Annekathrin Kohout

Nerds

Eine Popkulturgeschichte
Cover: Nerds
C.H. Beck Verlag, München 2022
ISBN 9783406774461
Gebunden, 272 Seiten, 16,95 EUR

Klappentext

Nerds - das sind ungepflegte junge Männer in Holzfällerhemd, Hochwasserhose und Hornbrille, die sich für Computer interessieren und bei Frauen nicht sonderlich beliebt sind. Oder? Annekathrin Kohout zeichnet in ihrem Buch eine viel facettenreichere Geschichte nach. Sie führt vom spießigen Streber über den genialen Computerfreak bis hin zum Alten Weißen Mann. Dadurch gelingt ihr ein rasanter Ritt durch die Populärkultur und das Zeitalter der Informationsgesellschaft. Als das Informationszeitalter in den 1980er Jahren in seinen Anfängen steckte, galten Nerds als misanthropische Freaks und kauzige Streber. Während sie ihre Freizeit im heimischen Keller an komplizierte Geräte vergeudeten und sich von Tiefkühlpizza ernährten, genossen die High-School-Schönlinge ihre gesellschaftlichen Privilegien in vollen Zügen. Doch der Erfolg neuer Informationstechnologien läutete einen ungeahnten Siegeszug der Nerdfigur ein. Nerds, damit verbanden sich nun Namen wie Bill Gates und Steve Jobs. Aus den einstigen Außenseitern wurden charismatische Insider: "Nerdig" wurde das neue "cool". Doch seit den 1990er Jahren wird die männliche, weiße, privilegierte Nerdfigur hinterfragt und politisiert. Gerät der smarte Silicon Valley-Nerd im Licht dieser neuen Diskurse gar zum Alten Weißen Mann? Ist die große Zeit dieser für ein paar Jahrzehnte so wichtigen Sozialfigur schon wieder vorbei?

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 25.06.2022

Mit Gewinn liest Rezensent Oliver Weber Annekathrin Kohouts Popkulturgeschichte des Nerds. Dabei erfährt er zum einen Interessantes über die Genealogie dieses Typus, der nicht immer positiv besetzt war: So durchlief die Figur eine Entwicklung vom "Square" oder "Quadratschädel", dem angepassten Büromenschen der fünfziger bis siebziger Jahre, über den Außenseiter in den Achtzigern bis hin zur Subkulturgruppe mit eigenen Codes, der mit dem Label des Genies und mit "allgemeiner Bejahung" begegnet wird - was erst durch den Faktor des Personal Computers ermöglicht wurde, liest Weber. Neben diesen genealogischen findet er außerdem Kohouts theoretischen Ausführungen interessant, die die "Sozialfigur" Nerd als Ausdruck der Krisensituation des Informationszeitalters deuten. Das Politische des Nerds ergibt sich für Weber so aus einem anderen Verhältnis zur Gesellschaft: nicht ein bloß verneinendes wie bei anderen Subkulturen wie den Beatniks oder den Hippies, sondern eines, das sich kapitalistische Kreisläufe zunutze macht, um die Gesellschaft qua Technik zu ändern und ihren eigenen Vorteil daraus zu ziehen - für den Kritiker eine sehr "ergiebige" Lektüre.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 03.05.2022

Rezensent Jens Buchholz lernt mit Annekathrin Kohuts Popkulturgeschichte den Nerd und seine Facetten kennen. Dass sich Kohut für ihre Arbeit auf die "Sozialfiguren der Gegenwart" von Moebius/Schroer bezieht, scheint dem Rezensenten sinnvoll. So kann die Autorin zeigen, wie vorgeformte "Identitätsschablonen" die Wirklichkeit beeinflussen und umgekehrt und wie sich der Nerd in Filmen, Büchern und Serien vom technikaffinen Soziopathen zum Erfolgsmenschen wandelt. Dass Kohut auch weibliche und schwarze Nerds erwähnt, gefällt Buchholz.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 01.04.2022

Rezensent Kai Spanke lässt sich von Annekathrin Kohout erklären, was es mit dem Nerd auf sich hat. Nicht mehr allzu viel, stellt der Rezensent fest, denn was Kohouts Analyse der ästhetischen wie der sozialen Bedeutung des Nerds zutage fördert, ist: Dem Nerd von heute fehlt der klare Umriss. Es gibt Food-Nerds, Fashion-Nerds und Sport-Nerds (von wegen unsportlich und schlecht gekleidet!), lernt Spanke. Dass die Nerd-Repräsentationen willkürlich sein sollen, macht Spanke melancholisch. Kohouts Untersuchung des gesellschaftlichen Wandels, der zur Ächtung des Nerds wegen seines Mangels an political correctness beigetragen hat, findet Spanke allerdings höchst aufschlussreich.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 17.03.2022

Rezensentin Eva Behrendt lernt in Annekathrin Kohouts "Nerds" etwas über die Begriffs- und Kulturgeschichte der titelgebenden Nerds. Die Autorin, die sich in ihrer Einführung als Digital Native porträtiert, skizziert angesichts der vielen Debatten um Political Correctness und Identitätspolitik und mithilfe von Nerd-Darstellungen in amerikanischen Filmen und Serien, wie sich der Nerdbegriff seit seiner Entstehung verändert hat, nämlich vom scheuen Streber oder spießigen Intellektuellen zum autistischen Technik-Experten. Doch die Bezeichnung wird langsam beliebig, erfährt die Rezensentin - denn so, wie früher alle Künstler waren, ist heute jeder ein Nerd, schließt sie.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 05.02.2022

Angetan folgt Rezensentin und bekannte Autorin Berit Glanz der Kulturgeschichte des Nerds, die Annekathrin Kohut vom Beginn in den 1950er Jahren bis heute akribisch und facettenreich nachzeichne. Mit zahlreichen Belegen aus Medien stellt Kohut die Figur des Nerds als soziales Konstrukt des eigenbrötlerischen Außenseiters dar, dessen Interessen sich auf Technik fokussieren, resümiert Glanz. Im heutigen technischen Zeitalter habe sich dessen Image zur Modefigur gemausert und auch der Begriff selbst scheint entstigmatisiert. Doch die Figur sei weiterhin problematisch, basiere sie doch noch immer auf patriarchalen Stereotypen des "weißen Mannes", lernt die Rezensentin. Indem Kohout auch diese problematischen Aspekte thematisiert, sei ihr ein "faszinierender Rundumblick" gelungen, schließt die Rezensentin.