Efeu - Die Kulturrundschau - Archiv

Design und Mode

790 Presseschau-Absätze - Seite 1 von 79

Efeu - Die Kulturrundschau vom 25.03.2023 - Design

Céline Baumann, Das Parlament der Pflanzen, 2020. © Studio Céline Baumann


SZ-Kritiker Gerhard Matzig schwört seinem Moos-Killer ab nach dem Besuch der Ausstellung "Garden Futures - Designing with Nature" im Vitra-Design-Museum in Weil am Rhein. Der Vorschlag der Kuratoren, die ganze Erde als Garten zu verstehen, leuchtet ihm sofort ein: "Was ganz privat dazu führt, dass man sich nach vielen Jahren im Ringen um den perfekten Rasen von der albernen Nordkorea-Idee homogen gedrillter Halme in Reih und Glied verabschiedet. In diesem Frühjahr sieht der eigene Garten gelblich aus. Das anarchische Moos ist auf dem Vormarsch. Von der Textilkünstlerin Alexandra Kehayoglou ist im letzten Raum ein riesiger Teppich in der Anmutung einer kargen Landschaft zu sehen, die in ihrer Mooshaftigkeit auch reich ist. Karg, reich, im Werden, im Vergehen. Es geht um die Kunst der Balance. Als faschistoider Kleingärtner wird man, versprochen, nie wieder 'Moosfrei'-Rasendünger verwenden. Man wird das Moos umarmen. Irgendwo muss man ja mal anfangen mit dem Weltretten."
Stichwörter: Garten, Vitra Design Museum

Efeu - Die Kulturrundschau vom 22.03.2023 - Design

Irving Penns Foto eines Entwufs von Rei Kawakubo aus dem Jahr 1996. Bild: Palais Galliéra.
Wir wussten es noch nicht, aber das Jahr 1997 war ein Schwellenjahr in der Geschichte der Mode. Bernard Arnault legte mit dem Engagement sehr junger Designer wie John Galliano oder Alexander McQueen in Häusern wie Dior und Givenchy den Grundstein für sein Modeimperium (das sich heutzutage mit der obszönen Inszenierung von Logos begnügt). Aber damals gab es tatsächlich eine Menge Bewegung, notiert Marc Zitzmann in der FAZ anhand der Schau "1997 Fashion Big Bang" im Pariser Palais Galliéra: "Manche legten den Grundstein für neue Looks: Tom Ford für den nicht geschlechtsspezifischen Pornochic (mit seinem durch Aphroditen wie durch Apollos getragenen G-String für Gucci), Raf Simons für den adoleszenten Look bei Männern (mit einer Bande ranker Skater und Surfer in seinem ersten Defilee). Andere setzten den Akzent aufs Konzeptuelle. Martin Margiela spielte in seiner 'Stockman'-Kollektion mit dem Non-finito, indem er auf ausgehöhlte Mannequin-Büsten einen halben Rock oder Pullover heftete. Hussein Chalayan stieß mit seiner Kollektion 'Between' eine Reflexion zum Thema 'Identität' an."

Efeu - Die Kulturrundschau vom 04.03.2023 - Design

Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an

Ein Beitrag geteilt von musée du quai Branly (@quaibranly)


Auf nach Paris, ins Museum du Quai Branly, ruft uns Andreas Platthaus in der FAZ zu. Dort ist eine Ausstellung von historischen Kimonos zu sehen - und dass diese bereits seit drei Jahren durch die Häuser dieser Welt reisen, grenze an einer Sensation: "Aus konservatorischen Erwägungen möchte man sich wünschen, dass es nun ein Ende damit habe, obwohl man in der Ausstellung selbst gar kein Ende finden kann." Deutlich wird dem Kritiker aber beim Rundgang, dass es beim Kimono um "die Kaschierung der Körperform" geht: "In Japan war man zu dezent, um körperliche Merkmale auszustellen; was an Alltagssexualisierung stattfand, das spielte sich über Attribute wie geschwärzte Zähne und weißgeschminkten Teint bei Frauen oder mittels Haarknoten bei Männern ab. Der Kimono aber ist in seinem Zuschnitt unisex, wobei es wiederum klar nach Geschlechtern getrennte Stoffmuster gibt. Doch mit westlichen Klischeevorstellungen von männlich oder weiblich kommt man da nicht weit: Aufgemalte oder -gedruckte (sehr selten gestickte) florale Motive schmücken auch Männerkimonos, und von den streng geometrisch gemusterten Beispielen sind die meisten für Frauen hergestellt worden." Zu erleben "ist ein Überreichtum an Farben und Mustern und Handwerksgeschick, der da auf der Grundlage eines uniformen Kleidungsstücks entstanden ist. Aber mehr Individualität war in der Mode nie."

