Aharon Appelfeld

Geschichte eines Lebens

Cover: Geschichte eines Lebens
Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2004
ISBN 9783871345081
Gebunden, 202 Seiten, 17,90 EUR

Klappentext

"Manchmal genügt der Geruch von gammeligem Stroh oder ein Vogelschrei, um mich weit weg und tief in mich hinein zu schleudern." Der dies sagt - der Schriftsteller Aharon Appelfeld - war bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges sieben Jahre alt, ein behütetes Kind assimilierter Juden in Czernowitz, ein kleiner Junge namens Erwin. Seine Kindheit endet über Nacht: Deutsche und Rumänen ermorden seine Mutter, er hört ihren Schrei. Als er nach Monaten im Ghetto und dem Todesmarsch durch die Steppen der Ukraine im Lager eintrifft, wird er von seinem Vater getrennt. Erwin gelingt die Flucht in die Wälder. Ein Baum mit roten Äpfeln prägt sich dem Hungernden unauslöschlich ein.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 02.02.2005

"Hier ist nicht nur über Literatur zu reden", schreibt Jürgen Verdovsky am Ende seiner Besprechung. Sondern auch darüber, wie ein Leben wie das von Aharon Appelfeld - ein Überleben - überhaupt zur Literatur kommen kann. Ob es das kann. Und was das bedeutet. Verdovsky ist tief beeindruckt von den Erinnerungen des israelischen Schriftstellers: an seine Kindheit in Czernowitz, einer Stadt der vielen Sprachen, der literarischen Hochkultur, des assimilierten Judentums; an die Unruhe, die schleichend die Idylle durchsetzte; an den Krieg, den Todesmarsch, die Flucht aus dem Lager als Zehnjähriger, die Jahre im Verborgenen, die Anpassung aller Sinne auf die Flucht; und die Sprachlosigkeit, als alles vorbei war. Deshalb, so Verdovsky, erzählt Appelbaum nicht vom Tod der Eltern, nicht vom Lager. "Was bei diesen Bemühungen herauskam", zitiert er Appellbaum, "war ein Gewirr von Wörtern, genauer gesagt: falschen Wörtern, ein misslungener Rhythmus, zu schwache oder übertriebene Bilder". Es sind die Erinnerungen von einem, der alles verlor bis auf die nackte Existenz.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 27.01.2005

Die "Geschichte eines Lebens" von Aharon Appelfeld hat Franziska Augstein nicht überzeugt. Hier ist ein Autor von seinem "eigenen Sprachvermögen" begeisterter, als es der Leser nachvollziehen kann, moniert die Rezensentin. Sie stört sich an den vielen "schiefen Bildern" und wackligen Metaphern und sieht das Hauptproblem in dem Bestreben Appelfelds, seine Lebensgeschichte stilistisch zu überhöhen. Die Übersetzung vom Hebräischen ins Deutsche trage das ihre dazu bei, die Lesbarkeit des Textes zu verschlechtern, denn es sind viele "Ungeschicklichkeiten" darin, wie Augstein bekümmert feststellt. Dabei, so die Rezensentin, wäre der "sprachliche Aufwand", den der Autor betreibt, gar nicht nötig gewesen, denn sein Lebensweg ist beeindruckend und "horrend" genug. Appelfeld schreibt von der Ermordung der Mutter, dem Tod des Vaters in einem Lager, seiner Flucht und schließlich seinem Exil über Italien nach Israel. Augstein findet, dass eine Beschreibung dieser Erlebnisse durchaus ausgereicht hätte, um die Leser zu beeindrucken und zu erschüttern. Doch stattdessen "mystifiziert" und "raunt" der Autor und scheut auch keine Stereotypen und Wiederholungen. Ein manierierter Text, aus dem mitunter Dünkel spricht, so die Rezensentin unzufrieden.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 22.01.2005

Der im Jahr 1932 in Czernowitz geborene Aharon Appelfeld hat unter abenteuerlichen Umständen, etwa in den Wäldern der Ukraine, das Dritte Reich überlebt - während seine Eltern und viele Angehörige von den Nazis ermordet wurden. In mehreren Romanen hat er das Thema in fiktiven Geschichten verarbeitet, nun sind seine Erinnerungen erschienen. Der Rezensent Andreas Breitenstein ist sehr angetan von der Art, wie Appelfeld mit "Lakonik" und "zerbrochen in kurze Kapitel als novellistische Episoden oder poetische Inbilder" die Geschichte seines Lebens erzählt, zu der die schwierige Ankunft in Israel, die mit schlechtem Gewissen verbundene Anhänglichkeit an das Jiddische und die Anfänge als Schriftsteller gehören. Als Person, betont der Rezensent, nimmt sich der Berichterstatter dabei stark zurück, was die Lektüre aber zum umso "bestürzenderen" Erlebnis macht: "Oft ist man versucht niederzuknien."

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 20.01.2005

Verena Auffermann macht in ihrer Rezension von Aharon Appelfelds Lebensgeschichte keinen Hehl aus ihrer Erschütterung über das schwere Schicksal des Autors, der, aus dem rumänischen Czernowitz stammend, bereits als Kind mit Ghetto- und Lagerleben, Flucht und Exil konfrontiert wurde. Die Rezensentin beschreibt Appelfelds als einen "Schriftsteller aus Verzweiflung", der seine vielen Romane als "Mutproben" verfasst hat und für den das Schreiben ein Akt der "Selbstbehauptung" darstellt. In der "Geschichte eines Lebens", in denen der Autor seinen Erinnerungen nachspürt und seine Erlebnisse dennoch auch als "kollektives Schicksal" begreift, vermeidet er "Schuldzuweisungen" und eine "Abrechnung" mit den Tätern von damals, so Auffermann. Für sie ist das Buch deshalb so "ergreifend", weil es alles explizit "Ergreifende" zu vermeiden sucht. Appelfeld berichtet "unsentimental und erschütternd" und dabei "aufrichtig" über sein Leben, ohne es "in Kunst verwandeln" zu wollen, stellt die Rezensentin eingenommen fest, die das Buch auch als "Kampf mit der Erinnerung" gelesen hat.