Primo Levi

Anderer Leute Berufe

Glossen und Miniaturen
Cover: Anderer Leute Berufe
Carl Hanser Verlag, München 2004
ISBN 9783446204775
Kartoniert, 185 Seiten, 17,90 EUR

Klappentext

Aus dem Italienischen von Barbara Kleiner. Wie weit springt ein Floh - und warum? Was haben Dichter und Schachspieler gemein? Primo Levi, Schriftsteller und Chemiker, schaut in vielen dieser witzig erzählten Betrachtungen über den Zaun seines eigenen Metiers hinaus und dilettiert genüsslich - und zum Vergnügen des Lesers - im Bereich der Naturwissenschaften, der Linguistik und der Astronomie.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 16.11.2005

Renate Wiggershaus ist von dieser Auswahl von 33 Prosatexten des italienischen Autors Primo Levi begeistert. Levi, der Auschwitz überlebte und dem es in seinem schriftstellerischen Werk vor allem um "Verständigung" ging, wie die Rezensentin betont, bemüht sich in den vorliegenden Glossen und Miniaturen, die dem 1985 erschienenen Band "L'altrui mestiere" entnommen sind, um den Versuch, "die Kluft zwischen Natur- und Geisteswissenschaften zu überbrücken", meint Wiggershaus, die Levis Fähigkeit zur "präzisen Analyse" auf seine hauptberufliche Tätigkeit als Chemiker zurückführt. Sie preist die Texte als eine wahre "Fundgrube", die Wissenswertes, Erinnerungen, Reflexionen und literaturhistorische Betrachtungen etwa zum Werk Rabelais' oder Manzonis bieten, und sie ist von der Vielfalt der Themen, die vom Bandwurm bis zu geheimen Botschaften reichen, überrascht und beeindruckt. Das "Zusammenspiel von eindrucksvollem Ernst" und "prägnanten Witz" nimmt sie sehr für diese Texte ein und sie empfindet die "Einbeziehung des Lesers" in allgemeine Fragen des Lebens wie nach der Schönheit oder einem Sinn als "ungemein anregend".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 27.04.2005

Die Glossen und Miniaturen, die der italienische Schriftsteller Primo Levi in den Jahren 1976 bis 1984 für die Tageszeitung "La Stampa" geschrieben hat, seien mehr als Nebenarbeiten, behauptet Lothar Müller mit Nachdruck. Für den Rezensenten stellen sie ein Selbstporträt des Autors dar. In Deutschland wurde Levi vor allem durch sein Buch "Ist das ein Mensch?" bekannt, worin er den Alltag der Lagerinsassen von Auschwitz schildert. Levi überlebte das Konzentrationslager, ruft Müller in Erinnerung, weil er als Chemiker im Nebenlager Monowitz-Buna arbeiten durfte. Nicht die Schriftstellerei, sondern Levis eigentlicher Beruf - die Chemie - sowie "Anderer Leute Berufe" stehen in den Glossen im Vordergrund, bekundet der Rezensent. Levi sei ein leidenschaftlicher Hobby-Zoologe und -Etymologe gewesen, ein "Liebhaber und Jäger seltener Tiere und ungewöhnlicher Wörter", der wunderbar über Käfer, Spinnen, Schmetterlinge oder Vögel schreiben konnte. Levi erweise sich in diesen Artikeln als klar denkender Analytiker, als Rationalist, meint Müller, der sich in dem Essay "Über dunkles Schreiben" von Ezra Pound und Paul Celan abgrenze. Levis Credo als Schriftsteller zitiert der Kritiker folgendermaßen: "Das Sagbare ist dem Unsagbaren vorzuziehen" - als Autor ist er ihm, soweit möglich, gefolgt. Seinem Leben hat er 1987 ein Ende gesetzt.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 19.02.2005

Maike Albath empfiehlt Primo Levis "Miniaturenkompendium" als "klassisches Buch für den Nachtschrank". Levi dilettiert fröhlich auf fremden Gebiet und entpuppt sich als interessierter Leser von Wörterbüchern. Mit "heiterer Gelassenheit" erforscht er die Transfer-Leistungen der Sprache ebenso wie den Charakter von Energie; seine "Weltneugierde" empfindet die Kritikerin als erfrischend und "ansteckend" und stößt nebenbei auf einige "überraschende" Erklärungen. Die eigenen schriftstellerischen Tätigkeiten schildert Levi "unprätenziös", überhaupt herrscht ein "beiläufiger Tonfall" vor, der Albath sehr behagt. Damit man das "Kuriositätenkabinett" voller kleiner Entdeckungen und Beobachtungen aber in vollen Zügen genießen kann, sollte man nur eine Glosse pro Abend lesen, "keinesfalls mehr".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.01.2005

Einen "Chemiker der Literatur" sieht Rezensent Winfried Wehle in Primo Levi (1919 bis 1987) in diesem Band, der Feuilletons und Streiflichter des Schriftstellers aus den Jahren 1976 bis 1984 versammelt. Eindringlich blicke Levi auf beiläufige, unauffällige, marginale Lebensinhaltsstoffe, hole sie in sein Sprachlabor, demontiere ihre stumme Oberfläche und bringe sie wieder zum Sprechen. Er frage etwa: Warum sind Schmetterlinge schön? Warum haben wir Angst vor Spinnen? Warum halten wir Ohrwürmer für gefährlich? Wie ein Mikroskop ein (sein) Leben verändern kann, und so weiter. Die Sachfiktionen, die Levi erzähle, stellten die kleine Welt des Alltags auf den Kopf, findet Wehle: "Sie weisen ihr nach, dass ihre Sicherheit ihrerseits auf einer abgründigen Fiktion beruht - verlässlich ist sie nur, solange keine Fragen gestellt werden." Wer Fragen stelle, um sich seiner verbliebenen Gewissheiten zu vergewissern, entdecke, dass sie auf Phantasmen beruht. "Sie machen Angst und flößen das 'Unbehagen von Waisenkindern' ein", resümiert Wehle. "Die Heiterkeit Levis ist Heiterkeit am Abgrund."
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