Das gibt es nicht oft: Modekritik. Der Blogger Derek Guy analysiert in einem Twitter-Thread haarklein ein "Cashmere Roadster Jacket", das die ultrateure Firma Loro Piana seit zwanzig Jahren produziert. Nur ist die Firma inzwischen vom Modegiganten LVMH gekauft worden, der die Preise erhöht und die die Qualität verschlechtert. Guy betrachtet ein prä-LVMH- und ein neues Jackett. Ein Beispiel: "Die alte Jacke hat zwei rechte Innentaschen, die in das Kaschmir eingearbeitet sind. Bei der neuen Version gibt es nur eine einzige Tasche, die in das Futter eingearbeitet ist. wenn man die Innentasche auf diese Weise in das Kaschmir einarbeitet, lässt sie sich leichter reparieren. sollte der Träger einmal versehentlich die innentasche aufreißen, muss man nur dieses kleine Stück Kaschmir ersetzen, nicht das gesamte Futter."

Anzeige
Stichwörter: Mode, Kimono, Japan, Japanische Mode, LVHM

Efeu - Die Kulturrundschau vom 28.02.2023 - Design

Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an

Ein Beitrag geteilt von BOBKOVA (@bobkova_official)

Für die taz porträtiert Marina Razumovskaya die ukrainische Modedesignerin Kristina Bobkova. Aus der Not von Coronakrise und kriegsbedingtem Mangel hat sie eine Tugend gemacht: So "entstehen Outfits mit überraschenden Details, in denen eine Vielzahl handwerklicher Techniken gleichzeitig angewandt ist: Sticken, Stricken, Häkeln, Upcyceln, klassische Schnitt- und Nähtechniken, reihenweise gelegte Falten. Bobkova mischt Techniken wie eine DJane die Musikstile. Am Ende aber kommen dabei - das ist ihre hohe Kunst - Kleider aus einem Guss, einer Idee heraus, oft schlicht und sehr tragbar." Ihre "Kollektion heißt 'Mriya'. Das ist auf Ukrainisch der Traum. Eingraviert steht das Wort auf drei Ringen aus Messing, in drei Farben: Gelbgold, Rosegold und Silber. Sie werden als Trio getragen, auch an der Kette, Kristina hat sie selbst entworfen. 'Mriya' ist der Traum von wehrlosen und gleichzeitig starken Frauen, die viele Welten bewohnen und vieles können, die leben, überleben wollen, um ein neues, friedliches Leben aufzubauen."

In der taz geht Katharina J. Cichosch dem Trend zu Teddyfell-Klamotten auf den Grund: Sie erblickt darin eine exzessive Behaglichkeit, die die Grenze zum im Straßenalltag Unnützen oft übersteigt. "Das Fell wird zur ultimativen Ausweitung der Komfortzone. Ein Zustand, in dem das Innen - äquivalent zum modischen Futter - bisweilen unerwartet nach außen gestülpt wird."

Efeu - Die Kulturrundschau vom 25.02.2023 - Design

Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an

Ein Beitrag geteilt von Prestige Magazine Thailand (@prestigeth)


