Katharina Bluhm

Russland und der Westen

Ideologie, Ökonomie und Politik seit dem Ende der Sowjetunion
Cover: Russland und der Westen
Matthes und Seitz Berlin, Berlin 2023
ISBN 9783751820066
Gebunden, 490 Seiten, 34,00 EUR

Klappentext

Seit dem Beginn des Angriffskrieges auf die Ukraine im Februar 2022 wird sehr viel über die Gedankenwelt des mächtigsten Mannes Russlands gerätselt. Der früher als geschickter Pragmatiker anerkannte Putin wirkt nun als entrückter alter Mann, der als neuer Peter I. oder Nikolai I. in die Geschichte eingehen möchte. Es wird gerätselt, was er liest, wem er sein Ohr leiht, wer sich seines Hirns bemächtigt hat. Jeder kann Putins geschichtsversessene Reden auf Deutsch lesen. Also alles bekannt? Katharina Bluhms Buch wendet sich gegen den verkürzten Blick auf die Machtspitze Russlands und die Putinologie. Sie analysiert, wie sich seit dem Ende der 1990er-Jahre eine illiberal-konservative, intellektuelle Gegenbewegung zur Schocktherapie und Westintegration formiert hat, wie sie in den 2000er-Jahren versucht, sich im neuen Parteiensystem Russlands zu etablieren, und wie deren Motive, Ideen und Konzepte ab 2012 in das konservativ-repressive Staatsprojekt Putins einfließen. Bluhm lenkt die Aufmerksamkeit auf jene gesellschaftlichen Kräfte, die das Putin-Regime tragen und seinen Staatskapitalismus beeinflusst haben, zugleich aber in permanenter Spannung zu ihm stehen. Ohne sie lässt sich die Rückkehr Russlands als eine revisionistische Macht auf die Weltbühne nicht verstehen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 09.01.2024

Rezensent Ulrich Schmid liest das Buch der Berliner Soziologin Katharina Bluhm mit Gewinn. Der Ansicht, Putin wolle mit seiner Politik zurück zu sowjetischen Zuständen tritt Bluhm laut Schmid entgegen, indem sie auf überzeugende Weise verdeutliche, dass es Putin nicht um die Isolation Russlands geht, sondern um eine multipolare Weltordnung, in der Putin den freundlichen Moderator gibt. Dass Bluhm bei ihrer Darstellung der russischen Verhältnisse weit in die Vergangenheit zurückschaut und z. B.  die Auseinandersetzungen zwischen Reformkommunisten und Liberalen in den 1990ern analysiert, gefällt dem Rezensenten. Die Autorin gelangt schließlich zu einer kritischen Sicht auf das russische Staat- und Wirtschaftsmodell, so Schmid.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 08.01.2024

Eine ausgezeichnete Analyse der jüngeren politischen Geschichte Russlands legt Katharina Blum hier vor, lobt Rezensent Florian Keisinger. Im derzeitigen Ukrainekrieg etwa geht es Russland keineswegs nur um die Wiederherstellung alter imperialer Größe, lernt Keisinger, sondern vielmehr um die Etablierung einer multipolaren Weltordnung, in der neben der USA und China eben auch Russland im Verbund mit dem globalen Süden entscheidend mitmischt. Gefährlich ist das unter anderem deshalb, erläutert Keisinger entlang der Lektüre, weil in diesem Szenario Europa gar nicht vorkommt. Das Buch zeichnet laut Kritiker die innerrussischen Auseinandersetzungen zwischen westlich orientierten russischen Reformern und ihren schließlich siegreichen Gegnern zusammen, die einen freiheitsfeindlichen Konservativismus als Staatsideologie installiert haben. Putin selbst tritt vor allem als Kulminationspunkt dieser Entwicklung in Erscheinung, sein individueller Beitrag dazu steht hingegen nicht im Zentrum der Analyse, erläutert Keisinger. Ein wichtiges Buch, so das Fazit, auch weil es klarmacht, dass der Putinismus nicht zwingend mit Putin sterben wird.
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