Vladimir Nabokov

Briefe an Vera

Gesammelte Werke, Band XXIV
Cover: Briefe an Vera
Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2017
ISBN 9783498046613
Gebunden, 1152 Seiten, 40,00 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Ludger Tolksdorf. Noch niemals auf Deutsch publiziert: Die Briefe des russisch-amerikanischen Schriftstellers Vladimir Nabokov an seine Frau - Zeugnisse einer lebenslangen Liebe und intellektuellen Leidenschaft. Vladimir Nabokovs Passion für seine Frau überdauerte vierundfünfzig Jahre, vom ersten Gedicht, das er 1923 für sie schrieb, als er sie kaum ein paar Stunden kannte, bis zu den späten Momenten ihrer Ehe, als er die letzten Bücher seines Lebens, wie die zwanzig zuvor, mit "Für Véra" zeichnete. Und obwohl sie selten getrennt waren, schrieb Nabokov seiner Frau zahllose Briefe, die hier zum ersten Mal auf Deutsch publiziert werden. Kaum ein Jahr nachdem sie sich im Berliner Exil kennengelernt hatten, schrieb er: "Wir beide sind etwas ganz Besonderes; solche Wunder, wie wir sie kennen, kennt niemand, und niemand liebt so wie wir."
Als er der gebildeten Tochter eines wohlhabenden jüdischen Händlers aus St. Petersburg zum ersten Mal ein Buch widmete, seine Autobiografie "Erinnerung, sprich", wandte er sich im letzten Kapitel direkt an ein unspezifiziertes "Du": "Die Jahre gehen vorbei, meine Liebe, und bald wird niemand mehr wissen, was wir wissen." Véra war eine Konstante: seine Muse, Lektorin und aufmerksamste, ideale Leserin - die Freude seines Lebens. Während wir Véra hier beim Lesen über die Schulter blicken, werden wir Zeugen der Verwandlung einer Leidenschaft, die alles aussprechen muss, in eine, die alles schon ungesagt einschließt. Diese Briefe lassen im Menschen Nabokov das erkennen, was er in der Kunst am meisten schätzte: Neugier, Zartheit, Freundlichkeit, Ekstase.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 23.03.2018

52 Jahre dauerte die Ehe zwischen dem russischen Schriftsteller Vladimir Nabokov und seiner Frau Véra, unterbrochen von zahlreichen berufsbedingten Trennungen und einer Affäre mit dramatischem Ende, die gegenseitige Liebe jedoch blieb davon unangetastet und ununterbrochen, so scheint es Rezensentin Ilma Rakusa nach der Lektüre der "Briefe an Véra". Diese sind überwiegend auf die Jahre 1924 bis 1939 zurück zu datieren, in denen Nabokov sich oft in Paris und Berlin aufhielt, um zu schreiben und Kontakte zu knüpfen. In seinen Briefen erzählt er seinem "Mückilein" zuverlässig und unermüdlich von jeder Begebenheit, von jedem Treffen, von jeder Speise - "von der Apfelspucke bis zum Froschkaviar", jeder Fete und jeder Person, die er trifft. Für den Leser ist das jedoch keineswegs ermüdend, wie man vermuten könnte, sondern überaus "köstlich" und berührend, denn Nabokov schreibt sehr humorvoll, originell und "verspielt", er erfindet Rätsel und lustige Kosenamen, er mixt die Sprachen, spielt mit ihnen und seine teils wohlwollenden, teils beißenden Personenbeschreibungen (Bunin ähnelt "einer ausgezehrten alten Schildkröte"), sind einfach nur herrlich, schwärmt die Kritikerin, die den besondered Reiz der Texte in der Sprache erkennt. Umso schimpflicher die Entscheidung der Herausgeber, die Übersetzung auf der Grundlage einer anderen, nämlich der englischen Übersetzung, erstellen zu lassen, findet sie.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 14.12.2017

Vor allem ist Rezensent Michael Maar glücklich, dass die 1989 begonnene, von Dieter E. Zimmer herausgegebene Edition der gesammelten Werke Nabokovs mit diesem Band nun vollendet ist: Ein "Muster der Editionskunst", schwärmt der Kritiker. Den hier versammelten Briefen kann Maar zunächst allerdings nicht allzu viel abgewinnen: Durchaus "poetisch" erscheinen dem Rezensenten einige der Briefe, meist liest er jedoch Alltagsberichte, "mit dem Salzfass verstreute" Liebesschwüre und "shop talk" - vergeblich sucht er nach einigen Worten über innere Konflikte oder politische Entwicklungen in Europa. Dann aber macht Maar, der bereits 2007 unter dem Titel "Solus Rex" eine hoch gelobte Studie über Nabokov vorlegte, eine Entdeckung: Schon im Jahr 2004 fiel ihm auf, dass nicht nur Nabokovs 1938 verfasstes Theaterstück "Walzers Erfindung" bis in kleinste Details einer Novelle des hessischen Adligen Heinz von Eschwege glich, sondern auch, dass im gleichen Erzählband eine Novelle mit dem Titel "Lolita" erschienen war. Die Frage der Verbindung zwischen Nabokov und dem heute wie damals wenig bekannten Schriftsteller blieb für den Kritiker bis zur Lektüre der Briefe indes ein Rätsel: Dass die von Nabokov nur als das "Walross" bezeichnete Berliner Vermieterin eine entfernte Verwandte jenes Eschwege war, die vor allem Vera immer wieder mit Lektüre versorgte, scheint für Maar des Rätsels Lösung.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.11.2017

Zunächst einmal würdigt Rezensent Friedmar Apel die Leistung des Übersetzers Ludger Tolksdorf, der nicht nur auf die englische Ausgabe, sondern auch die auf die originalen Briefe Nabokovs an seine Frau Vera zurückgegriffen hat. Überhaupt schätzt der Kritiker diesen vierundzwanzigsten und mutmaßlich letzten Band der großen Nabokov-Werkausgabe von Dieter E. Zimmer, der neben vielen Fotografien und einem vorbildlichen Anmerkungsapparat auch Faksimiles der Zeichnungen enthält, die Nabokov den Briefen beifügte. Die Briefe selbst liest Apel indes mit gemischten Gefühlen: Biografische Details und prägende Phasen im Leben der Eheleute werden meist nur kurz erwähnt, stattdessen bekommt der Leser "Kaskaden von Koseworten" geboten, informiert Apel. Bezeichnungen wie "Äffelchen, Puschel, Mückilein" oder "Böckchen", welche die erschöpfenden Alltagsschilderungen durchziehen, mögen die gelegentlich depressive Vera erheitert haben - dem Kritiker gehen die Liebesschwüre nach einer Weile ziemlich auf die Nerven. Nabokovs Witz, seine Ratespiele und selbst erdachten Kreuzworträtsel haben Apel indes Vergnügen bereitet.
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 21.10.2017

Rezensent Richard Kämmerlings geht unter in zuckersüßen Anreden der Gattin, in Details übers Essen und den restlichen Alltag von Vladimir Nabokov. Ein Buch für Voyeure und Biografen, meint er, denen Nabokovs Briefe an seine Frau minutiöse Einblicke in den Dichteralltag bieten. Kämmerlings selbst langweilt sich mitunter schrecklich, derart unglamourös und routiniert geht es zu. Wenige Passagen, "die nicht nur Phrase sind", sowie die Entdeckung eines eher unsympathischen Nabokov auf erotischen Seitenwegen, der lügt und abstreitet, machen die Lektüre für den Rezensenten dann doch noch interessant.