Henry Roth

Requiem für Harlem

Roman
Cover: Requiem für Harlem
Rotbuch Verlag, Hamburg 2005
ISBN 9783434531395
Gebunden, 360 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Heide Sommer. In seinem Roman "Requiem für Harlem", der sein letzter war, erzählt Henry Roth die qualvolle Liebesgeschichte des 21-jährigen Ira Stigman, Senior-Student am City College von New York, mit der zehn Jahre älteren Edith Welles, Literaturdozentin an der New York University. Ira Stigman, Sohn jüdischer Einwanderer aus Galizien, versucht, die Fesseln zu sprengen, die seine Herkunft aus einfachsten Verhältnissen ihm anlegt. Er fühlt sich als vollkommener Versager und taumelt unbehütet und unaufgeklärt durchs Leben, Geborgenheit findet er erst in der Literatur, an die Edith, die Geliebte seines besten Freundes Larry, ihn behutsam heranführt.
Gehemmt und verklemmt beobachtet Ira still leidend das promiskuitive Leben der Edith Welles, die neben Larry noch andere Liebhaber hat. Edith aber sucht Iras Nähe, vertraut sich ihm bei einer Abtreibung an, hält ihn allerdings für sexuell desinteressiert und unberührt, ohne sein schreckliches Geheimnis zu ahnen: den jahrelangen Inzest mit seiner Schwester Minnie.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 14.07.2006

An James Joyce fühlt sich Christoph Haas bei der Lektüre des letzten Buches des 1995 verstorbenen Henry Roth erinnert. "Requiem für Harlem" ist der Abschlussband einer Tetralogie, welche als letztes Werk des früh gepriesenen und dann lange verstummten Schriftstellers auch gleichzeitig dessen Opus magnum geworden ist. Neben einer beeindruckenden "Präzision und Farbigkeit" der Schilderung, die das große Vorbild aus Irland erkennen ließen, haben dem Rezensenten vor allem die Dialoge gefallen, die den größten Teil des Buches ausmachten, und in denen Roth sein "literarisch Bestes" gebe. Allerdings ist Haas ziemlich genervt von den sich wiederholenden Gesprächsthemen und immergleichen Problemen der Figuren wie von der Monomanie des Protagonisten. Die Egozentrik der unschwer als Alter ego des Autors erkennbaren Hauptfigur werde zwar in bemerkenswerter Schonungslosigkeit entfaltet, könne aber auch Henry Roth selbst zum Vorwurf gemacht werden. Für den Rezensenten ist sie mithin ein Grund, warum Roth "nur ein guter" Autor geworden sei, aber eben nicht der literarische Meilenstein, als den Roths Lektor diesen im Nachwort würdigt.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 12.01.2006

Otto Böhmer hat viel Lob zu verteilen. Zum einen an Henry Roth, der seiner Meinung nach zu Unrecht nicht so bekannt ist wie die beiden Namensvettern Joseph und Philip. Roth habe mit dem Abschluss seiner Romantetralogie über Ira Stigman ein "ungemein dichtes" Buch abgeliefert, mit einer "zeitlosen Botschaft". Nachdem der aus den vorherigen Büchern schon bekannte Stigman sich aus seinen Liebes- und Lebenswirren befreit hat und zu seiner New Yorker Dozentin gezogen ist, erkennt er nämlich, dass die einzig menschliche Konstante der stete Wandel ist. Lob geht auch an den Verlag, der mit Heide Sommer nicht nur eine "famose" Übersetzerin gefunden hat, sondern seinen editorischen Pflichten mit dem Nachwort und dem "umfangreichen" Glossar jiddischer und hebräischer Ausdrücke in vorbildlicher Weise nachkommt.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 11.10.2005

Möglicherweise dauere es ein wenig, aber dann nehme der "atemlose Bewusstseinsstrom" des jugendlichen Protagonisten und an Joyce erinnernde Sprachspiele den Leser durchaus gefangen, ist sich Rezensent Manuel Gogos sicher. Mit "Requiem für Harlem" habe Henry Roth kurz vor seinem Tod im Jahr 1995 noch den vierten von sechs geplanten Bänden beenden können. 45 Jahre nach seinem Kindheitsroman "Nenn es Schlaf" geschrieben, führe die Tetralogie die Lebensbeschreibung im New Yorker jüdischen Armenmilieu vor und nach dem ersten Weltkrieg aus der Sicht des Jugendlichen Ira Stigman fort. Allerdings, betont der Rezensent, sei die Tetralogie gleichwohl ein "eigenständiges und abgeschlossenes Werk". "Requiem für Harlem" zeige wenig äußere Handlung, dafür aber eine große innere Erregung des Helden, der sich einerseits von den Fesseln der Familie zu befreien suche, andererseits in inzestuöse Beziehungen verstrickt sei. Gerade der schon alte Henry Roth, so Gogos, schreibe ohne Scheu vom "Schlangennest des Herzens", und sein Ira Stigman gehöre zu den "jüdischen Unholden", wie sie auch bei Philip Roth oder Saul Bellwos auftauchten. Auch Henry Roth, gewichtet der Rezensent, sei einer der "großen Drahtzieher der amerikanisch-jüdischen Literatur".
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