Joseph Vogl

Das Gespenst des Kapitals

Cover: Das Gespenst des Kapitals
Diaphanes Verlag, Zürich 2010
ISBN 9783037341162
Kartoniert, 224 Seiten, 12,00 EUR

Klappentext

Angesichts der Ereignisstürme im gegenwärtigen Finanzgeschäft widmet sich Joseph Vogl in einem Essay den Wahrnehmungsweisen, Theorien und Problemlagen dessen, was man mit gutem Grund immer noch Kapitalismus nennen muss. Gerade Finanzmärkte gelten als das Marktgeschehen schlechthin. Unbelastet von den Beschwernissen der Produktion sind sie - für die herrschende ökonomische Doktrin - Schauplätze eines perfekten Wettbewerbs und idealer wirtschaftlicher Ausgleichprozesse: ein segensreiches Zusammenspiel von gewinnorientierten und also ebenso rationalen wie zuverlässigen Akteuren. Darum wollte man in Spekulationsblasen und Crashs bloße Anpassungskrisen oder jene seltenen Ausnahmesituationen erkennen, die sich dem irrationalen Überschwang eines vielleicht gierigen, vielleicht inkompetenten oder schlicht rücksichtslosen Spekulationswesens verdanken. Hier setzen die Fragen des Essays an: Sind die irrationalen Exuberanzen wirklich Ausnahmefälle oder nicht eher reguläre Prozesse im Getriebe kapitalistischer Ökonomien? Reicht die Unterscheidung von rational und irrational überhaupt hin, die Effekte dieses Systems zu fassen?

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 29.01.2011

Großartig findet Rezensent Christian Schlüter diesen Essay des Kulturwissenschaftler Joseph Vogl, der darin der ökonomischen Lehre mit literaturwissenschaftlichen Mitteln beizukommen versucht. Vogl macht sich daran, den wirklichkeitsfernen Kern der Wirtschaftswissenschaft herauszuarbeiten und verfolgt über die Jahrhundert, auf welch fiktionalem Grund die aberwitzigsten Theoreme aufgestellt wurden. Schlüter öffnet das die Augen, und er erkennt in so manchem ökonomischen Text eine geradezu "verzweifelte Flucht nach vorn". Dankbar ist der Rezensent auch für den Hinweis auf den Mathematiker Benoit Mandelbrot, der schon in den 60er Jahren von der "launischen oder monströsen Ereignishaftigkeit" des ganz und ganz irrationalen Marktes sprach, von den "freak events". Überfällig erscheint Schlüter Vogls Plädoyer für eine "Säkularisierung des ökonomischen Wissens".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.01.2011

Tomasz Kurianowicz kann nur hoffen, dass sich möglichst viele an diesem Text die Nase blutig schlagen werden - auf dass auch die, die es angeht, mit dem Nachdenken beginnen können. Er jedenfalls hat von Josef Vogls Analyse der Finanzmärkte gelernt, dass hinter deren angeblich komplexer Logik eine "autopoietische, systemerhaltende Unvernunft" steckt. Oder mehr noch: Da auf den Finanzmärkten eh nur Fiktionen gehandelt werden, ist der Unterschied zwischen rationalen und verrückten Entscheidungen überhaupt nicht mehr möglich. Als Urszene der entkoppelten Finanzökonomie erkennt Vogl nach Kurianowiczs Informationen die Entscheidung der Bank von England aus dem Jahr 1797, Banknoten nicht mehr durch Münzgeld zu decken. Desillusionierend findet der Rezensent diese Studie, und kühn.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 13.01.2011

Dem Rezensenten Thomas Assheuer hat Joseph Vogls Essay die Augen geöffnet. Der Kulturwissenschaftler unternimmt darin einen Angriff auf die Wirtschaftswissenschaften, deren Grundannahme vom rationalen Markt eine bloße Chimäre und deren Erkenntnisse eher unsichere Wetten auf die Zukunft seien. Marktprozesse, lernt Assheuer von Vogl, sind "grundlos, verworren und opak", im modernen Finanzkapitalismus ist die Unterscheidung von realen und fiktiven Werten gleich ganz aufgehoben. Mit an Deleuze und Foucault geschärften Messern und "unterkühlter Eleganz", versichert Assheuer, seziere Vogl das kapitalistische Denken, in dessen Glauben an den wohlwollenden Markt er die letzte "Metaphysik der Moderne" erkennt: Vielmehr erzeugten Märkte eine "intrazivilisatorische Wildnis". Assheuer kann dem nur zustimmen, wendet am Ende aber doch ein, dass es durchaus unterschiedliche Schulen innerhalb der Wirtschaftswissenschaft gibt, die nicht alle über einen Kamm geschoren werden könnten. Und skeptisch fragt er, ob die Politik denn gar keine Rolle spiele?

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 12.01.2011

Schön, wie Thomas Steinfeld über die Illusionen der Weltwirtschaft sprechen kann, lang und kenntnisreich. Ob er sein Wissen aus Joseph Vogls im Stile politischer Ökonomie geschriebener Abhandlung hat? Wir vermuten es mal, denn Steinfeld erwähnt Vogl natürlich in seiner Besprechung. Er erklärt sogar, was politische Ökonomie kann und was Vogl mit dem alles bestimmenden Gegensatz von ökonomischem Vernunftglauben einerseits und der Vermutung eher irrationaler Mechanismen im Marktgeschehen andererseits macht: Er löst ihn nicht auf, sondern konstatiert ihn zunächst einmal bloß, was Steinfeld auch angemessen zu finden scheint. Am Ende weiß er, wissen wir eigentlich nur eines beinahe ganz sicher: Das Kapital ist ein Gespenst. Laut Steinfeld ist das immerhin ein erster Schritt zum Verständnis der ganzen Veranstaltung rund ums goldene Kalb.
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