Für das Buch Zwei der SZ rekonstruiert Tanja Rest wie ausgerechnet Pink zur Farbe der Saison werden konnte: Als Valentino im März 2022 unmittelbar nach Beginn des Kriegs in der Ukraine voll auf Pink setzte, wurde dieser Missklang zum politischen Weltgeschehens noch als Planungspech verbucht. Doch langfristig sollte Valentino Recht behalten: "Wie es geschehen konnte, dass PP Pink, zu Beginn eines finsteren Krieges geboren, ein halbes Jahr später dem Zeitgeist entsprach: Darüber kann Laurie Pressmann vom Pantone Color Institute lange sprechen. Ihr dabei zuzuhören, kommt einem Energiebad ziemlich nahe. Sie sagt: 'Erst Covid mit all seinen Konsequenzen für unser Leben. Dann der Krieg in der Ukraine, die unsichere Wirtschaftslage, die beklemmenden Bilder. Das ist uns unter die Haut gegangen. Das hat unser Leben verändert, wir können in die Zeit davor nicht mehr zurück. Wir spüren das. Also müssen wir nach vorne schauen, und wir wollen es mit Optimismus tun. Als Gesellschaft waren wir bereit für dieses Pink.' Das PP Pink von Valentino, das Barbiecore-Pink treffe exakt dieses Bedürfnis." Pressman sagt: 'Es ist eine Farbe, die uns lächeln lässt. Sie macht uns sichtbar. Wer Pink trägt, signalisiert der Welt: Hier bin ich, ich stecke voller Tatendrang, ich fühle mich wohl mit mir selbst. - Ist es nicht das, was wir gerade brauchen?'"
Stichwörter: Mode, Valentino, Pink

Efeu - Die Kulturrundschau vom 16.02.2023 - Design

Jan Kedves zeigt sich im ZeitMagazin sehr gespannt darauf, was für Mode der Popstar Pharrell Williams künftig wohl für Louis Vuitton entwerfen wird (mehr dazu im Monopol Magazin). Denn "Williams hat ein sehr spezielles Stilgespür, das er seit Jahren routiniert in erfolgreiche Produkte und Kooperationen fließen lässt. Hier eine Zusammenarbeit für Daunenjacken mit Moncler, dort ein neuer Sneaker mit Adidas, hier eine nachhaltige Jeanskollektion mit G-Star, dort ein neuer Duft mit Comme des Garçons. Williams trennt nie zwischen high und low - warum auch: In der Hip-Hop-Kultur, aus der er stammt, ging es schon immer darum, beides zu vermischen... Williams trägt auch gern Chanel-Kostümjäckchen, was seinem Stil einen modernen politischen Spin in Richtung Gender Nonconformity gibt. Umso besser. Sein Stil ist kultiviert - und cool. Also: cooltiviert!"

Im Netz wird die Berufung von Williams sehr viel kritischer kommentiert, berichtet Leonie Wessel in monopol: "Das Internet streitet. 'All diese jungen, talentierten Designer, die ihrer großen Chance entgegenfiebern, und ihr stellt einen Multimillionär ein?' wetterte ein Twitterer, 'auch müssen wir aufhören, Männer für diese Jobs auszusuchen. Martine Rose, Bianca Saunders et cetera sind genau hier!'. Eine weitere Userin schrieb: 'Mode ist jetzt eine Plattform und Louis Vuitton wird ein großes Massenmedienunternehmen.'"

Efeu - Die Kulturrundschau vom 15.02.2023 - Design

In Berlin darf man alles, nur keinen Wert auf seine Kleidung legen. Vor allem, wenn das mit Farben verbunden ist. Dann ziehen Leute, für die das Wort normcore praktisch erfunden wurde, ein missbilligendes Schnütchen, stellt Farangies Ghafoor im Tagesspiegel fest. Sie empfiehlt den Dezenten, wenigstens einmal im Leben eine afghanische Hochzeit zu besuchen. "Hier ist einfach alles aufs Schönste too much: viel Essen, laute Musik, grelle Farben, extra dicker Lipliner, extra prachtvolle Kleider, extra viel Haarspray. ... Auf einer afghanischen Hochzeit fragten ich und ein paar andere Kinder eine Tante (die nicht wirklich unsere Tante war, sondern irgendeine Frau im Alter meiner Eltern), warum diese Frauen im grauen Hosenanzug so unbeholfen tanzten. Nur: Die Tante konnte keine Frauen im Hosenanzug entdecken. Wir Kinder hatten aber auch keine Gespenster gesehen. Sondern die deutschen Freundinnen der Braut."

