Senthuran Varatharajah

Rot (Hunger)

Roman
Cover: Rot (Hunger)
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2022
ISBN 9783103970753
Gebunden, 120 Seiten, 23,00 EUR

Klappentext

Unsere Sprache der Liebe ist eine kannibalische Sprache. Wir sagen: Ich habe Dich zum Fressen gern. Ich will Dich auffressen. In seinem zweiten Roman erzählt Senthuran Varatharajah zwei Geschichten, die zu einer werden. Die Geschichte eines Jahres, nach einer Trennung, und die Geschichte eines Tages: vom 9. März 2001, an dem A in seinem Haus in Rotenburg B, wie zuvor vereinbart, tötet, zerteilt und Teile von ihm isst. Mit lyrischer Intensität und philosophischer Strenge erzählt "Rot (Hunger)" davon, dass der Mensch, den wir lieben, immer zu weit entfernt ist. Und davon: dass er immer fehlt, auch wenn er vor uns steht. Das ist eine Liebesgeschichte. Mit diesem Satz beginnt der Roman. 

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.07.2022

Furchtlos und mit großer Ernsthaftigkeit nähert sich Rezensent Christian Metz diesem provokanten Roman, in dem der Religionswissenschaftler Senthuran Varatharajah den Kannibalismus-Fall von Rotenburg aufgreift. Dass und wie sich Varatharajah dabei ans Äußerste wagt, findet Metz bewundernswert und vor allem brillant: Liebes- und Todeskampf verschlingen sich hier ebenso ineinander wie Leid und Schuld. Dabei entspreche der unglückseligen menschlichen Mechanik eine "hochpräzise Mechanik des Erzählens", erkennt Metz, der betont, mit welcher Akribie Varatharajah vorgeht und wie er die Drastik in Poesie wandelt. Und dass der Roman am Ende doch auch eine Liebesgeschichte erzählt, erstaunt den Rezensenten nicht wirklich, beglückt ihn aber.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 16.04.2022

Rezensentin Judith von Sternburg legt die verschiedenen Polaritäten in Senthuran Varatharajahs Roman frei. Zwischen Nähe und Abstand, Offenherzigkeit und Verschlossenheit, Klarheit und Vagheit bewege sich das Buch, in dem ein junger in Sri Lanka geborener Autor, sehr ähnlich zu Varatharajah selbst, über den Kannibalen von Rotenburg schreibt, von dem sich ein anderer Mann aufessen lassen wollte. Um Voyeurismus geht es dabei nicht, stellt von Sternburg klar; der Erzähler bleibe stets auf Abstand zum "kruden Geschehen". Viel spannender findet sie Varatharajahs Umgang mit der Sprache, die hier "große Irritation und einziger Halt" sei: zerstückelt und neu angeordnet würden die Worte, wie in einem Langgedicht, und das findet die Kritikerin auch "nur ganz kur manieriert" und dann schnell beeindruckend, dieses "sanft radikale Auflösen des Vertrauten", wenn etwa aus dem Imperativ "haut ab" "Haut ab" wird - begründet sieht sie diese "irrwitzige Aufmerksamkeit" in der autobiografischen Erfahrung von Zweisprachigkeit und der Gewalt des Aus- bzw. Einwanderns. Sehr angetan scheint die Kritikerin von dieser herausfordernden Lektüre.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 31.03.2022

Rezensentin Claudia Kramatschek bekommt in Senthuran Varatharajahs Buch "Rot (Hunger)" einen verstörenden Einblick in ungewöhnliche Liebe. Der Autor und Philosoph porträtiert darin nämlich mithilfe von Originalzitaten aus E-Mails zum einen den Tag und die weltweit bekannte, einvernehmlich kannibalistische Tat von Armin Meiwes und Bernd Brande und daneben auch noch eine zweite darin verwobene "Liebesgeschichte" von einer Trennung des Ich-Erzählers, erklärt Kramatschek. Doch nicht nur der Inhalt des Buches sei kannibalisch, das gleiche treffe für die hungrige und im Falle des Autors unerbittliche und lyrische Liebessprache zu, wenn beispielsweise vom "sich verzehren" gesprochen werde, erkennt die Rezensentin. Das ist in ihren Augen kein klassischer Roman, sondern viel eher eine schockierende Studie über den Liebeshunger, schließt sie.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 24.02.2022

Rezensentin Birthe Mühlhoff geht frustriert hervor aus der Lektüre von Senthuran Varatharajahs Roman über den "Kannibalen von Rotenburg". Wer nicht weiß, wer dieser Kannibale ist, soll bei Wikipedia nachlesen, rät Mühlhoff. Um eine True-Crime-Story handelt es sich aber ohnehin nicht, setzt sie hinzu. Der Autor, vertreten durch seinen Ich-Erzähler, nimmt den Fall als Ausgangspunkt für Überlegungen zum Thema Distanz und Nähe, erklärt sie. Das fördert Aphorismen und Aussagen zur Religion zutage, die Mühlhoff gern unterstreichen möchte, ruft bei der Rezensentin aber schließlich auch das Gefühl der Frustration hervor, weil der Autor das meiste nur "assoziativ auffächert", anstatt es einer eingehenden Auseinandersetzung zu unterziehen.
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