Jörg W. Gronius

Ein Stück Malheur

Roman
Cover: Ein Stück Malheur
Weidle Verlag, Bonn 2000
ISBN 9783931135485
Gebunden, 200 Seiten, 19,43 EUR

Klappentext

Eine Berliner Kindheit um 1950, ein halbes Jahrhundert nach Walter Benjamin. Aus der Sicht des begabten Kindes entfaltet sich das Drama der Alphabetisierung aus der Dumpfheit des Vergangenen, an das niemand erinnert werden will. Ein Schelmenroman zwischen Horror und Groteske.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.02.2001

Eine Berliner Kindheit in den fünfziger Jahren. Der Protagonist, ein kleiner Junge, hatte in der räumlichen Enge eines Kreuzberger Mietshauses wenig zu lachen, informiert Tilman Spreckelsen. Das Romandebüt des Dramaturgen Jörg W. Gronius, Verfasser zahlreicher grotesker Kurzprosa (zusammen mit Bernd Rauschenbach), hat dem Rezensenten sehr gut gefallen. Denn Gronius beschreibe ohne Lamoyanz, vielmehr mit einer grimmigen Komik, wie enge Wohnverhältnisse und die Überforderung von Erziehungspersonen familiäre Aggressionen schüren. Lakonisch und eindringlich habe der Autor ein kleinbürgerliches Panorama der fünfziger Jahre entworfen. So anschaulich und detailliert, dass allen bitteren Episoden zum Trotz beim Leser das Bedürfnis entstehe, alles über diese Berliner Kindheit zu erfahren, meint Spreckelsen.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 06.12.2000

Agnes Hüfner hat sich, nachdem der Roman für sie "vielversprechend" begonnen hat, leider doch gelangweilt. Lobt sie zunächst die eindringliche Kindheitsgeschichte, in der aus der Perspektive des Kindes die Leiden unter der hasserfüllten Mutter und Großmutter berichtet werden und deren Verfahren sie an Walter Benjamins "Berliner Kindheit um neunzehnhundert" erinnert, lässt ihre Begeisterung im Lauf des Buches merklich nach. In dem Bemühen, die Sichtweise eines Kindes zu imitieren, sieht sie "des Guten zu viel" getan, nun gehen ihr die "Fertigbausätze der 50-er/60-er Jahre" mit denen die Sprache der Erwachsenen wiedergegeben wird und die auf Unverständnis beruhenden "lautmalerischen Assoziationen" des Kindes auf die Nerven. Das Prinzip der "variationslosen Wiederholung", das der Autor gerne einsetzt, ist zwar frei von Sentimentalität, gesteht die Rezensentin, doch eben leider auch "recht langweilig".
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 18.10.2000

In dem autobiografischen Kindheitsroman von Jörg W. Gronius findet Werner Irro die ganze Lustfeindlichkeit der Gesellschaft der fünfziger Jahre auf beklemmende Weise präsent. Gronius schreibt aus der Perspektive eines Jungen ohne Namen, der sich unter der autoritären und wenig liebevollen Erziehung durch Vater, Mutter und Großmutter wie der Waisenjunge Harry Potter am liebsten freiwillig in seine Besenkammer verzieht. In neun Kapiteln umreißt Gronius die verschiedenen Lebensbereiche des Kindes. Irro nennt das `ein Ganzes, das einem die Luft nimmt`. Selten wechselt der Autor auf eine intellektuelle Ebene, schreibt Irro, die aber verzichtbar ist, da der `assoziative Stil` `ganz der Erregung der Fantasie des Jungen durch ein Wort oder ein Bild` folgt. Gronius porträtiere damit eine Zeit, deren Ziel es war, mit allen Mitteln eine äußerliche Ordnung herzustellen. Das `Protokoll einer verweigerten Kindheit` vergleicht der Rezensent sogar mit der Selbsterlebensprosa eines Thomas Bernhard.