Anna Enquist

Die Verletzung

Zehn Erzählungen
Cover: Die Verletzung
Luchterhand Literaturverlag, München 2001
ISBN 9783630870977
Gebunden, 272 Seiten, 18,41 EUR

Klappentext

Aus dem Niederländischen von Hanni Ehlers. Anna Enquist entwirft Menschenschicksale, die in der Konfrontation mit einschneidenden Erlebnissen geprägt oder verändert werden. Nebenbei lernt man das Leben in Holland in den letzten 150 Jahren kennen. Da gibt es den Jungen Jakob im Jahre 1849, der lieber lesen und schreiben lernen möchte, als mit dem Vater und dem Bruder zum Flunderfischen auf dem Eis zu gehen, und der dann, bei einer unfreiwilligen Überquerung der Zuidersee, damals noch Meeresbucht, als einziger überlebt. Oder den kleinen Jelle, der nicht versteht, warum sie auf einer künstlichen Insel leben müssen, auf der keine Bäume wachsen. In zehn ganz unterschiedlichen Geschichten spürt Enquist der Frage nach, was den Menschen zu dem macht, was er ist, und erzählt von unerhörten Begebenheiten.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 25.07.2002

Hermann Wallmann erzählt die Geschichte vom Bildverlust, in der eine Lyrikerin ein verschollenes Vermeer-Gemälde imaginiert - ein Text dieses Erzählbandes, der ihm besonders gefallen haben muss. Darüber hinaus rühmt Wallmann die "leise Kunst" der Autorin, die auf der Handlungsebene ihrer Geschichten nicht selten die poetologische Idee Nabokovs verarbeitet, "dass es in der Wirklichkeit Erscheinungen gibt, denen ein ästhetisches Kalkül zu Grunde zu liegen scheint". Eine "vegetative Nähe" zum großen N., die Wallmann bei Enquist noch an den unscheinbarsten Stellen entdeckt: "So handelt die Titelgeschichte von einer Sportverletzung, und der 'Mann, der Enttäuschungen liebte', ist ein emeritierter Kicker. In dieser Erzählung kommt ein Motiv vor, das in der abschließenden Geschichte des Bandes fast wortwörtlich wiederkehrt".

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 05.03.2002

Rezensentin Dorothea Dieckmann vergleicht die Gattung der Erzählung mit dem "Schwarzweißmaterial" der Fotografie, mit dem der Unerfahrene die Darstellung der wesentlichen Kontraste einer Handlung üben könne. Der Roman sei so etwas wie die Farbfotografie der Literatur, vielschichtig aufgebaut und gefärbt. Für den "vollendeten" Schriftsteller steht am Schluss wieder die Gattung der Erzählung um sich aus der Kenntnis der bunten Vielheit wieder auf das Wesentliche zu bewegen, weiß die Rezensentin. Wenngleich die Autorin "diese Schule des Romans absolviert" hat, erkennt Dieckmann keinerlei Errungenschaft in ihrem neusten Erzählband. Da gelingt der Anna Enquist bei all der "Liebe zur Alltagsschilderung, der Konzentration aufs Detail" und den "tristen Niederungen des Alltags" nicht jenes "pointierte Erzählen", nicht das Zeichnen der "Licht-, und Grauwerte, die die Erzählung bietet". Den einen oder anderen "Lichtblick" - das will die Rezensentin gerne Einräumen - gibt es, doch sieht sie diese von den "fahlen Feierabenddepressionen und der bemühten Effekthascherei verschattet", die sie noch aus Enquists Romanen in Erinnerung hat.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 23.10.2001

Schrecken, Sehnsucht, Schmerz, und Schicksal: Diese und weitere bleischwere Worte verwendet Manuela Reichart, um dem Leser die vorliegenden Erzählungen schmackhaft zu machen. Der Autorin gelinge es, aus einer "trivialen Situation enorme Dramatik zu entwickeln". Beispiel: In einer Geschichte verliebt sich eine Schülerin in einen Eisverkäufer. "Sie träumt von seinen Berührungen, aber als sie schließlich in seinen Armen landet, erlebt sie einen Albtraum". In allen Erzählungen gehe es darum, Erlebnisse zu verarbeiten. Was findet Reichart daran? Die Geschichten leben von der "Fähigkeit der Autorin, Menschen mit ein paar Sätzen zu zeichnen", lobt sie Es kommt noch dicker: Diese würden ihre "Schmerzen anhand weniger Gesten und Gedanken offenbaren". Nun denn...
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