Warlam Schalamow

Ich kann keine Briefe schreiben ...

Korrespondenz 1952-1978
Cover: Ich kann keine Briefe schreiben ...
Matthes und Seitz Berlin, Berlin 2022
ISBN 9783751800754
Gebunden, 751 Seiten, 48,00 EUR

Klappentext

Aus dem Russischen von Gabriele Leupold. Briefe waren für den Jahrhundertautor Warlam Schalamow unverzichtbares Medium des Nachdenkens über Erlebtes, Gelesenes, Filme oder Ausstellungen, über seine Gedichte und seine Prosa, über das Wesen der Dichtung und der Literatur überhaupt. Briefe überbrückten räumliche Distanzen, sei es 1952-1953 zwischen ihm selbst im sibirischen Jakutien und Boris Pasternak in Moskau oder in den Sommern der 1960er-Jahre, als er sich in Moskau aufhielt und Nadeschda Mandelstam auf dem Land. Mit den Jahren ersetzten Briefe dem Ertaubten zunehmend das mündliche Gespräch. Als seine Erzählungen aus Kolyma in den informellen Kreisen des Samizdat kursierten, aber es keine Möglichkeit gab, mit den Lesern ins Gespräch zu kommen, fand Schalamow in den Briefen das ideale Medium, um sich selbst zu erklären und darzustellen. So eröffnen seine Korrespondenzen vielstimmige, oft überraschende Einblicke in sein Leben, sein Schreiben und das literarische Leben im Moskau der Nachkriegsjahrzehnte.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 01.12.2023

Rezensentin Ilma Rakusa liest die Korrespondenz von Warlam Schalamow, herausgegeben von Franziska Thun-Hohenstein, mit Spannung. Der Autor ist noch zu entdecken, meint sie. Schalamows authentische Darstellungen aus dem Gulag sind für so erschütternd wie großartig, weil sie zeigen, was ein Mensch dem Grauen künstlerisch abtrotzen kann. Schalamows Briefe findet Rakusa nicht minder erschütternd, weil in ihnen der "moralische Rigorismus" und die Apodiktik eines Menschen spürbar werden, der durch die Hölle ging. In einem Brief an Pasternak schildert Schalamow detailliert die Lagerbedingungen und die Lagermentalität, so Rakusa.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 04.03.2023

Kritiker Fokke Joel nimmt zwei Neuerscheinungen in den Blick, um über den russischen Schriftsteller und Gulag-Überlebenden Warlam Schalamow zu sprechen. Er hat sechzehn Jahre Lagerhaft nur durch Glück überstanden, Körper und Psyche sind geschunden, manche Gliedmaßen sind "drei- und viermal erfroren", zitiert Joel sichtlich beeindruckt und bewegt aus den jetzt in Auswahl auf Deutsch veröffentlichten Briefen. Diese widmen sich dem erlebten Schrecken und Grauen mit auch poetischer Intensität, meint der Rezensent, und handeln zudem von der Schwierigkeit, dem allgemeinen Schweigen über das Erlebte in der Sowjetunion zu begegnen. Schalamow mache zudem seine Poetik vor allem in Abgrenzung zu Solschenizyn klar, der zwar über Ähnliches, aber in ganz anderer Form schreibe. Diese Briefe sind ein besonders eindrückliches Zeit- und Literaturdokument, urteilt Joel.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 09.11.2022

Wer Durst hat, aber kein Wasser, sollte Steine lutschen. Das schrieb Warlam Schalamow in seinen "Erzählungen aus Kolyma", in denen er die vielen Jahre in sowjetischen Gulags beschrieb. Christiane Pöhlmann rezensiert nun eine Auswahl von Briefen, die der Stalin-Gegner zwischen 1952 und 1978 schrieb und wundert sich mehr als einmal: Nicht über die Korrespondenz mit Pasternak oder Solschenizyn, sondern beispielsweise über Schalamows Stänkern gegen eine Exilzeitung, die er als "sowjetischer Schriftsteller" 1972 zum "stinkenden antisowjetischen Käseblatt" erklärte. Schade, so Pöhlmann, dass die Leser allein gelassen werden, sich zu erklären, warum Schalamow zu einem politischen Chamäleon und Besserwisser wurde.
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