Patrick Modiano

Unsichtbare Tinte

Roman
Cover: Unsichtbare Tinte
Carl Hanser Verlag, München 2021
ISBN 9783446269187
Gebunden, 144 Seiten, 19,00 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Elisabeth Edl. Wer ist Noëlle Lefebvre? Warum verlor sich Mitte der 60er Jahre ihre Spur? Jean Eyben ist knapp zwanzig, als er in einer Pariser Detektei anheuert und auf die verschwundene Noëlle Lefebvre angesetzt wird. Alle Hinweise führen ins Leere, doch das Rätsel lässt Jean auch Jahre später nicht los. Da sind die Namen von Noëlles Kontakten, das schmale, damals heimlich entwendete Dossier und ihr sporadisch geführter Kalender mit dem geheimnisvollen Satz "Wenn ich gewusst hätte…". Als Jean einen Jugendfreund trifft, erscheint ihm ein Detail plötzlich von Bedeutung: Noëlle Lefebvre stammt aus "einem Dorf in der Umgebung von Annecy". So wie er selbst.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 18.03.2021

Rezensentin Iris Radisch beginnt ihre Besprechung mit einer Mischung aus Modiano-Porträt und Paris-Abgesang, um schließlich zum neuen Roman des Literaturnobelpreisträgers zu gelangen. Den liest sie, wie all die anderen Romane Modianos auch, als "Apotheose und Abwicklung des Paris-Romans", was für die Kritikerin natürlich nichts Schlechtes bedeutet. Im Gegenteil: In dem von Elisabeth Edel laut Radisch einmal mehr hervorragend übersetzten Text lässt sie sich von Modiano an der Seite eines alternden Ich-Erzählers auf der Suche nach einer verschwundenen Frau durchs 15. Arrondissement führen, getragen vom Strom der Erinnerungen. Kein Begriff umschreibt Modianos Erzählmethode besser als der von Guy Debord gepägte Begriff der "Psychogeografie" ergänzt die Kritikerin, die bei Modiano immer wieder die unterschiedlichen "psychischen Klimazonen" der Stadt kennenlernt. Darüber hinaus lauscht sie auch im neuen Roman einem Ton, so "traurig und schön", dass er ihr beinahe tröstlich klingt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.03.2021

Rezensent Niklas Bender liest Patrick Modianos neuen Roman als Prosagedicht über das Leben als ewige Suche. Dass die Suche diesmal ein gutes Ende findet, ist laut Bender aber gar nicht so wichtig. Bedeutender scheinen ihm die alten Modiano-Themen und -Motive selbst, von der Identitätssuche über die Unzuverlässigkeit der Erinnerung und von Namen und Figuren, bis zum Sommer als "metaphysischer Jahreszeit". Die Geschichte um einen ehemaligen Schnüffler, den der nie aufgeklärte Fall eines verschwundenen Mädchens nicht loslässt, erzählt Modiano laut Bender gewohnt unspektakulär, doch am Ende wieder überraschend komplex und abgründig.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 22.02.2021

Auf feinfühlige Weise zeigt Marie Schmidt aus Anlass dieses neuen Romans auf das ganze Werk und das Schreiben von Nobelpreisträger Patrick Modiano hin. Es sei in seinen Romanen immer um die feinen Antennen der Wahrnehmung für das Verlorengegangene oder das "Geheimnis" gegangen, im Grunde, so die bezauberte Kritikerin, um die unheimliche Stille der Pariser Nächte während der deutschen Besatzung, in der tatsächlich Menschen verschwanden. Nichts sei hier, wo wieder nach einer verschwundenen Frau gesucht werde, "versehentlich altmodisch", findet die faszinierte Kritikerin. Vielmehr "überschreibe" der Autor zunehmend das Projekt des Erinnerns mit Akten des Vergessens. Ganz große Kunst, befindet sie.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 21.02.2021

Rezensent Peter Körte fühlt sich beim Aufschlagen des neuen Buches von Patrick Modiano wie beim Anhören des neuen Albums einer vertrauten Band: Bekanntes mischt sich mit Neuem, mit Variationen. Wieder einmal folgt er dem Autor und seinem Erzähler, diesmal auf der Suche nach einer Frau, ins Paris der 60er Jahre, wieder einmal entzückt ihn, wie scheinbar schwerelos Modiano auf knappem Raum, ohne viel Aufhebens um Chronologie oder Leerstellen Erinnerungen in Szene setzt und Verbindungen zu seinen früheren Arbeiten schafft. Die Dialektik von Erinnern und Vergessen, die Modianos Schreiben laut Körte ausmacht, hier ist sie wieder, freut sich der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 20.02.2021

