Terezia Mora

Muna oder Die Hälfte des Lebens

Roman
Cover: Muna oder Die Hälfte des Lebens
Luchterhand Literaturverlag, München 2023
ISBN 9783630874968
Gebunden, 448 Seiten, 25,00 EUR

Klappentext

Muna liebt Magnus. Ob und wen Magnus liebt, ist schwer zu sagen. Was geschieht mit einem Leben, das man in Abhängigkeit von einem anderen führt? Muna steht vor dem Abitur, als sie Magnus kennenlernt, Französischlehrer und Fotograf. Mit ihm verbringt sie eine Nacht. Mit dem Mauerfall verschwindet er. Erst sieben Jahre später begegnen sich die beiden wieder und werden ein Paar. Muna glaubt, in der Beziehung zu Magnus ihr Zuhause gefunden zu haben. Doch schon auf der ersten gemeinsamen Reise treten Risse in der Beziehung auf. Im Laufe der Jahre nehmen Kälte, Unberechenbarkeit und Gewalt immer nur zu. Doch Muna ist nicht gewillt aufzugeben.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 14.10.2023

Rezensent Elmar Krekeler hält Terezia Moras neuen Roman, der den Auftakt zu einer Trilogie über Weiblichkeit bildet, für ein "Wunder". Denn Mora vermag es, den Leser über 400 Seiten mal zugeneigt, mal widerwillig an eine Frau zu fesseln, die sich immer tiefer in eine gewaltätige Abhängigkeitsbeziehung begibt und die man mitunter schütteln möchte. Überhaupt staunt der Kritiker, wie es Mora in der ihr eigenen "quecksilbrigen" Sprache gelingt, über Weiblichkeitskonstruktionen zu schreiben, ohne dass je eine ihrer Zeilen "konstruiert" erscheint. Dass der Roman zudem als "Satire" auf den intellektuellen Betrieb nach der Wende funktioniert, betont Krekeler ebenfalls.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 07.10.2023

Die "Kunst des gezielten Erwähnens und Weglassens" kann Kritiker Fokke Joel bei Terézia Mora und ihrer Protagonistin Muna lernen: Muna ist gerade 18, als ihre Mutter einen Suizidversuch unternimmt, sie will raus aus der DDR, ihr Freiheitsdrang führt zu einem Zeitungspraktikum, bei dem sie Magnus Otto kennenlernt. Dieser Mann bestimmt von nun an ihr Leben und das Buch, vieles wird dabei im Ungefähren gelassen und nicht ausbuchstabiert, der Rezensent kann sich aber dennoch ein Bild machen von dieser schwierigen, auch von gegenseitiger Gewalt und Unverständnis geprägten Beziehung. Ihm gefällt, wie Mora ihre unzuverlässige Erzählerin auch mit typologischen Brüchen, durchgestrichenen Passagen ausstellt und so eine spannende Distanz schafft. Wenn die Autorin mit diesem Roman als erste Person zum zweiten Mal nach 2013 den Deutschen Buchpreis gewinnt, wäre das nur gerechtfertigt, findet Joel.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 23.09.2023

Mit Sorgfalt widmet sich Rezensentin Marie Schmidt dem neuen Roman von Terézia Mora, der damit beginnt, dass die Erzählerin Muna sich in einen Mann verguckt, der von toxischer Männlichkeit bis Machtgefälle alle besorgniserregenden Kästchen abhakt. Das macht Mora aber zum Glück absolut unplakativ, freut sich Schmidt, vielmehr vermag sie es, ihre Figuren, die zunächst in der DDR, dann in der Nachwendezeit angesiedelt sind, mit wenigen Sätzen ihrer "genial präzisen" Erzählkunst ganz plastisch, vielseitig und ambivalent erscheinen zu lassen. Die Beziehung zu Magnus Otto wird in ihrer Aggressivität noch von weiteren Männern ergänzt, mit denen die Protagonistin ebensowenig Glück hat, weiß die Kritikerin, für sie stellt sich auch die Frage, warum sie ihn nicht verlässt. Dieser neue Roman liest sich für sie daher auch ein bisschen wie eine Fortsetzung von Moras vorangegangener Reihe, nur mit umgekehrten Vorzeichen: Statt normal-scheiternde Männer stehen jetzt "weibliche Ikonen" im Vordergrund. Ein Roman, der mit seiner Vielschichtigkeit vielfach Identifikationspotenzial bietet, schließt die Rezensentin.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.09.2023

Großartig, so Rezensent Tilman Spreckelsen, wie Terézia Moras Roman eine Lebensgeschichte entwirft und immer auch kommentiert. Die Protagonistin Muna wächst in Ostdeutschland auf und verfolgt später eine literarischen Karriere. Dann ist da noch Magnus, ein Mann, an dem Muna mehr hängt als er an ihr. Muna will sich laut Spreckelsen nicht eingestehen, was für ein kontrollierender, auch körperlich Gewalt ausübender Typ dieser Magnus ist, aber dank Moras geschickter literarischer Form, die auch andere Erzählstimmen als Munas zu Wort kommen läßt, werden die Konturen bald deutlicher. Schwer erträglich ist das für Spreckelsen, insbesondere in den Passagen, in denen Muna die ihr angetane Gewalt vor sich selbst rechtfertigt. Gleichzeitig jedoch wird das Geschehen in eine Reflexion über literarische Konstruktion überführt, so der uneingeschränkt begeisterte Rezensent.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 07.09.2023

