Kevin Vennemann

Mara Kogoj

Roman
Cover: Mara Kogoj
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2007
ISBN 9783518418758
Gebunden, 218 Seiten, 16,80 EUR

Klappentext

Sein Romandebüt "Nahe Jedenew", eine radikale literarische Annäherung an ein antijüdisches Pogrom, wurde als "die schönste traurige Geschichte" (Die Zeit) gefeiert. Kevin Vennemanns zweiter Roman Mara Kogoj setzt da an, wo der erste aufgehört hat: Wie und mit welchen Folgen wird Geschichte interpretiert, verdrängt, erinnert oder vergessen? Tone Lebonja nimmt mit seiner Kollegin Mara Kogoj im Rahmen einer österreichischen Studie zu Protokoll, was Klagenfurter über ihr Verhältnis zu Heimat und Staat zu erzählen wissen. Einer der Befragten ist Ludwig Pflügler, 60, selbsternannter Journalist, vorbestraft, deutschnational, heimattreu.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 06.06.2007

Spannend im Ansatz, doch letztlich misslungen findet Rezensent Wilhelm Trapp diesen zweiten Roman von Kevin Vennemann. Darin gehe es um den "historischen Abraum" der NS-Zeit in Kärnten, um das auch heute dort noch herumliegende Nazigeröll: zwei slowenisch-stämmige Historiker treffen auf einen Nazisohn, dessen Vater einst an einem Massaker beteiligt war. Doch statt die Spannung auszunutzen und zu gestalten, erstickt das erzählerische Kammerspiel aus Sicht des Rezensenten bald in sperrigen Manierismen, an Wortreihungen, Kommalosigkeit und Doppelpunktsetzungen. Der Rezensent bescheinigt Buch und Autor "viel Wut" und "scharfe Blicke" in mitteleuropäisches Nazigeröll. Umso bedauerlicher erscheint ihm, dass diese Wut hier im "Stillstand einer empörten Geschichtsstunde" verrinnt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 05.05.2007

Mit großem Respekt, wenn auch nicht mit vorbehaltloser Begeisterung, bespricht Edo Reents diesen zweiten Roman von Kevin Vennemann. Leicht macht Vennemann es, soviel sei auf jeden Fall klar, dem Leser nicht. Freilich mit gutem Grund: Die Anlage des Romans ist mit einiger Notwendigkeit komplex und widersetzt sich der leichten Konsumierbarkeit. In einem nie klar zäsurierten Sprachstrom geht es um eine Verhörsituation. Zwei Slowenen, darunter die Titelfigur Mara Kogoj, nehmen den wegen Volksverhetzung vorbestraften Journalisten Ludwig Pflügler ins Verhör. Die Verhörsituation gerät aber derart außer Kontrolle, dass die Wahngebilde Pflüglers sich immer stärker in den Vordergrund schieben. Den Kampf ums Wort, aber auch um Deutungen der Kärntner NS-Geschichte entfaltet nun Vennemann in diesem Roman. Der Rezensent hat den so entstehenden "unheimlichen Sermon" nicht unbedingt genossen - zum Genießen ist er auch nicht gemacht -, findet aber beeindruckend, wie der Autor darin die Schwierigkeiten von Erinnerungsprozessen abzubilden vermag.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 05.05.2007

Rezensentin Ines Kappert spricht von "einem der schwierigsten Bücher der Saison", denn der Autor habe sich vorgenommen, den "Bauplan des aktuellen Konsenzgedächtnisses" zu analysieren. Zu diesem Zweck lege Kevin Vennemann seinen Roman als Versuchsanordnung an und knüpfe seine Handlung aus drei Diskurspositionen, die der Rezensentin zufolge von drei verschiedenen Figuren vertreten werden: einem rechtsradikalen Journalisten und Politiker aus Kärnten, einer slowenischen Wissenschaftlerin und der titelgebenden Mara Kogoj. Lesetechnisch steht die Rezensentin immer wieder vor großen Herausforderungen. Auch, weil Handlungsstränge und Figuren aufgrund fehlender Interpunktion oft nur bei aufmerksamster Lektüre nachvollziehbar seien. Insgesamt zeigt sich Kappert dennoch auf das höchste fasziniert: in diesem Buch nämlich sieht sie "Schriftlichkeit und Mündlichkeit" zu einem "eindringlichen Geflecht von Rede und Gegenrede" werden, von "Macht, Ohnmacht, Hilflosigkeit und Rache". Für sie jedenfalls scheint sich die nervenaufreibende Plackerei der Lektüre gelohnt zu haben.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 19.04.2007

