Anatole France

Die rote Lilie

Roman
Cover: Die rote Lilie
Manesse Verlag, Zürich 2003
ISBN 9783717520122
Gebunden, 508 Seiten, 22,90 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen übersetzt von Caroline Vollmann, Nachwort von Albert Gier. Vor dem Hintergrund der politisch instabilen Zeiten nach dem Deutsch-Französischen Krieg entfaltet France ein Panorama der höchsten Pariser Gesellschaft, die sich in ihren Salons die Zeit mit Gesprächen über Literatur, Kunst, Politik und dem neuesten Klatsch vertreibt. Die Ehe der Heldin Therese ist seit langem nur noch äußerer Schein. Um der Langeweile ihres Daseins zu entfliehen, folgt sie einer Einladung ihrer Freundin, der Dichterin Vivian Bell, nach Florenz. In deren Haus kommt es zur Wiederbegegnung mit dem Bildhauer Jacques Dechartre, der ihr seine Liebe gesteht. Es folgen Tage rauschhafter Leidenschaft, bis das von Therese verheimlichte Verhältnis zu einem früheren Geliebten erste Schatten auf das gemeinsame Glück wirft. Zurück in Paris führt Dechartres ins Maßlose gesteigerte Eifersucht schließlich zur Katastrophe...

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 30.08.2003

Hier haben wir es mit einer "Liebesgeschichte aus dem Ende des 19. Jahrhunderts" um eine sich langweilende Gräfin namens Therese zu tun, die den mit "tlx" zeichnenden Rezensenten stark an Flauberts Madame Bovary erinnert. Sie stürzt sich aus Langeweile in ein außereheliches Liebesverhältnis mit einem Bildhauer. Als dieser erfährt, dass er nicht Thereses einzige Liebhaber ist, kommt es zum Drama. Was zurückbleibt, schreibt der Rezensent, sind "ratlos zerknirschte Herzen". Gefallen hat "tlx" die "eigenwillige Figur" der Therese, weniger aber die Breite und Ausführlichkeit, mit der Autor Anatole France sein "psychologisches Sittengemälde der gehobenen Gesellschaft" zeichnet und sich über Salonkultur und Zeitgeist ergeht.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 19.08.2003

Dass ein Schriftsteller ein Buch mit Absicht auf den Geschmack eines bestimmten Publikums ausrichtete, war zu Zeiten von Anatole France keineswegs gang und gäbe, versichert Kristina Maidt-Zinke. France, der mehr als Philosoph denn als Romancier galt, wollte das Genre der "romans mondains" - der Liebes- und Ehebruchsgeschichten - erobern und zugleich seine Anwärterschaft für die Academie francaise populärer machen. In der "Roten Lilie" habe er deshalb auf die eigene Liaison mit einer verheirateten Dame zurückgegriffen, erzählt die Rezensentin, und im Buch teilweise fast wörtlich persönliche Korrespondenz verarbeitet. Aber dennoch, freut sich Maidt-Zinke, habe France einen vielschichtigen und hocheleganten Roman vorgelegt, der ebenso erotisch wie scharfsinnig, kurzweilig wie satirisch ausgefallen sei: kurzum ein Gesellschaftsroman und ein Epochenpanorama. Kleine Intermezzi, in denen die Protagonisten des Romans über Politik, Geschichte oder Kunst philosophieren, verleihen der "Roten Lilie" eine komplexere Ebene als ein reiner "roman mondain". Auch die neue Übersetzung von Caroline Vollmann lässt für Maidt-Zinke wenig zu wünschen übrig.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 09.08.2003

Maike Albath hat durchaus Kritik an diesem Roman, der dem Autor immerhin den Weg in die Académie Française geebnet hat. Der Ansatz, den Weg einer Frau nachzuzeichnen, die der strengen Etikette der belle époque nach Italien und in eine Liebschaft zu entfliehen versucht, findet noch ansatzweise das Wohlwollen der Rezensentin, bei der Umsetzung jedoch ist dieses dann doch begrenzt. Zu sehr ist ihr France Kind seiner Zeit, denselben Traditionen und Konventionen verpflichtet, denen seine Protagonistin zu entfliehen versucht. Als "recht unterhaltsam und handwerklich einwandfrei" bezeichnet Albath das Buch. Ein zweifelhaftes Kompliment, denn sogleich merkt sie an, dass es vielleicht doch einfach "zu einwandfrei" sei. Es gebe kaum etwas Überraschendes in diesem Roman, und zudem fehle es France an "Raffinesse" und "analytischer Tiefenschärfe", was seine Persönlichkeiten angeht, kritisiert die Rezensentin.
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