Antonia Grunenberg

Die Lust an der Schuld

Von der Macht der Vergangenheit über die Gegenwart
Cover: Die Lust an der Schuld
Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2001
ISBN 9783871343896
Gebunden, 224 Seiten, 20,40 EUR

Klappentext

Wie ein leuchtendes Menetekel steht der Holocaust über der deutschen Geschichte. Im Mittelpunkt steht "die Schuld". Sie dominiert politische Entscheidungen und bestimmt bis heute jede bedeutende Debatte. Diesem Schuldkomplex und seinen politischen Konsequenzen widmet sich Antonia Grunenberg in ihrem Buch. Ihr Befund: Die jahrzehntelange Fixierung der Nachgeborenen auf das einzigartige Menschheitsverbrechen hat einem moralischen Rigorismus Vorschub geleistet, der alles politische Handeln in ein Dilemma führt. Die Deutschen finden die Mitte nicht zwischen Demutsgesten und aggressiver Interessenpolitik, zwischen Verfassungspatriotismus, Heimatliebe und Nationalismus. Was bleibt, ist eine Politik des schlechten Gewissens.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 21.03.2002

"Lust an der Schuld" verortet Antonia Grunenberg, Professorin für Politikwissenschaft an der Universität Oldenburg und Leiterin des Hannah-Arendt-Zentrums, bei den Deutschen, berichtet Christoph Jahr. Der Rezensent pflichtet der Autorin in ihrer These bei, diese Schuld an der NS-Zeit erdrücke zukunftsorientierte Perspektiven und verhindere die Entwicklung einer eigenen und angemessenen politischen Verantwortung. Geschichtsbesessenheit führe, referiert Jahr, letztlich zur Geschichtsvergessenheit. Ganz sachlich trage die Autorin ihre Thesen nicht vor, eher im Duktus staatsbürgerlichen Engagements. Das findet der Rezensent nicht verwerflich, hält es eher für notwenig, um öffentlich Debatten anzustoßen. Doch übt er auch Kritik: So instabil wie Grunenberg meint, sei die deutsche Demokratie nicht, auch der Antifaschismus in der DDR sei nicht allein eine sinnstiftende Umleitung von Schuldgefühlen gewesen und schließlich werde in ihrem Essay nicht deutlich, welche Mechanismen der Verarbeitung nun spezifisch deutsch oder ganz generell typisch für westeuropäische Gesellschaften seien.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 08.09.2001

Ganz schön schwarz gemalt hat die Autorin nach Auskunft des Rezensenten. Allerdings kann Jens Bisky, was Grunenbergs "Streitschrift zur Lage der deutschen Politik" an Erkenntnissen bereithält, nur bestätigen: Wie merkwürdig eine Moral wirkt, "die den Holocaust bemüht, um zu sagen, dass Menschen nicht totgetreten werden sollen", oder wie sehr es an einer bürgerlichen Kultur fehlt. Schade findet Bisky, dass die Kritik an der deutschen Fixierung auf das Dritte Reich und den Holocaust mitunter einfach zu knapp ausfällt und zu blumig geschrieben ist, als dass sie mit einem Buch wie Peter Novicks Studie über dem amerikanischen "Umgang mit dem Massenmord" konkurrieren könnte. Und schade: Von Lösungsvorschlägen auf 224 Seiten keine Spur.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 14.08.2001

Die Klage von Antonia Grunenberg über die Geschichtsvergessenheit der Deutschen, der Verengung des historischen Gedächtnisses auf Auschwitz ist nun wirklich nichts Neues, ist sie doch bereits hinreichend von Ernst Nolte, Martin Walser und Peter Sloterdijk formuliert worden, schreibt Martin Altmeyer, der die Thesen der ohne Frage intelligenten Autorin äußerst fragwürdig findet. Für noch viel fragwürdiger aber hält der Rezensent den "Therapievorschlag" Grunenbergs, die "Lust an der Schuld" der Deutschen zu bewältigen, indem man Auschwitz zur universellen Metapher des Bösen erhebe, die eine Historisierung des Nationalsozialismus zulasse, wodurch man die "Lust an der Schuld" wiederum durch eine "Lust an der Demokratie" ersetzen könne. Altmeyer findet nicht alle Ausführungen der Autorin verwerflich, bemängelt aber ihre Schlussfolgerungen. Die ließen nämlich keinen Raum mehr für ein immerwährendes Bewusstsein der nationalsozialistischen Verbrechen, das für den Rezensenten unabdingbar für den Entwurf einer humanen Zukunft ist. Das nun "Lust an der Schuld" nennen mag Altmeyer überhaupt nicht.
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