Ruth Klüger

Anders lesen

Juden und Frauen in der deutschsprachigen Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts
Cover: Anders lesen
Wallstein Verlag, Göttingen 2023
ISBN 9783835353435
Gebunden, 264 Seiten, 26,00 EUR

Klappentext

Vielfältigkeit des Denkens und Schreibens der Autorin von "weiter leben". Diese Auswahl literaturwissenschaftlicher Essays von Ruth Klüger versammelt eine Reihe von unveröffentlichten oder an abgelegener Stelle publizierten Texten, Essays und Vorträgen. Im Zentrum steht die Deutung jüdischer Autoren wie auch jüdischer Figuren in literarischen Texten. In Untersuchungen zu Heinrich Heine, Arthur Schnitzler, Hugo von Hofmannsthal und Stefan Zweig werden präzise Textanalysen mit einer historischen Kontextualisierung verbunden. Auf epische Texte von Wilhelm Raabe, Marie von Ebner-Eschenbach und Herta Müller fällt aus dieser Perspektive neues Licht, ergänzt durch Essays und Vorträge zu Autorinnen des 20. Jahrhunderts, u. a. zu Anna Seghers, MarieLuise Fleißer, Grete Weil, Marie Luise Kaschnitz und Ingeborg Bachmann.Grundlegend ist Klügers Essay "Dichten über die Shoa. Zum Problem des literarischen Umgangs mit dem Massenmord" (1992).

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.08.2023

Ein Buch zur rechten Zeit ist diese Sammlung von Essays, in denen die Shoah-Überlebende Ruth Klüger über Frauen, Juden und Literatur nachdenkt, findet Rezensentin Verena Lueken, auch wenn der literaturwissenschaftliche Rang der 2020 verstorbenen Autorin sich ohnehin von selbst verstehen sollte. Immer wieder geht es in Klügers Texten, führt Lueken aus, um die (Un-)Möglichkeit, über den Holocaust zu schreiben, so zum Beispiel mit Blick auf den vermeintlichen Juden Binjamin Wilkomirski alias Brun Dössekker, dessen angebliches Holocaust-Erinnerungsbuch "Bruchstücke. Aus einer Kindheit 1939-1948" als Fiktion enttarnt wurde. Kann ein solches Buch der gefälschten Identität zum Trotz literarisch etwas hergeben? Nein, urteilt Klüger laut Lueken, der Kitsch sei in eine solche Konstruktion quasi schon eingebaut, und auch sonst ist sie selten einverstanden, wenn die Literatur versucht, aus dem Holocaust resultierende "Denkprobleme" zu lösen. Weiterhin interessiert sich Klüger, fährt Lueken fort, für literarische Verbindungslinien zwischen Juden und Frauen. Sehr wichtig für Klügers Denken über Literatur ist, wie die Rezensentin abschließend ausführt, das Problem des Ich-Erzählers.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 01.08.2023

Rezensentin Sigrid Löffler verneigt sich vor dem Werk von Ruth Klüger, der der Wallstein-Verlag drei Jahre nach ihrem Tod mit zwei Essay-Sammlungen huldigt. Einer der Bände versammelt literaturwissenschaftliche Analysen Klügers zur deutschsprachigen Literatur des 19. Jahrhunderts mit dem für sie charakteristischen Fokus auf Judentum und Frausein, lesen wir. Kanonische Autoren wie Thomas Mann und Wilhelm Raabe liest Klüger hier "gegen den Strich" und seziert misogyne und antisemitische Muster, so Löffler. Besonders glänzend findet Löffler die Studie zu Hugo von Hofmannsthals "Rosenkavalier"-Libretto, in dem die Autorin ihrer Zeit voraus das Thema Genderfluidität aufgreift. Die zweite Sammlung enthält Texte über Klügers Werk, unter anderem eine Studie des US-Germanisten Kai Evers, die sich mit ihrer zentralen These zum "Judenproblem" der deutschsprachigen Literatur beschäftigt, so die Kritikerin.
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