Tilman Krause macht kein Hehl aus seiner Paris-Liebe und seiner Leidenschaft für die Texte Patrick Modianos. Wenn Modiano also einmal mehr aufbricht, um das alte Paris von 1965 zu erkunden, seinen Helden auf Spurensuche nach einer verschwundenen Frau zu schicken, folgt ihm der Rezensent bedingungslos. Ob die Gesuchte nun fiktiv ist oder nicht, scheint Krause nicht entscheidend. Wichtiger sind ihm die erinnernden Gänge mit Modiano durch Saint Germain des Prés. Modiano ist zweifellos Krauses liebster Schriftsteller-Mystiker.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 19.02.2021

Patrick Modianos neuer Roman mache zwar eigentlich alles richtig, aber wirklich begeistern kann sich Rezensentin Dina Netz trotzdem nicht für die Geschichte, in der Modianos Protagonist und Alterego Jean sich erneut auf eine Erinnerungsreise und Spurensuche begibt, dieses Mal nach einer verschwundenen Frau. Mit dem "mäandernden Ringen um Erinnerungsfetzen", Zeitsprüngen und einem vorsichtigen Spannungsaufbau verfolge der Autor sein übliches Erfolgsrezept, das auch hier wieder einwandfrei funktioniere, erkennt die Rezensentin an. Außerdem lobt sie Elisabeth Edls poetische Übersetzung und das erzählerisch geniale Romanende. Trotzdem fehlt ihr irgendetwas in diesem "Alterswerk" - vielleicht das historische Kolorit oder der politische Kontext, überlegt sie.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 16.02.2021

Rezensentin Judith von Sternburg kennt sich kaum aus in Patrick Modianos kleinem Roman über die Tücken der Erinnerung im Kopf eines Schnüfflers. Dass der Erzähler selbst seine Schwierigkeiten hat, die vielen Leerstellen in der Geschichte zu füllen, tröstet sie allerdings etwas, ebenso Modianos "glasklare", elegante Sprache in Elisabeth Edls Übertragung. Wichtiger als die Handlung erscheint Sternburg jedenfalls die verschlungene, auf Chronologie pfeifende Struktur der Erzählung.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 16.02.2021

Patrick Modiano erhielt den Literatur-Nobelpreis für seine "Kunst des Erinnerns", im Grunde besteht Modianos Meisterschaft aber darin, Erinnerungen zu "verwischen", meint Rezensent Paul Jandl. Mit dem neuen schmalen Roman tritt er laut Kritiker dafür einmal mehr den Beweis an. Erzählt wird die Geschichte eines Mannes, der zurückblickt, wie er im Paris der Sechziger einst von einem weiteren ominösen Mann beauftragt wurde, die verschwundene Noelle zu suchen. Jandl taucht mit dem Erzähler ein in den "Nebel des Ungefähren", reist auf den Spuren der Vermissten von Paris nach Annecy bis Rom und liest, wie jener zwar wenig Gewissheiten über die Verschwundene zutage fördert, dafür in den Erinnerungen sich selbst aber näher kommt. Und dennoch bleibt für den Rezensenten während der Lektüre stets die Frage bestehen, was Wirklichkeit und was Täuschung ist. Das Spiel mit den "Mehrdeutigkeiten" hat Elisabeth Edl gewohnt souverän ins Deutsche übertragen, schließt er.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 16.02.2021

Rezensent Dirk Fuhrig lässt sich gern von Patrick Modiano in das Frankreich der sechziger Jahre entführen, das bei diesem Schriftsteller stets so elegant daherkommt, sei es nun in Paris oder am Lac d'Annecy. Denn es mag zwar sein, dass Modiano immer wieder den gleichen Roman schreibe, erkennt Fuhrig, aber dies dürfe man keinesfalls mit Gleichförmigkeit verwechseln: Für den Rezensenten ist es nachgerade ein Gütemerkmal, dass Modiano unablässig ab seinem Erinnerungsprojekt arbeitet, das an Marcel Proust ebenso anknüpfe wie an zeitgenössische Kriminalromane. Die Übersetzung von Elisabeth Edl erscheint Fuhrig zwar an einigen Stellen etwas holprig, der geschmeidige Stil des Autors bleibt aber erhalten.

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