Ijoma Mangolds Kritiken merkt man stets deutlich an, wenn er er für einen Roman entflammt ist. Terezia Moras neuer Roman ist so einer und es ist kaum möglich, alle Superlative des Kritikers wiederzugeben. Mora, deren "lässiger" Meisterschaft laut Mangold sprachlich derzeit ohnehin niemand in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur das Wasser reichen kann, erzählt hier die Geschichte von Muna, die immer tiefer in eine letztlich gewalttätige Abhängigkeitsbeziehung gerät. Aber Moras Kunst liegt vor allem darin, dass sie in ihren "atmenden Sätzen" den Leser solange im Zwielicht lässt, bis er schließlich an Munas Stelle aufwachen und schreien möchte, erklärt der Rezensent. Muna reagiert stets verständnisvoll und Mora lässt auch die Einsichten des Lesers in ihrem Roman einbrechen wie Licht in einem "geschliffenen Kristall", fährt Mangold fort. Ganz ohne Didaktik, ganz ohne Botschaft wirkt dieser Roman auf den Rezensenten wie ein "unheimliches Biest", für das es keinen Namen gibt.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 01.09.2023

Dass Terézia Mora ihren Lesern nichts schenkt, weiß Rezensent Rainer Moritz. Das ist auch in ihrem neuen Roman nicht anders, der über zwanzig Jahre der in einer fiktiven DDR-Stadt aufgewachsenen Muna quer durch Europa folgt. Nicht wegen ihres Studiums, ihrer Jobs als Kellnerin oder in diversen Verlagen, sondern wegen des deutlich älteren Fotografen Magnus, der sich psychisch quält, auch schlägt, resümiert der Kritiker. Schließlich kommt es zum Gewaltexzess und mit knapp vierzig Jahren erkennt Muna zumindest, was Magnus ihr angetan hat. Es ist nicht nur die Beklemmung, die beim Leser entsteht, und die Lakonie "gemischt mit komischen Noten", die Moritz nachhaltig beeindruckend. Vor allem ist es Muna selbst, die der Kritiker so schnell nicht vergessen wird.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 31.08.2023

Terézia Mora wendet sich in ihrem neuen Roman erstmals einer weiblichen Hauptfigur zu, führt Rezensent Ulrich Rüdenauer aus. Es geht um Muna, die in einer ostdeutschen Kleinstadt aufwächst und sich in Magnus verliebt, einen gutaussehenden Mann, der nach kurzem ersten Liebesglück aus Munas Leben verschwindet und erst kurz vor Mitte des Buchs wieder auftaucht. Und sich dann freilich, wie Rüdenauer nachzeichnet, als misogynes, gewalttätiges Arschloch erweist. Dass der Roman weniger verspielt daherkommt als frühere Werke Moras, passt für den Rezensenten zur Geschichte einer Frau, die, wie mit oft schwer erträglicher Genauigkeit geschildert werde, nicht von ihrem Peiniger loskommt. Die Figuren bleiben ohnehin vielschichtig, freut sich Rüdenauer, die Protagonistin etwa in ihrer Unfähigkeit, sich von einem Mann loszureißen, dessen Toxizität sie durchaus durchschaut. Möglicherweise steckt in dieser Konstellation eine spezifische Tragik des Weiblichen, überlegt Rüdenauer. Große Literatur ist das auf jeden Fall, lautet sein Fazit.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 30.08.2023

Ziemlich überraschend und erst nach knapp 300 Seiten bricht männliche Gewalt gegen Frauen in Terézia Moras neuen Roman ein, so Rezensentin Judith von Sternburg. Genauer gesagt geht es darum, dass die Hauptfigur Muna von ihrem Freund Magnus geschlagen wird. Das Buch ist laut Sternburg der Beginn einer geplanten 'Trilogie der Frauen' und setzt im jungen Erwachsenenalter der Protagonistin sowie in der DDR ein. Gewöhnungsbedürftig ist diese Muna, findet die Kritikerin: eine gutaussehende Frau, die sich auf alles, was ihr im Leben passiert, ohne Vorbehalte einlässt und außerdem ein Schreibtalent hat, das sie zunächst nicht kultiviert, wie sie überhaupt ihre Begabungen nicht recht wahrzunehmen scheint. Magnus wiederum ist mal lange fort, dann wieder da; zwischendurch tauchen andere Männer auf und auch Frauen, erzählt die Rezensentin, die sich auf die Nachererzählung der Handlung beschränkt.