Mark Terkessidis

Wessen Erinnerung zählt?

Koloniale Vergangenheit und Rassismus heute
Cover: Wessen Erinnerung zählt?
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2019
ISBN 9783455005783
Gebunden, 224 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Als das Deutsche Reich am 28. Juni 1919 den Vertrag von Versailles unterzeichnete, gingen die überseeischen Kolonien an die Siegermächte des Ersten Weltkriegs über. Lange vergessen, kehrt die Kolonialperiode in Ländern wie Namibia, Kamerun oder Ruanda in den letzten Jahren in die Erinnerung zurück. Was bedeutet dieses Wiederauftauchen für die Bundesrepublik? Müsste in der "postkolonialen" Sichtweise nicht auch das deutsche Eroberungsstreben in Richtung Osten eine Rolle spielen? Die neue Erinnerungskultur hat gravierende Auswirkungen für das Selbstverständnis eines Landes, dessen Bevölkerung immer diverser wird. Der lange Schatten der deutschen "Kulturmission" findet sich heute etwa im Umgang mit der "Schuldenkrise", mit Migration und Flucht und im alltäglichen Rassismus.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.11.2019

Andreas Eckert lobt den weiten Blick von Mark Terkessidis, wenn dieser versucht, für eine multiperspektivische Erinnerungskultur zu werben, die Rassismus und Kolonialismus zusammendenkt und kuratorisch dagegen angeht. Kühn scheint Eckert der Bogen von den Plünderungen der Fugger bis zu den Rassismen gegen Osteuropäer heute, bemerkenswert findet er, wie der Autor Zweifel an Humboldts Weltoffenheit und an den Restitutionspraktiken der Museen säht. Wie genau ein "Erbe aus vielen Erinnerungen" zu erlangen wäre, darüber hätte Eckert im Buch gern noch mehr erfahren.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 15.10.2019

Es ist höchste Zeit, schätzt Rezensent Jörg Häntzschel, dass der perfekten deutschen Organisation der national-historischen Erinnerung einmal in die Suppe gespuckt wird. Dabei will der Autor nicht die eine Erinnerung gegen die andere ausspielen. Vielmehr weise er deutlich darauf hin, dass beim Thema Kolonialzeit inzwischen ein allzu "überschaubares Narrativ" über vierzig Jahre "Irrweg" die Diskussion beherrsche. Terkessidis hat dagegen laut Rezensent das Thema stark erweitert, nimmt die Kolonisierung der Ostgebiete seit dem 15.Jahrhundert ebenso hinzu wie die späteren Raubzüge in Kenia und Tansania. Entscheidend nämlich sei, so erfahrenen wir vom Rezensenten, dass Terkessidis den "Rassismus als Grundprinzip des Kolonialismus" in seiner Kontinuität betrachtet. Es sei nämlich Rassismus, wenn eine kulturelle Überlegenheit sowohl über slawische wie auch afrikanische Völker behauptet wird. Weder die Positionen des Berliner Humboldtforums noch diejenigen der schwarzen Community in Deutschland, so legt Häntzschel zustimmend nahe, seien für die nötige Aufarbeitung, wie Terkessidis sie fordert, wirklich deutlich und radikal genug.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 15.10.2019

So richtig erfährt man von Eva Berger leider nicht, was Mark Terkessidis zu Erinnerung und Aufarbeitung der deutsche Kolonialgeschichte zu sagen hat. Ausführlich beleuchtet sie den Debattenstand, vor dessen Hintergrund das Buch erscheint, gönnt Terkessidis' Buch selbst aber nur wenige Zeilen. Nun gut: Wenn er über Migration, Rassismus und koloniale Vergangenheit schreibt, sieht sie wichtige Themen angesprochen und nennt das Buch einen gelungenen Anstoß zu einer ernsthaften Debatte, vermisst aber analytische Kühle und stört sich an einer "anachronistischen moralischen Empörung".

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 10.09.2019

Martin Hubert lässt sich vom Migrationsforscher Mark Terkessidis den Begriff deutscher Kolonisierung erweitern. Wie der Autor mit historischer Analyse und essayistischem Drive frühe Formen deutscher Kolonisierung offenlegt und aktuelle Bezüge herstellt (Stichwort: Ruanda), findet der Rezensent lesenswert. Wenn der Autor von einander überschneidenden Territorien spricht und die deutsche Expansion im Osten anschneidet, lehnt er sich laut Hubert zwar recht weit aus dem Fenster, verzichtet aber auf Urteile und liefert vor allem wichtige Denkanstöße.