Ariane Breidenstein

Und nichts an mir ist freundlich

Cover: Und nichts an mir ist freundlich
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2007
ISBN 9783518419069
Gebunden, 140 Seiten, 14,80 EUR

Klappentext

Ein Text wie ein Wutanfall, eruptiv, kompromisslos, ungerecht und von unbändiger Energie. Eine junge Frau, die Ich-Erzählerin, wird hin- und hergetrieben zwischen Anpassungsbedürfnis, Aufbegehren und Verstummen, sie weint, schreit, ruft und flüstert, klagt sich an, klagt die Welt an, die Familie. Der Vater: "ein Abwesenheitsmensch mit Geschenken"; die Mutter: "habe mich innerlich nie an ihr festhalten können, weil da das Bügeleisen war und die Haarbürste und die Tritte am Treppengeländer"; das Leben: "ein großer Pfusch". Dem Kind hatten die wilde Wiese neben dem Haus und Worte "wie Tabletten geschluckt" als Zuflucht gedient. Und jetzt: die Wiese "ratzekahl abgemäht, nämlich elektrisch", der Garten "durch väterliche Hände unfruchtbar gemacht", das Ich rastlos unterwegs auf Friedhöfen, Autobahngrünstreifen, Brachen. Doch in der Schreibarbeit wird "aus der Wut, dem Haß, dem Jähzorn eine Kraft", die die Worte aus ihren kümmerlichen Zier- und Nutzbeeten befreit und sie aussetzt: in einem Garten, in dem eine existentielle Sprache wächst und also eine poetische.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.10.2007

Ariane Breidensteins Prosadebüt "Und nichts an mir ist freundlich" gilt so manchem Kritiker als von gefährlicher Negativität geprägt oder als "avantgardistisch", was Rezensentin Friederike Reents aber so nicht stehen lassen will. Die Ich-Erzählerin Ariane - deutlich erkennbar verarbeitet hier die Autorin ihre eigene Geschichte - gibt Einblick in ihre zerrüttete Psyche, ihre von Angst und Isolation geprägte Existenz, deren Ursache sie in der Kindheit sieht, erklärt die Rezensentin. Im sprunghaften Erzählen und in den Erinnerungsblitzen bleibt manches unverständlich, räumt die Rezensentin ein. Doch das stört sie eigentlich nicht, denn gleichzeitig schafft es die Erzählerin, sich eine sehr individuelle Welt zu erschreiben, die über den Zweck der Selbsttherapie hinausreicht, wie sie fasziniert lobt. Manchmal wäre es gut gewesen, die hypertrophe Sprache etwas einzudämmen, räumt Reents ein. Doch zumindest verbleibe die Ich-Erzählerin nicht in der Resignation, sondern zeige Möglichkeiten, das Leiden an der eigenen Geschichte in Kunst zu überführen und so zumindest teilweise aufzuheben, so die Rezensentin beeindruckt.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 22.08.2007

Sabine Peters hat ihre Freude an dem Text "Und nichts an mir ist freundlich" von Ariane Breidenstein. Darin lässt die Autorin den gemeinen Alltag hinter sich, rettet sich hinüber ins Reich des Ästhetischen. Kunst und Literatur werden ihr zur gefährlicheren, aber auch zur interessanteren Welt. Nach Handlung suche man hier aber sonst vergeblich: Die Sprache, an der die Erzählerin "leidet", nimmt hier eine dem Subjekt übergeordnete Position ein, dieses 'Ich' "will stumm sein, will schwebend leben, es will der Schuld enthoben sein." Vielleicht kann die Rezensentin diesem Text gerade aufgrund dieser etwas anderen Form der Romantik jenen "produktiven Reiz" abgewinnen. Auch wenn sich die Autorin oft der Gedanken anderer Künstler bediene, gerate man am Ende doch "in den Sog dieser Stimme, überlässt sich ihr und macht Entdeckungen". So gefällt Peters dieses "Sprachexerzitium", in dem sich "das Subjekt ohne einen Fluchtpunkt verliert".

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 09.06.2007

"Virtuos aufwühlend", aber doch irgendwie ratlos machend findet Rezensent Martin Krumbholz dieses Prosadebüt. Zwar ist er grundsätzlich einverstanden, dass diese Autorin hier das, der Einschätzung des Rezensenten zufolge zuletzt recht vernachlässigte Projekt der Moderne wieder ins Visier genommen hat. Doch weht ihn diese Moderne aus diesem Text dann ziemlich unbehaglich an. Bei aller Bewunderung für das Talent dieser Autorin fühlt er sich am Ende nicht wohl mit diesem Buch. Seinen Informationen zufolge handelt es sich um einen "inneren Monolog", dessen Vernetzungstechnik für Krumbholz nur mit detektivischer Akribie zu rekonstruieren ist. Dabei entsteht für Krumbholz ein Bewusstseinsraum mit verschiedenen Echo- und Rückkopplungseffekten, in den "grundsätzlich alles hineinpasst, was die junge Ich-Erzählerin irritiert, anödet, ekelt, gegen die Welt und deren An- und Zumutungen aufbringt". Aber das ist dem Rezensenten am Ende nicht genug.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 06.06.2007

Fast taumelnd vor Begeisterung feiert Rezensent Friedhelm Rathjen dieses Prosadebüt von Ariane Breidenstein. Nach langen Jahren des "mutwilligen Infantililsmus?" in der Gegenwartsliteratur, endlich mal wieder was zu beißen, also "Literatur, die von Literatur handelt"! Dabei wollte der Deutschlehrer im Rezensenten erst auf das Lektorat schimpfen, all die kleinen Fehler und Ausrutscher im Text rot anstreichen. Doch dann stellt er fest: dieser Wahnsinn hat Methode. Hier ist alles falsch, und deswegen ist alles richtig! Der Rezensent warnt vor diesem Buch und seiner fatalistischen Erzählstimme, den Gefahren, die durch ihre Menschen- und Lebensfeindlichkeit, der Regelverweigerung für das emotionale Wohlergehen der Leser zu befürchten sind. Denn er beschreibt das Buch auch als Geschichte eines Hasses. Aber ach: so ist das eben bei echter Literatur: man leidet, aber liebt deshalb umso heftiger. So auch der Rezensent, der Breidenstein mit Edgar Allen Poe oder Friederike Mayröcker vergleicht.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 05.04.2007

Als "Litanei der Nichteingliederung" bezeichnet Johan Schloemann dieses Buch von Ariane Breidenstein. Er scheint sich ein wenig uneins, wie er den handlungsfreien Monolog einer jungen Frau - es handelt sich offensichtlich um eine abgebrochene Lehramtsstudentin mit postmodernem Hintergrundwissen und Essstörungen - denn nun finden soll. Die Lektüre des Buchs ist für ihn jedenfalls kein "Vergnügen". Angesichts der schonungslosen, radikalen Distanzierung der jungen Frau von ihrer Familie und ihrer "zur Schau gestellten" Verstörung wisse der Leser am Ende nicht, ob er "Respekt oder Bedauern empfinden soll". Letztlich fällt Schloemanns Besprechung allerdings doch eher kritisch aus, wenn er das Buch "allem heißen Zorn zum Trotz" als " gefriergetrocknete Instantform eines gescheiterten Bildungsromans" beurteilt.
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