Andre Krischer (Hg.), Barbara Stollberg-Rilinger (Hg.)

Tyrannen

Eine Geschichte von Caligula bis Putin
Cover: Tyrannen
C.H. Beck Verlag, München 2022
ISBN 9783406790805
Gebunden, 352 Seiten, 29,95 EUR

Klappentext

Tyrannen haben wieder Konjunktur. Eine stetig wachsende Zahl von Autokraten ist dabei, dem westlichen Traum vom unaufhaltsamen Siegeszug der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ein Ende zu bereiten. Darunter finden sich kriegslüsterne Despoten wie Putin, aber auch beunruhigende Gestalten vom Schlage eines Erdogan oder Kim Jong Un. Und selbst das Ursprungsland der westlichen Demokratie scheint vor dem Absturz in die Tyrannei nicht gefeit. In diesem Buch gehen renommierte Historikerinnen und Historiker der Frage nach, welche Wesenszüge und Handlungsweisen Tyrannen eigen sind - weshalb bestimmte Herrscher von der Antike bis heute so bezeichnet wurden. Was haben Verbrecher wie Putin und Assad und Finsterlinge wie beispielsweise Idi Amin oder Erdogan mit klassischen historischen Bösewichten wie Caligula, Nero, Richard III. oder Ivan dem Schrecklichen gemeinsam? Haben sie überhaupt etwas gemeinsam - außer dem Umstand, dass sie alle als "Tyrannen" oder "Despoten" bezeichnet werden?
Die zwanzig hier versammelten präzisen und spannenden Porträts ausgewählter Protagonist:innen - entworfen von renommierten Historiker:innen - zeigen, dass die Antwort auf diese Frage nicht leichtfällt. Denn "Tyrannei" und "Despotie" sind keine neutralen empirischen Begriffe, sondern vielmehr Werturteile, politische Argumente. Als Tyrannen und Despoten bezeichnet man Machthaber, von denen man sich abgrenzen, gegen die man Widerstand organisieren, derer man sich entledigen oder gegen die man Krieg führen will. In diesem Buch geht es daher nicht einfach um die Frage, ob eine Person wirklich ein Despot oder Tyrann war, sondern vielmehr darum, warum und von wem jemand so wahrgenommen und bezeichnet wurde. Eine Geschichte der Tyrannen ist - wie sich zeigen wird - stets auch eine Geschichte der sich wandelnden Vorstellungen von unrechter Herrschaft, und es ist eine Geschichte der Konflikte um die politische Deutungshoheit über diese Frage.
Inhalt: Caligula (A. Winterling) | Nero (M. Meier) | Heinrich IV. (G. Althoff) | Richard III. (A. Krischer) | Katharina v. Medici (M. Garloff) | Ibrahim "der Wahnsinnige" (Chr. Vogel) | Ivan IV. "der Schreckliche" u. Peter I. "der Große" (J. Hennings) | Friedrich Wilhelm I. (B. Stollberg-Rilinger) | Napoleon Bonaparte (D. Schönpflug) | Leopold II. (J. Seibert) | Franco (C. Rothauge) | Mao Zedong u. Jiang Qing (D. Leese) | Pinochet (St. Ruderer) | Idi Amin (A. Eckert) | Mugabe (Chr. Marx) | B. al-Assad (G. Steinberg) | Kim Il Sung bis Kim Jong Un (E. Ballbach) | Erdogan (K. Konuk) | Putin (Karl Schlögel) | Trump (M. Hochgeschwender)

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.10.2022

Tyrannei, das klingt so altmodisch, nach "asiatischer" sprich in ihrer Grausamkeit unbegreiflicher Gewaltherrschaft, meint Rezensent Stephan Speicher. Er wundert sich nicht, dass dieser Begriff ein Comeback hat, denn unbegreiflich sind ihm - und den Autoren - auch Erdogan, Putin und Trump. Zwanzig Porträts von Tyrannen findet er in diesem Band versammelt, quer durch die Geschichte. Immer wieder taucht dabei die Frage auf, ob eine Tyrannei nicht gelegentlich auch nützlich sein kann, wenn sie, wie zum Beispiel im Falle Maos das "schlechte Alte" zerschlägt. Man begreift nicht ganz, wie Trump in diese Reihe passt, von dem man viel sagen kann, aber nicht, dass er ein Massenmörder ist. Für Speicher ist dessen Porträt durch Michael Hochgeschwender jedoch ein "Höhepunkt" des Buchs, das er offenbar mit Gewinn gelesen hat.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 29.09.2022

War Caligula ein Tyrann? Napoleon, Mao Tsetung, Katharina von Medici oder heute Kim Jong Un, Donald Trump oder Wladimir Putin? Kommt drauf an, wen man fragt, lernt Rezensent Oliver Weber. Als Tyrann galt in der Antike, wer herrschte, dies aber nur für sich nutzte. Doch schon damals war das Urteil "Tyrann" schon gefärbt von den Interessen derjenigen, die das Urteil fällten. Mit der Aufklärung wurde der Begriff dann endgültig ideologisch, referiert Weber. Tyrannen sind seitdem immer nur die, mit der falschen Ideologie, so Weber. Man frage nur Trump- oder Putinanhänger. In den zwanzig Fallstudien dieses Bandes vermeiden die Autoren, je näher sie der Gegenwart kommen, denn auch den Begriff "Tyrann", notiert der Kritiker, der froh ist, dass es doch immerhin ein echtes Kennzeichen für den Tyrannen gibt: die "die Ex-negativo-Wertschätzung geteilter Verfassungsgrundsätze".