Martin Walser

Die Verwaltung des Nichts

Essays
Cover: Die Verwaltung des Nichts
Rowohlt Verlag, Reinbek 2004
ISBN 9783498073541
Gebunden, 256 Seiten, 22,90 EUR

Klappentext

"Was auch immer ich zur Sprache bringe, es ist eine Entblößung. Ohne die wäre nichts. Die Sprache ist die andauernde Hochzeit von natur und Geschichte. Sie bietet die Wegzehrung für jede noch so dürftige Strecke. In den Wörtern ist immer alles enthalten, was uns fehlen kann. Wir brauchen die Sprache notwendig. Sie ist die Bewegung schlechthin ... Wenn ich mit Sprache zu tun habe, bin ich beschäftigt mit der Verwaltung des Nichts. Meine Arbeit: Etwas so schön zu sagen, wie es nicht ist." In siebzehn thematisch eng verknüpften Essays resümiert Martin Walser seine Position als Schriftsteller heute: eine philosophische, künstlerische und gesellschaftliche Standortbestimmung.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.01.2005

Eine Lobeshymne stimmt Ernst Osterkamp auf diesen Band an, der Martin Walsers Essays der letzten fünf Jahre versammelt, und damit auch eine "Chronik der deutschen Aufgeregtheiten zu Beginn des dritten Jahrtausends" ist. Als "durch Geschichtsmitgefühl wissend" würdigt er den Schriftsteller und hebt hervor, dass es nicht schwer fallen sollte, ihm Respekt und Sympathie zu erweisen - "auch wenn er im dunklen Wald der deutschen Geschichte auf der Suche nach dem richtigen Wort gelegentlich stolpert". Denn eines steht für Osterkamp fest: Walser "findet immer noch so viele richtige Worte wie kaum ein anderer." Walsers Sprache sei immer eine persönliche, von Erfahrung, Empfindung und Erlebnis geprägte Sprache. Kein Wunder also, dass Osterkamp gern Walsers Kritik an den angeblich erfahrungsresistenten, gestanzten Formeln, am Vokabular der "Diskursfürsten" in den Medien, zustimmt. Die Auseinandersetzungen um Walser seit seiner Paulskirchenrede hätten ihn zu einem neuen Nachdenken über die Sprache geführt, was die Leser dieses Buches als Gewinn verbuchen würden. Walser greife dabei noch einmal zur eigenen Positionsbestimmung auf seine bewährte poetische Leitfigur Friedrich Hölderlin zurück, so Osterkamp, "dessen 'feiernde Tonfolgen' von der Angst leben, 'dass Nichts herrsche', die angeschrieben sind gegen das Ausruhen in der Verneinung und aus Nichts und Gegennichts einen einzigartigen Ton formen, den Walser nennt, wie nur Walser ihn nennen kann, nämlich 'schlechthin gezwirnt'." So dichtet der Rezensent munter weiter, um Walser schließlich als "Apostel seiner erfahrungsgesättigten Emotionsgewissheiten", als "deutschen Nonkonformist und Rechthaber getragen von seiner großen Sprachkraft" und als "aufrechten Verwalter des Nichts" hoch leben zu lassen.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 19.01.2005

Der Titel täuscht, meint Martin Krumbholz, sachlich wie ein Literaturbeamter oder -verwalter argumentiere Martin Walser nun überhaupt nicht. Vielmehr lasse er sich oft von der Musikalität der Sprache, von einem richtigen Sprachrausch hinreißen. Walser plädiere für die Utopie einer "persönlichen Sprache" im Gegensatz zum Vokabular einer "adressierten Sprache", die zur Meinungsbildung und Rechthaberei diene. Rechthaben will Walser gelegentlich auch, aber Krumbholz zeigt sich erstaunt über die insgesamt "defensive, nicht-aggressive Gestimmtheit der Walser-Sätze". Vor allem, wo es um ihn selbst geht, schreibe Walser aus der Defensive, stellt der Rezensent fest. Doch auch in Bezug auf andere kann er keine Häme oder Arroganz feststellen, sondern vielmehr eine erstaunliche Skrupelhaftigkeit und Gewissenhaftigkeit, die so gar nichts zu tun hätten mit der Walser unterstellten Provokations- oder Streitlust. Interessiert ist Walser an vielem: das "verwaltete Nichts" fördert ebenso Literaturkritiken, einen Artikel über die Teilung Deutschlands oder das damit einhergehende Geschichtsgefühl zutage, geht auf Frauenstimmen bei Richard Strauss oder das Thema Untreue ein und beinhaltet noch ein schönen Nachruf auf Siegfried Unseld, Walsers einstigem Verleger.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 05.10.2004

In dieser Aufsatzsammlung macht es Martin Walser seinen Lesern "sehr leicht", sich "im Gesagten wiederzufinden", meint Rezensentin Franziska Augstein. Zunächst macht sie sich daran, den Titel des Sammelbandes zu erklären. Bei dem "Nichts" handelt es sich ihrer Meinung nach nämlich, "um es bestürzend kurz" zu benennen, um "unser ungelebtes Leben". Die "Verwaltung" dagegen ist Walsers Methode, sich damit schreibend auseinanderzusetzen, erläutert Augstein. Dies macht er auf eine Weise, mit der sich der Leser identifizieren kann, so die Rezensentin, die zwar darauf hinweist, dass der größte Teil der Aufsätze bereits in verschiedenen Zeitungen publiziert worden ist, die aber findet, dass die Texte in ihrer Gesamtheit "mehr als die Summe ihrer Teile" ergeben. In dem Sammelband wird deutlich "was in den Texten alles zu finden ist". Er bietet "Wendungen, eine schöner als die andere", lobt Augstein. Dabei werde auch einmal deutlich, was sonst gern unbemerkt bleibe, nämlich, dass der Autor, der sich selbst "rechthaberisch und unduldsam" nennt und in der Vergangenheit durch provokante Äußerungen immer wieder "unter die Räder des Geredes geraten" ist, durchaus "sehr komisch" sein kann, so die Rezensentin.
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