Magazinrundschau - Archiv

Litera

2 Presseschau-Absätze

Magazinrundschau vom 30.08.2005 - Litera

Der Schriftsteller György Szerbhorvath kommentiert einen Artikel von Andrzej Stasiuk, der in der italienischen Zeitschrift L' Espresso über eine Literaturkonferenz in Belgrad schrieb, dass die Konferenz von der Polizei überwacht sei und die Teilnehmer sich "ein wenig wie die Anhänger irgendeiner verbotenen Religion vorkamen". (Hier unsere Zusammenfassung.) Szerbhorvath meint, Stasiuk habe die Situation grundsätzlich missverstanden: "Mit dem Veranstalter, dem 'Zentrum für Dekontamination', das sich gegen Krieg und Nationalismus wendet, ist die serbische Polizei tatsächlich befasst. Aber nicht, um es zu überwachen, sondern um es zu verteidigen. Denn solche Organisationen sind zur Zielscheibe radikaler serbischer Gruppen geworden ... Technisch ist es zweifellos einfach, zwanzig Schriftsteller zu verteidigen, wenn sie in einer Katakombe versammelt sind. Wen sie dort ehren, was sie über die Machthaber sagen, interessiert die Polizei nicht. Das Gesindel übrigens auch nicht - sie wollen nur die Fremden, den inneren und äußeren Feind angreifen. Es ist egal, ob das Schriftsteller, Roma oder Gastarbeiter sind. ... Stasiuk nahm alles für bare Münze, was man ihm sagte oder was er sah. Die Leser von L?Espresso und des Perlentauchers werden jetzt glauben, dass Schriftsteller wenigstens irgendwo noch wichtig sind, da sie ja überwacht werden. Aber Schriftsteller sind höchstens für das Gesindel wichtig, und wenn, dann nur als ein Körper, den man verprügeln kann."

Die Schriftstellerin Krisztina Toth denkt über ihr Verhältnis zur Donau nach, die Budapest in Buda und Pest teilt: "Anerkennend nickenden Ausländern gegenüber sagte ich bescheiden, hm, ja, sie ist wirklich breit, als ob ich sie selbst aufgestaut hätte."

Magazinrundschau vom 22.02.2005 - Litera

Die Literaturkritiker Ungarns üben sich am liebsten in feiner Ironie und feiern ein Buch selten so laut, wie die Neuerscheinung des in Serbien lebenden ungarischen Autors Otto Tolnai. Der Literaturtheoretiker Lajos Janossy gerät in Litera, der größten ungarischen Online-Literaturzeitschrift vor lauter Begeisterung fast ins Stottern: "Ich möchte das Geheimnis nicht lösen, ich möchte keine Interpretationsvorschläge unterbreiten, ich möchte mich einfach nur freuen." Und das tut er dann auch: Tolnai, ein "Orpheus vom Lande", könne in seinen Texten in einer großartigen, "in einer Beckettschen Art und Weise stolpern ... Diese Prosa lebt, vibriert, atmet, ist ständig in Bewegung, sie ist ein Spiel der Erfahrung und der Reflexion, eine existentialistische und zauberhaft realistische Prosa zugleich." All das wird eingebettet "in ein von Schriftstellern und Künstlern bevölkertes kulturgeschichtliches Milieu, das wir lange als Jugoslawien kannten, und das nun leider der Vergangenheit angehört. Tolnai zu lesen ist eine wunderbare, romantische, großartige Sache." (Hier geht es zu einer Leseprobe.)