Kathrin Gerlof

Nenn mich November

Roman
Cover: Nenn mich November
Aufbau Verlag, Berlin 2018
ISBN 9783351037239
Gebunden, 350 Seiten, 20,00 EUR

Klappentext

Über die Halbwertzeit der Liebe und den Eigensinn der Hoffnung. Marthe und David befinden sich im freien Fall und müssen Privatinsolvenz anmelden. Notgedrungen ziehen sie an den Rand eines Dorfes in ein gerade noch bewohnbares Haus, das David geerbt hat. Selbst das Internet macht einen Bogen um die Gegend. Das Dorf - umzingelt von genmanipulierten Maisfeldern für Biogasanlagen - scheint seine Seele verloren zu haben. Die Bewohner überlassen es zwei Großbauern, ihre Angelegenheiten zu regeln. Als in ehemaligen Zwangsarbeiterbaracken Flüchtlinge untergebracht werden, zieht mit ihnen Verunsicherung ins Dorf. Marthe, geduldete Außenseiterin und unablässig auf der Suche nach den schlimmsten aller Nachrichten, erlebt, wie die Lethargie weicht. David jedoch verstummt mehr und mehr, und eines Abends liegt ein Zettel auf dem Küchentisch.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 31.01.2019

Ist das der "neue deutsche Heimatroman?", fragt sich Rezensentin Melanie Weidemüller. Kathrin Gerlof erzählt in "Nenn mich November" die Geschichte eines jungen bürgerlichen Paares, das die gesamte Spannweite des sozialen Abstiegs kennenlernt - vom geschäftlichen Bankrott über die Privatinsolvenz bis zum Umzug zu den ostdeutschen Hinterwäldlern - in ein Dorf, in dem außer den Hunden niemand mehr "Begehren" verspürt und die Hoffnungslosigkeit regiert, so die Kritikerin. Im prägnanten und doch liebevollen Ton, so Weidemüller, erzählt die Autorin aus verschiedenen Perspektiven über das Dorf, wo das Leben aus Frustsaufen, Suizidabsichten, Hartz IV und Umweltzerstörung und schließlich Flüchtlingen geprägt ist. Glücklicherweise umschifft Gerlof gekonnt alle Klischees die in diesem Sujet lauern, lobt die Rezensentin, und eröffnet am Ende eine Spalt, durch den Hoffnung dringt: Vielleicht lebt es sich frei von allen Ansprüchen am besten? Weidemüller hätte nichts dagegen, wenn das der neue Heimatroman wäre.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 22.11.2018

Der neue Heimatroman hat rein gar nichts zu tun mit neobourgoiser Landliebe, versichert Rezensentin Iris Radisch in einer Verteidigung des Genres. Als besonders gelungene Beispiele stellt sie zwei neue Heimatromane - Dörte Hansens "Mittagsstunde" und Kathrin Gerlofs "Nenn mich November" - vor, die ihr weder sentimentale Schönfärberei noch agressive Anti-Idyllik andrehen wollen, sondern wohl eher melancholisch sind. Kathrin Gerlofs irgendwo in der "ostdeutschen Maisfeldwüste" spielender Roman setzt da an, wo Dörte Hansen aufhört - bei den Verlierern, die in den zerstörten Dörfern sitzengeblieben sind. Geld und Arbeit haben hier nur noch die zwei Großbauern und die polnischen Wanderarbeiter. Die restlichen Dorfbewohner sind arbeitslos und Alkoholiker, erzählt Radisch. Pep kommt in die Gemeinde, als ein Großbauer Asylbewerber in den leeren Häusern unterbringen will. Plötzlich scheinen alle wieder aufzuwachen. Politisch geht das dann in Richtung Pegida, nicht schön, aber in der Rezensentin wächst dennoch eine Sehnsucht nach unasphaltierter Freiheit. Was sie dem Roman zugute hält.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 01.11.2018

Rezensentin Cornelia Geißler nimmt Kathrin Gerlof ihren Text über das Schwinden von Gewissheiten ab, da die Autorin in ihrer Geschichte über den Neuanfang eines in Berlin gescheiterten Paares in einem Dorf im Osten das Unsichere nicht nur beschreibt, sondern fassbar macht. Optimistisch ist das also nicht, aber laut Geißler sprachlich assoziationsreich gefasst und berührend. Beim Erfassen der größeren Erzählbögen im Buch und beim Betrachten des Protagonisten kommt der Rezensentin schließlich Uwe Johnsons "Mutmaßungen über Jakob" als mögliches Vorbild des Romans in den Sinn.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.10.2018

Rezensentin Melanie Mühl schwant, dass die Verhältnisse in Kathrin Gerlofs Roman der Wirklichkeit recht nahe kommen könnten. Ein Roman, in dem es immer nur bergab geht von Anbeginn, kann man das lesen? Kann man, versichert Mühl und verfolgt das an einem insolventen Paar durchexerzierte Unglück wie im Sog. Das liegt an Gerlofs detailgenauer, dichter und plastischer Beschreibung der Figuren und ihrer Misere in einem ostdeutschen Dorf. Dass die Autorin nicht in aktualisierende Klischees abgleitet, rechnet ihr die Rezensentin hoch an.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 15.09.2018

Wer sich mit anderen Augen betrachtet, wird sich selbst ein Fremder, weiß Marie Schmidt und bespricht drei Romane, in denen es vordergründig um Migranten geht, tatsächlich jedoch um das Land, in das sie kommen. Die Fremde in Kathrin Gerlofs Roman "Nenn mich November" ist eine Frau Mitte vierzig, die nach mehreren beruflichen Pleiten aufs Land zieht. Der Satz, mit dem die Autorin die Rezensentin packt, steht schon auf der ersten Seite: "Im Dorf gibt es kein Begehren mehr." Und wenn Gerlof am Ende ihres Romans ausmalt, wie sich alte Voruteile und neue Ängste an braun-weißem Schnaps stärken, um ein Flüchtlingsheim zu verhindern, ist das für Schmidt ein Bild, das bleiben wird.
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