Nedim Gürsel

Der Sohn des Hauptmanns

Roman
Cover: Der Sohn des Hauptmanns
DuMont Verlag, Köln 2017
ISBN 9783832198534
Gebunden, 318 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Aus dem Türkischen von Barbara Yurtdas. Nach vielen Jahren im Ausland, wo er als Journalist tätig war, ist der Ich-Erzähler im Alter in seine Heimat Türkei zurückgekehrt. In der Hoffnung, dass sich jemand eines Tages für seine Erinnerungen interessieren wird, vertraut er seine Gedanken einem Tonbandgerät an. Erst spät in seinem Leben hat er sich auf seine Eltern und seine Herkunft besonnen und erkannt, wie prägend seine Kindheit in einer Garnisonsstadt in der türkischen Provinz war, wie sehr sein Denken und Fühlen bestimmt wurden von den Jahren in einem Istanbuler Internat mit den derben Scherzen und den ersten sexuellen Erfahrungen. Vermisste er damals schon seine früh verstorbene Mutter, oder stellte sich die Sehnsucht nach ihr erst mit zunehmendem Alter ein? Wäre er mit ihr ein anderer geworden? Was empfand er wirklich für seinen Vater, der am Militärputsch von 1960 beteiligt war und dem er die Begnadigung eines Mannes abringen konnte, der der Vater seines besten Freundes und der Ehemann seiner ersten großen Liebe war?

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 11.05.2017

Rezensent Hans Christoph Buch schätzt die Courage des türkischen Schriftstellers Nedim Gürsel, der mit seinen Büchern über die Türkei immer wieder aneckt. Nun also hat es den türkischen Ministerpräsidenten getroffen, mit dem Gürsel hier abrechnet, freut sich der Kritiker, der aber noch weit mehr in dem exzellent übersetzten autobiografischen Roman über Kindheit und Jugend entdeckt: Bewegt liest er, wie Gürsel den frühen Selbstmord seiner Mutter schildert und mit seinem ungeliebten Vater, einem Putschoffizier, abrechnet, amüsiert folgt Buch aber auch den Erzählungen von "verschrobenen" Lehrern, "skurrilen" Mitschülern, Jugendstreichen und ersten Bordellbesuchen, die ihn gelegentlich an die "Feuerzangenbowle" erinnern. Insbesondere lobt der Kritiker, wie Gürsel nicht immer politisch korrekt, dafür aber zitat- und anspielungsreich und mit "sprechenden Details" von einem einst sehr modernen Istanbul Abschied nimmt.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 18.03.2017

Der neue Roman des in Frankreich lebenden, türkischen Publizisten und Schriftstellers Nedim Gürsel ist nicht nur "brisant", sondern auch hochaktuell, versichert Rezensent Martin Zähringer. Erzählt wird die Geschichte eines alternden Journalisten, der beim Rückblick auf seine Vergangenheit in der Türkei, den Erinnerungen an den Selbstmord der Mutter oder an den versoffenen und egomanen Vater, der als Putschist an der Hinrichtung des Ministerpräsidenten Adnan Menderes beteiligt war, immer wieder von der Stimme eines nicht näher benannten "Ministerpräsidenten" gestört wird, resümiert der Kritiker. Wenn Gürsel seinen Ich-Erzähler das Istanbul seiner Kindheit beschwören oder die ersten große Liebe erinnern lässt, erscheint es dem Rezensenten wie eine "letzte Reminiszenz an orientalisches Erzählen". Die Kommentare zum aktuellen politischen Geschehen wirken hingegen schärfer und journalistischer, so der Kritiker, der diesen Roman auch als "Live-Dokumentation einer politischen Vergiftung" gelesen hat.
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