Olga Tokarczuk

Letzte Geschichten

Roman
Cover: Letzte Geschichten
Deutsche Verlags-Anstalt (DVA), München 2006
ISBN 9783421059024
Gebunden, 300 Seiten, 22,90 EUR

Klappentext

Aus dem Polnischen von Esther Kinsky. Drei kunstvoll verwobene Geschichten über drei Frauen, einsam und auf der Suche nach sich selbst. Ihre Lebenswege treffen sich an einzelnen Punkten, und subtil fügt sich das Porträt einer Gesellschaft und einer Region im südwestlichen Polen an der Grenze zu Tschechien. Es geht um Ida Marzec, die nach langer Zeit hierher zurückkehrt, wo sie niemand Vertrauten mehr antrifft und schließlich Zuflucht bei einem alten Ehepaar findet, das voller Erinnerungen an ihre Familie steckt. Es geht um Idas Mutter, die alte Paraskewia, die mit ihrer Ziege Tekla zurückgezogen in den Bergen lebt. Und schließlich um Maja, Idas Tochter und Pareskewias Enkeltochter, die durch Asien reist und auf einer Insel in einem amerikanischen Zauberkünstler ihren verschwundenen Vater zu erkennen glaubt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 01.09.2006

Langsam, wie die Geschichte selbst, tastet sich die Rezensentin Marta Kijowska an den Text heran und schält die Gemeinsamkeiten der drei miteinander verwandten Frauenfiguren heraus. Das verbindende Glied entdeckt sie jenseits interfamiliärer Bezüge in der polnischen Geschichte und in der damit zusammenhängenden "Sehnsucht nach einem eigenen Ort". Damit kennt die Autorin sich aus, versichert Kijowska, die am etwas meinungshaltigeren und konkreteren Schluss ihrer Rezension betont, dass diesen Roman eine ganz eigene Langsamkeit bestimmt, eine "Aura der Schwere und Antriebslosigkeit". Vielleicht liegt das an Tokarczuks stilistischer Handwerkskunst, die hier auf die Errichtung einer abgeschlossenen eigenen Welt verwendet wird, spekuliert Kijowska, die sich damit sichtlich identifizieren kann.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 02.08.2006

Eine begeisterte Kritik ohne jedes triviale Lobeswort. Für Rezensentin Nicole Henneberg sind es in erster Linie Orte, abgelegene und verlassene Dörfer und Gehöfte, die Olga Tokarczuk zum Sprechen bringen. Weitere Protagonistinnen seien drei Frauen, Mutter, Tochter und Enkelin, um die es in den drei Teilen des Romans geht. Wie in allen Büchern der Autorin seien auch diese Frauen erneut einsame "Kriegerinnen". Besonders gelungen findet Henneberg, wie die älteste Erzählerin hoch oben in den verschneiten Bergen eine Art Monolog vor ihrem verstorbenen und allmählich gefrierenden Mann führt. Ihr Vertriebenenschicksal werde dabei von der Autorin gekonnt "beiläufig" um den politischen Hintergrund bereichert, wie die Rezensentin anerkennend bemerkt.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 31.05.2006

Rezensentin Ilma Rakusa findet Olga Tokarczuks Generationenroman, der aus drei inhaltlich zusammenhängenden und elegant verknüpften Geschichten besteht, ausgesprochen geglückt. Sie hat nach Meinung der Rezensentin einen sehr ansprechenden Erzählton getroffen, "deutlich schlanker und luftiger" als frühere Arbeiten und mit der richtigen Balance aus "Lakonie und Märchenton". Tokarczuk arbeite die Motivationen von und die Verbindungen zwischen ihren Protagonisten auf eine angenehm unprätentiöse und subtile Art und Weise heraus. Auch der Wechsel von Erzählperspektiven gefällt der Rezensentin. Besonders beeindruckend findet Rakusa die mittlere der drei Geschichten, die ihrer Meinung nach eine Charakterskizze "von beeindruckender Kraft" ist.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 06.05.2006

"Pilze sind das Wappenzeichen Olga Tokarczuks", meint der Rezensent Jörg Magenau, da sie "aus der Fäulnis ihr Leben gewinnen". Auch in ihrem als Tryptichon angelegten Roman "Letzte Geschichten" beschäftige sich Tokarczuk mit dem Tod und dem Umgang damit: Drei Generationen von Frauen begegnen ihm, jede für sich, denn die Familienbande zwischen ihnen sind abgeschnitten. Und es ist die Geschichte der Großmutter Paraskewia, die den Rezensenten am meisten gefangengenommen hat. Paraskewias Mann Pedro stirbt an einem Sonntagabend, und da es Winter ist, und das auf einer Berghöhe gelegene Haus eingeschneit und somit vom Dorf abgeschnitten ist, verweilt sie mit ihrem toten Mann, lässt sich Zeit mit dem Abschied und erinnert sich, zusammen mit dem Toten, an das gemeinsame Leben. Nicht zuletzt weil dieser Roman vom Sterben handelt, so der Rezensent, geht es ihm ums Leben, das die Autorin dem Tod mit "ihrer poetischen Imaginationskraft und der Schönheit der Sprache" entgegensetzt, ohne dabei jemals "kitschig oder pittoresk" zu wirken. Und diesen "nüchternen, sachlichen Charakter" hat die Übersetzerin Esther Kinsky, wie der Rezensent findet, hervorragend ins Deutsche retten können.

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