zwänge zu erweitern sucht - als "Wegweiser" verehrt, führte ein "literarisches Rattendasein", wie Vormweg erklärt: Formale Fesseln, Sprachspielereien, der Verzicht auf Beobachtungen, stattdessen nur "imaginäre Kombinationen" bestimmten sein Werk. Mathews und Perec wiederum begeben sich in diesem Werk auf die Spuren Roussels, geben ihr Werk als Abhandlung über ein fiktives Theaterstück Roussels samt Zitaten und Anmerkungsapparat aus, statten Roussel mit Venedigkenntnissen aus und führen ganz nebenbei noch in die literarische Auseinandersetzung mit Liebesleid ein, resümiert der Kritiker. Viel Spaß hat er in jedem Fall dabei und für erhellende Erkenntnisse über Roussel gibt es das lesenswerte Nachwort von Maximilian Gilleßen, schließt er.