Victor Hugo

Ozean

Dinge, die ich gesehen habe
Cover: Ozean
Matthes und Seitz Berlin, Berlin 2023
ISBN 9783751809160
Gebunden, 978 Seiten, 48,00 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Alexander Pschera. Nach seinem Tod hinterließ Victor Hugo kistenweise Notizbücher, Skizzenhefte und Manuskriptentwürfe, von denen er einige unter dem Titel "Ozean" veröffentlicht wünschte. Aus anderem nachgelassenen Material erstellten seine späteren Herausgeber die Sammlung "Choses vues". Diese Aufzeichnungen und Beobachtungen decken fast die gesamte Lebenszeit von Victor Hugo ab - von seinen frühen Jahren als romantischer Dichter über die Zeit seines politischen Engagements, von seinem Exil bis zu seiner Rückkehr nach Frankreich und seinem Ruhm als Dichter der Nation. Aus nächster Nähe erfährt man von der Revolution von 1848, von den Barrikadenkämpfen und den Debatten in der politischen Arena, in der er selbst als eine Hauptperson agierte und so dem Volk ebenso nahe kam wie den Herrschenden der Zeit. Mit großer Präzision beschreibt er das Elend auf den Straßen von Paris und den Glanz der Salons sowie seine ausgedehnten Reisen nach Deutschland, auf denen sich die Idee eines vereinten Europas abzuzeichnen beginnt.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 02.09.2023

Rezensent Tilman Krause ehrt den - wenn man die Franzosen fragt - wichtigsten Dichter Frankreichs mit einem ausführlichen Porträt. Denn wenngleich Hugos manchmal doch recht hochtrabender Ton und sein "Hang zur Pose" moderne Leser mitunter belustigen mag, so zeichnet er sich doch durch mindestens zwei Qualitäten aus, die in der vorliegenden Sammlung von Tagebucheinträgen, Erfahrungsberichten und Skizzen ganz besonders zum Tragen kommen: Seine große Beobachtungsgabe und seine Fähigkeit zur Empathie. Erstere beweist er etwa in jenen Passagen, die Krause die spannendsten des Bandes nennt: Hier beschreibt Hugo die Ereignisse des Jahres 1848 präzise und unterhaltsam, und zwar nicht aus jener Außenseiterposition, die ein deutscher Dichter seines Ranges wohl traditionellerweise eingenommen hätte, sondern aus nächster Nähe. Hugo nämlich hatte sich, so Krause, bis in die höchsten politischen Ränge seiner Zeit hochgearbeitet, wobei diese hohe Position niemals seine Nähe und Liebe zum Volk mindern konnte, die er denn auch oft, und mit viel Pathos auszudrücken wusste. Dass Hugo tatsächlich eine große Fähigkeit zur Empathie besaß, und zwar nicht nur für die Seinen, kommt vor allem in seinen berührenden Justiz-Reportagen aus den französischen Gefängnissen, die er besucht hat, zum Ausdruck - Reportagen, die der Rezensent als die "große Entdeckung" dieses Buches bezeichnet. Aber sie drückt sich auch in jenen Passagen aus, in denen Hugo über den Verlust seiner Kinder klagt. Leider bekommen wir gerade von dieser Seite Hugos - vom privaten, liebenden Vater Hugo, nicht ganz so viel zu sehen, wie man es sich gewünscht hätte von diesem ansonsten grandiosen Band, so der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 12.08.2023

Victor Hugo als Koloss der französischen Literatur hat nicht nur lange Romane geschrieben, sondern der Nachwelt auch umfangreiche, lange unveröffentlichte Aufzeichnungen hinterlassen, erzählt Rezensent Lothar Müller. Teile dieser Notate sind vor zwanzig Jahren in Frankreich erschienen, eine Auswahl - rund 800 Seiten stark - ist nun von Matthes und Seitz publiziert worden, aus diesen Texten zitiert Müller ausführlich. Um die zunehmende Technologisierung, etwa  die Erfindung der Eisenbahn, geht es ebenso wie um französische Politik, den "Leichenzug Napoleons", Hugos Bekenntnis zur Republik als einziger angemessener Staatsform und gotische Architektur, lesen wir. Dem Rezensenten wird bei der Lektüre klar, dass es sich nicht einfach um verstreute Notizen handelt, sondern der Autor vielmehr schon im Hinterkopf hatte, dass auch diese Texte einmal gelesen werden würden. Ein Band, der Müller Höhen und Tiefen von Werk und Leben dieses großen Schriftstellers vor Augen führt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.07.2023

Rezensentin Walburga Hülk lernt mit Alexander Pscheras Victor Hugo einen Schriftsteller kennen, der erst noch zu entdecken ist, wie sie glaubt. Keineswegs als unmodern erscheint ihr Hugo in dieser "klugen" Auswahl seiner Skizzenbücher, die Pschera, wie sie schreibt, in einer wahren Herkulesaufgabe übersetzt und ediert hat. Als bildgewaltiger Meister der kleinen Form zeigt sich Hugo laut Rezensentin in diesen zeitkritischen Essays, Anekdoten, Porträts, Aphorismen und Beobachtungen von Alltag, Natur und Kultur. Zu entdecken ist laut Hülk ein "Jahrhundertmensch" in seiner Zeit.
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