Efeu - Die Kulturrundschau vom 06.02.2023 - Design

Seit die älteren Generationen beim Älterwerden ihre Sneaker aus jüngeren Tagen nicht mehr abstreifen, sondern als Signum von Junggebliebenheit einfach anbehalten, müssen sich die Jungen genau überlegen, wie sie sich abgrenzen, schreibt Wilhelm Schmid in der NZZ: Der Trend geht zu dicksohligen Boots. "Ein schwer schleppender Gang statt behender Leichtigkeit ist der neue Signature-Move. Die plumpen Treter, vorzugsweise pechschwarz, sind angeblich 'mit Komfort' ausgestattet, aber das gilt wohl nur für die Handfertigung aus Leder. ... Plateauschuhe sind kein Fetisch mehr. Durchgehend auf Gebirgshöhe gebracht, sind sie very stylish. Die Lieblingsvokabel der fortgeschrittenen Moderne, immer und überall 'unterwegs zu sein', hat mit einem solchen Schuhwerk ausgedient. Laufschuhe werden zum Auslaufmodell. Es hat keinen Sinn mehr loszugehen, wohin denn? Überall ist Krise. Jetzt ist Bodenhaftung angesagt. Vielleicht sogar mit Haftkleber. ... Es geht nicht mehr um schön. Eleganz war gestern. Jetzt steht Elementares auf dem Spiel, das signalisiert der 'Big-Stiefel-Trend'. Die klobigen Klötze eignen sich bestens, um durch den Morast zu waten, der bei der Zunahme von Starkregenfällen zu erwarten ist. Es ist die ultimative Ausrüstung der 'letzten Generation'."

Efeu - Die Kulturrundschau vom 02.02.2023 - Design

Der Rollkragenpullover hat ein Comeback als politisches Zeichen bis hin zu höchsten Führungsebenen, stellt Benedict Neff in der NZZ fest. Die "plumpste Interpretation" wäre dabei jene, dass "der Rollkragenpullover als Zeichen einer politischen Sensibilisiertheit auftaucht. Männer wie Le Maire und Macron demonstrieren, dass sie die geopolitische Situation mit Russland und den Klimawandel selbst mit ihrer Kleidung kritisch reflektieren. Business as usual? Bestimmt nicht, die Situation ist zu ernst für eine Krawatte. Die Heizungen werden heruntergefahren, der Kragen aufgerollt. Dass die Politiker dabei auch noch die existenzialistische Aura von Jean-Paul Sartre umweht, kommt als Knalleffekt hinzu. ... Der Rollkragenpullover passt aber auch deshalb in die Zeit, weil er die Zeit anhält. Er ist ein taugliches Mittel im allgegenwärtigen Krieg gegen das Alter. Die Zeichen des körperlichen Zerfalls zeigen sich fast nirgends so erbarmungslos wie am Hals."
Stichwörter: Mode, Rollkragenpullover

Efeu - Die Kulturrundschau vom 31.01.2023 - Design

Bewegte 60s (Peter Knapp / Fotostiftung Schweiz)

Anders als das heutige elitäre Schauspiel auf den Laufstegen, wollte junge Mode in den Sechzigern noch den Alltag gestalten und für Aufbruchstimmung sorgen, stellt NZZ-Kritikerin Maria Becker nach dem Besuch Ausstellung "Peter Knapp - Mon temps" in der Fotostiftung Schweiz in Winterthur fest: Zu sehen sind Knapps Modefotografien, mit denen der Designer in den Sechzigern die Zeitschrift Elle ein zeitgenössisches Aussehen verschaffen sollte: "So waren sie, die Sixties: Weltraum-Look und Mondrian-Muster, farbige Strumpfhosen und Minirock. Dazu superdünne Models mit künstlichen Wimpern und hellem Lippenstift. Schaut man genauer hin, fällt vor allem die Bewegtheit der Modebilder auf. Anders als bei den statischen Posen der Haute Couture ließ Knapp seine Frauen springen und tanzen, auf der Treppe, über den Strand, zwischen den Straßen. Dynamik war das Zeichen der Zeit und das zentrale Element in Knapps Modefotografie. Sie gibt den Aufnahmen noch heute Frische und erstaunt durch ihre elaborierte Kunstform. Die Dynamik ist auch der Eindruck, der von den Bildern dieser Modeepoche am meisten hängen bleibt. Der Aufbruch zu einer neuen Freiheit war offen für vieles, vor allem für eine hoffnungsvolle Zukunft." Den Katalog zur Ausstellung finden Sie natürlich in unserem Online-Buchladen Eichendorff21.