Magazinrundschau - Archiv

East-Central Europe Past and Present

1 Presseschau-Absatz

Magazinrundschau vom 21.07.2015 - East-Central Europe Past and Present

Die Historikerin Holly Case porträtiert den ungarischen Politiker István Bibó (1911-1979) in ihrem Blog als seltenes Exemplar eines vernunftgetriebenen, selbstkritischen Denkers. In den Vierzigern fälschte er als Beamter im Justizministerium Papiere, um ungarischen Juden die Flucht zu ermöglichen. In den Fünfzigern wurde er zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt, weil er als einziger im Parlament die ungarische Revolutionsregierung verteidigte - in einem Moment, als die Panzer in Budapest einrollten. Bibó war ein Mann, der Extreme - Kapitalismus, Kommunismus, Faschismus, Antisemitismus - verabscheute, lernt Case aus Bibós Essays, die gerade ins Englische übersetzt und mit einem Vorwort von Adam Michnik veröffentlicht wurden: "Bibós Gedanken sind schwer zu kategorisieren. Er war ein Sozialist, aber kein Marxist, ein Calvinist, aber einer, der den Protestantismus des Vaters mit den katholischen Traditionen der Mutter versöhnen wollte. Er liebte Ungarn, war aber einer seiner schärfsten Kritiker, und er war ein Intellektueller, für den Intellektuelle oft viel zu fixiert auf Ideologien waren. Die "gemeinsame Sünde" von Kapitalismus und Kommunismus war in seinen Augen, dass beide soziale Quarantäne verhängten - es gab immer eine Minderheit, die vom "ganzen" ausgeschlossen werden musste." Genau mit dieser Ablehnung hat Orbans Fidesz, die Bibó gern für sich reklamieren würde, große Schwierigkeiten, so Case weiter. (Foto: István Bibó, ca. 1970. Von Pataki Márta / Wikipedia unter cc-Lizenz hochgeladen)