Teju Cole

Tremor

Roman
Cover: Tremor
Claassen Verlag, Berlin 2024
ISBN 9783546100656
Gebunden, 288 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Anna Jäger. Tunde lehrt an einer amerikanischen Universität Fotografie, aufgewachsen ist er in Lagos. Mit wachen Sinnen bewegt er sich über den Campus und durch Institutionen, denen er nie ganz selbstverständlich zugehören wird. In Bildern, in Filmen, in Landschaften, in der Musik findet er Schönheit, aber auch die Ablagerungen von Unrecht und westlicher Überheblichkeit. Was heißt es, richtig zu leben in einer Welt der Gewalt und der Oberflächlichkeit? Wie lässt sich der Brutalität der Geschichte bleibende Bedeutung abringen? Was schulden wir denen, die uns nahe sind, und was schulden wir Fremden? Tunde sucht nach Halt und nach Sinn: in seiner Kunst, in seinen Erinnerungen, als Freund und als Liebender.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 23.04.2024

Großes "intellektuelles Vergnügen" bereitet Rezensent Peter Henning die Lektüre von Teju Coles hybridartigem Roman: Der Autor verwebt hier Zitate und Erinnerungsepisoden mit Reflexionen über die Kolonialgeschichte seines Heimatlandes Nigeria. Die Hauptfigur in Coles Romanen ist immer "die Sprache selbst" so Henning, die Figuren bleiben hingegen oft schattenhaft. Der andere Protagonist des Romans, Tunde, wandelt durch New York und stößt immer wieder auf Gegenstände oder kommt in Situationen, die ihm das Nigeria seiner Kindheit wachrufen oder Gedanken an die Historie wach werden lassen - Cole gelingt hier eine "tiefgründige Meditation" über das Verhältnis von Kunst, Historie und Geschichte, freut sich der überzeugte Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 17.04.2024

Ein Buch, das sich in bloßer, bildungsseeliger Aufzählung verliert, ist Teju Coles neuer Roman für Rezensent Martin R. Dean. Hauptfigur ist Tunde, ein in Nigeria aufgewachsener Mann, der an einer amerikanischen Uni Fotografie unterrichtet. Der Text durchquert, erläutert Dean, diverse Wissensfelder, die oft mit Kolonialismus und ethnischer Gewalt zu tun haben, nicht selten geht es aber auch um weiße Kultur von Bach bis Shakespeare. Äußerst sprunghaft ist diese Prosa, erfahren wir, gerade geht es noch um Provenienzforschung, im nächsten Moment schon um Weltmusik, oder um Laura Bush. Zu kurz kommt dabei unter anderem Tundes Privatleben, findet Dean, nur sehr selten gelingt es Cole, eine sinnvolle Verbindung zu schaffen zwischen seiner Figur und den kulturellen Beständen, zwischen denen er sich bewegt. Dass dieses auch von banalen Formulierungen keineswegs freie Buch weithin gefeiert und Cole mit W.G. Sebald verglichen wird, kann sich der Rezensent nur damit erklären, dass sich seine Kollegen für ihren eigenen beschränkten kulturellen Horizont schämen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.03.2024

Hat Teju Cole einen verkappten Hippie-Roman geschrieben? Rezensent Jan Wiele kommt es zumindest bisweilen so vor bei seiner Lektüre. Im Zentrum steht Tunde, der in Harvard Fotografie unterrichtet und mit der Japanerin Sadako verheiratet ist, die Ehe kriselt. Ansonsten ist Tunde vor allem empathisch, stellt Wiele dar, er versetzt sich nicht nur in seine Mitmenschen hinein, sondern auch in historische Figuren, in die Opfer kolonialistischer Gewalt besonders. Der zwischen Bildexegesen, tagebuchartigen Passagen und weiterführenden Analysen wechselnde Text streife viele Themen, unter anderem gehe es um Caravaggio-Gemälde, John Coltrane und eine Reise nach Afrika. Vor allem jedoch geht es, so Wiele weiter, um eine kritik an der Arroganz des Westens, die oft ebenso summarisch daherkommt wie die gegen sie aufgebotene Empathie. Ein Campusroman des offenen Herzens und der reinen Emotionen ist das, meint der Rezensent zum Schluss.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 12.03.2024

Viel, vielleicht etwas zu viel bringt Teju Cole in seinem Buch unter, meint Rezensent Carsten Hueck. Erzählt wird es von Teju, einem Kunsthistoriker nigerianischer Herkunft, der in Harvard lehrt und eine Ehekrise zu bewältigen hat, die allerdings nur gelegentlich in den Text hineinflackert. Coles Prosa ist vom Optischen geprägt, wobei die Bilder, anders als in den Fotobänden des Autors, nicht mit abgedruckt werden, sondern als Beschreibungen in das Buch integriert werden, erklärt Hueck. So springe der Text zwischen diversen Themen, Textsorten und Größenverhältnissen hin und her, mal gehe es um Raubkunst, mal um Kolonialkriege des 17. Jahrhunderts, mal um die Hände eines Ehepaars. Collagenartig ist das gebaut, so Hueck, eine Ordnung muss man als Leser selbst hinein bringen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 02.03.2024

Der titelgebende "Tremor" taucht in diesem Roman von Teju Cole gar nicht auf, dennoch vibriert dieses Buch in einem "unheimlichen Dauer-Tremolo", befindet Rezensentin Sigrid Löffler. Der Protagonist streift auf seinen Erinnerungsspaziergängen gleichzeitig durch New York und durch seine Heimatstadt Lagos und denkt dabei in temporeichen Vignetten über koloniale Gewalt nach, über Raubkunst, aber auch über eine Reise nach Bamako, erfahren wir. Löffler erkennt darin viele anti- und postkoloniale Überlegungen, die, zusammen mit Kurzmonologen von "Stimmen aus Lagos" ein treffendes Bild der Gegenwart abgeben und die Kritikerin an Autoren wie Sebald und Calvino denken lassen.
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