Jean-Philippe Toussaint

Die Gefühle

Roman
Cover: Die Gefühle
Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 2021
ISBN 9783627002879
Gebunden, 256 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Joachim Unseld. Ein Nachdenken über die Moderne und deren technischen Auswüchse wie Blockchain und Bitcoin, konspirative Treffen und ein wenig Action à la James Bond - davon handelte Toussaints letzter Roman Der USB-Stick. In Die Gefühle, dem zweiten Band seines neuen Romanzyklus, zeichnet er das abenteuerliche Porträt eines Mannes, der die Erfahrung der Unvorhersehbarkeit macht: Für seinen Helden Jean Detrez, dessen berufliche Beschäftigung mit der Zukunft nicht besagt, dass er seine eigene Zukunft im Griff hätte, verflechten sich Liebe, Sex und Tod auf abenteuerliche Weise. Seine Ehe scheitert, als sie sagt: "Ich liebe dich nicht mehr." Ihr letzter gemeinsamer Abend ist der Tag des Referendums Großbritanniens, eine doppelte Niederlage für den Mitarbeiter der Europäischen Kommission. Und mit dem Brexit wird nicht nur sein Traum von Europa zu Grabe getragen, auch sein Vater liegt im Sterben.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.09.2021

Rezensent Niklas Bender erlebt mit Jean-Philippe Toussaints Roman das Ende Europas als ein beiläufiges, aber doch distinguiert erduldetes Missgeschick - Untergehen in "Armanigrau". Es ist zwar nicht ganz leicht, dem Rezensenten durch den Roman zu folgen, aber deutlich wird, dass der belgische Romancier in seiner Geschichte um den Zukunftsforscher und EU-Beamten Jean Detrez von Gefühlen und Politik erzählt. Die paneuropäischen Amouren des Protagonisten erscheinen jedoch nur nur auf den ersten Blick vergnüglich, versichert Bender, ihre "existenzielle Wucht" entfalte die Komik im Laufe des Romans. Vor allem aber sieht der Rezensent hier Familien- und Institutionengeschichte, psychologische Analyse und historische Umwälzungen mit einer Subtilität verflochten, die ihn an Flaubert erinnert.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 31.08.2021

Rezensentin Katja Lückert erkennt in Jean-Philippe Toussaints Hauptfigur, dem durch die Gegenwart taumelnden Zukunftsforscher Jean Detrez, ein Sinnbild für die menschliche Spezies. Wie der Protagonist in diesem neuen Teil von Toussaints Zyklus von einer Liebe zur nächsten wandert und sich als Spielball größerer Zusammenhänge begreift (etwa des Brexits oder eines Vulkanausbruchs), erzählt der Autor laut Lückert ohne zusammenhängenden Plot in Momentaufnahmen. Toussaints Stil empfindet Lückert mal als anstrengend (Schachtelsätze!), mal als verblüffend treffend. Wie es mit Detrez weitergeht, möchte sie in jedem Fall wissen.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 10.08.2021

Rezensentin Claudia Mäder ist selten einem aufregenderen Beamten begegnet als dem Helden von Jean-Philippe Touissaints Roman. Dass der Autor offenbar einen ganzen Zyklus über diesen Jean Detrez plant, freut Mäder. Das liegt für Mäder vor allem daran, dass Toussaint zwar existenzielle Ereignisse (Tod und Liebe) im Leben seiner Figur behandelt, aber nie rührselig wird, sondern einen zu gleichen Teilen präzisen und assoziativen Ton findet, um zu den Gefühlen der Figur vorzudringen. Wirkliche Nähe zu den Charakteren im Buch gibt es nur selten, erklärt die Rezensentin, und das Emotionale ereignet sich hier eher im Bereich des nur Möglichen.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 02.08.2021

Rezensentin Sigrid Löffler ist begeistert von Jean-Philippe Toussaints Roman. Die Brüsseler Bürokratie und das Private bringt keiner so gekonnt zusammen wie dieser Autor, ist sie überzeugt. Dass der Autor den Helden seines letzten Romans noch einmal ins Zentrum eines Buches stellt, findet sie in Ordnung. Anhand seines Protagonisten Jean Detrez, Zukunftsforscher der Europäischen Kommission zwischen Ehescheidung, Brexit und Trump, spielt der Autor laut Löffler überzeugend seine These durch, dass politische Krisen den Gefühlshaushalt der EU-Beamten beeinflussen - und umgekehrt. Besonders gut ist der Autor in der Schilderung des EU-Arbeitsalltags, findet Löffler. Wie der menschliche Faktor den Brüsseler Betrieb stört, liest sie mit einigem Genuss.