Serhij Zhadan

Himmel über Charkiw

Nachrichten vom Überleben im Krieg
Cover: Himmel über Charkiw
Suhrkamp Verlag, Berlin 2022
ISBN 9783518431252
Gebunden, 239 Seiten, 20,00 EUR

Klappentext

Aus dem Ukrainischen von Sabine Stöhr und Jurij Durkow. Für ein Tagebuch fehlt ihm die Zeit. Serhij Zhadan ist Tag und Nacht im beschossenen Charkiw unterwegs - er evakuiert Kinder und alte Leute aus den Vororten, verteilt Lebensmittel, koordiniert Lieferungen an das Militär und gibt Konzerte. Die Posts in den sozialen Netzwerken dokumentieren seine Wege durch die Stadt und sprechen den Charkiwern Mut zu, unermüdlich, Tag für Tag.Die Stadt leert sich. Freunde kommen um. Der Tod ist allgegenwärtig, der Hass wächst. Als die Bilder von Butscha um die Welt gehen, versagt auch Zhadan die Stimme. "Es gibt keine Worte. Einfach keine. Haltet durch, Freunde. Jetzt gibt es nur noch Widerstand, Kampf und gegenseitige Unterstützung."Das Buch ist eine Chronik der laufenden Ereignisse, das Zeugnis eines Menschen, der während des Schreibens in eine neue Realität eintritt und sich der Vernichtung von allem entgegenstemmt. Kein einsamer Beobachter, sondern ein aktiver Zivilist in einer Gesellschaft, die in den letzten acht Jahren gelernt hat, was es bedeutet, gemeinsam stark zu sein.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 25.10.2022

Rezensent Tobias Lehmkuhl gibt zu bedenken, dass Serhij Zhadans hier versammelte Social-Media-Posts keinen literarischen Anspruch haben. Dafür ergeben sie laut Rezensent ein historisches Dokument, das zusammen mit den in den Band übernommenen Fotos durchaus Anschaulichkeit vermittelt, wenngleich nicht als oberstes Ziel. Das liegt laut Lehmkuhl in der Dokumentation eines Gemeinschaftsgefühls und einer Heimatliebe, wie sie die Leute von Charkiw und den Autor erfüllen. Als "affektive Botschaften" sind die Texte aus dem Krieg für Lehmkuhl zugleich Aufrufe zum Widerstand und zum Durchhalten.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 19.10.2022

Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine ist Serhij Zhadan nicht nur Autor und Musiker, er hilft wie - so viele andere auch - seinen Landsleuten bei der Verteilung von Essen, Wohnraum, Malstiften und militärischer Ausrüstung und anderem, informiert Rezensent Ulrich M. Schmid in seiner stark referierenden Kritik. Über diesen Alltag postete Zhadan immer wieder auf Facebook, aber auch kurze Reflexionen finden sich dort, ebenso wie Selfies und Fotos von den Zerstörungen. Dies alles ist jetzt versammelt in dem Band "Himmel über Charkiw". Dass Zhadan sich trotz aller Wut auf die russischen Invasoren für eine vielsprachige ukrainischen Literatur einsetzt, nimmt Schmidt mit Interesse zur Kenntnis.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 15.10.2022

Felix Stephan trifft sich ein wenig nervös mit Serhij Zhadan, den der Kritiker als "strong poet", aber auch als "strongman" porträtiert und spricht mit dem ukrainischen Schriftsteller über den "Vernichtungskrieg", aber auch die "Neuerfindung" der Ukrainer. Die Begegnung mündet in einer Hymne auf Zhadans soeben bei Suhrkamp erschienenes Kriegstagebuch, das die Facebook-Einträge Zhadans der ersten fünf Kriegsmonate enthält und für Stephan zum "Traurigsten", aber auch Freudigsten gehört, was es über diesen Krieg zu sagen gibt. Nüchtern, aber auch mit Momenten voller Wahnwitz und "Schönheit" schreibt Zhadan von Beschuss, Medikamentenauslieferungen und von Unterstützung der ukrainischen Streitkräfte. Zudem notiert er Beobachtungen aus dem Alltags- und Kulturleben, schreibt Nachrufe auf Charkiwer Künstler oder ruft zu Spenden auf. Und wenn Zhadan die "postapokalyptische" Sphäre der menschenleeren Straßen und brennenden Städte einfängt, kommt Stephan zu dem Schluss: Das könnte Cormac McCarthy nicht besser.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.10.2022

Für die Rezensentin Sandra Kegel hat das neue Buch von Serhij Zhadan, Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels, nichts mehr mit seiner früheren Literatur zu tun - wie soll es aber auch anders sein, meint sie. Während Zhadan für seine Metaphorik, Ambivalenz und seinen Humor berühmt geworden sei, ist all das in seinem neuen Buch, das Facebook-Posts, Fotos und Links seit Putins Angriff auf die Ukraine versammelt, einem reflexartigen und ungeordneten "Benennen" der Ereignisse in seiner Heimatstadt Charkiw gewichen, so Kegel: Bomben fallen, Medikamente müssen beschafft werde, die Russen "sind Barbaren" - da ist für die Metapher und die Ambivalenz "naturgemäß" kein Platz mehr, erkennt die Kritikerin. Wertvoll scheint ihr das aber allemal, denn was für sie in den versammelten Posts, dieser Chronik, steckt, ist eine "Überlebensstrategie" im schriftlichen Festhalten, ein "Lebenszeichen" an alle anderen Ukrainer - und ein Weitertragen von Zhadans "unerschütterlichem Optimismus", schließt Kegel.
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