Paul Jandl zieht vor dem österreichischen Schriftsteller Kevin Vennemann seinen Hut und ist auch von seinem zweiten Roman "Mara Kogoj", in dem es um die sich bis in die Gegenwart ziehende nationalsozialistische Vergangenheit Kärntens geht, tief beeindruckt. Mara Kogoj und Tone Lebonja, Angehörige der slowenischen Minderheit Kärntens führen Interviews mit verschiedenen Zeitgenossen über "Heimat und Geschichte" und sprechen dabei auch mit dem wegen neonazistischer Aktivitäten verurteilten 60-jährigen Ludwig Pflüger, fasst der Rezensent zusammen. Besonders fasziniert Jandl die kunstvolle Weise, mit der der Autor die in unbeirrbarer Geschichtsverfälschung befangene Rhetorik Pflügers abbildet und wie er im Roman Opfer- und Täternachfahren miteinander konfrontiert. Er preist die nüchterne Klugheit und die sprachliche Virtuosität Vennemanns und feiert den Roman, dessen historischer Hintergrund akribisch recherchiert ist, wie er anerkennend betont, als beispielhafte Schilderung einer Gesinnung des Ewiggestrigen und des Einspruchs dagegen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 21.03.2007

Ein wenig Ausdauer braucht es zu Beginn für den neuen Roman von Kevin Vennemann schon und einfach macht es der Autor seinen Lesern auch später nicht, so die Rezensentin Nicole Henneberg. Hat man sich jedoch der zunächst monologisierenden Stimme anvertraut, ergibt sich daraus bald ein Erzählstrang, der die Ereignis- und Figurenkonstellation strukturiert. Es geht um die aktuelle politische Situation in Südkärnten, die dort lebende slowenische Minderheit, Geschichtsklitterung von SS-Verbrechen und rechtsradikale Tendenzen unter dem Deckmantel der Heimattümelei. Auf engstem Raum werden drei Menschen miteinander konfrontiert, die als Täter und Opfer die jüngere Geschichte Südkärntens verkörpern. Es stellt sich heraus, dass die Opfer Mara Kogoj und Lebonja der Diskursmacht des rechtsnationalen Pflügler alleine durch ihr bloßes Zuhören immer noch ausgeliefert sind. Einen "konzentrierten, klugen Roman" habe Vennemann vorgelegt, der von einem vor- und zurückweichenden Erzählduktus geprägt ist und auf beängstigende Weise die suggestiven Mechanismen der Rede offen lege, so die beeindruckte Rezensentin.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 20.03.2007

Burkhard Müller hat sich bei der Lektüre des Romans von Kevin Vennemann gequält und spürt, dass das vom Autor auch so intendiert ist. Im Zentrum des im österreichischen Kärnten spielenden Buches stehen drei Personen: Ludwig Pflüger, ein rechtsradikaler Jurist, sowie der Slowene Tone Lebonja, der mit der titelgebenden Mara Kogoj zusammen Interviews mit Kärntnern über die fatalen Geschichte zwischen Slowenen und Österreichern führt. Die Geschichte aller drei ist verbunden, allerdings erhält zum Leidwesen Müllers keine der Figuren eine wirklich eigene Stimme. Wenn die den größten Teil des Buches schweigende Mara Kogoj das Schlussplädoyer hält, kommt ihm dies wie ein juristisches Statement vor, was die Sache nicht besser macht. Schließlich moniert der Rezensent, dass das Vorbild für Pflüger in der Realität, Jörg Haider, nicht nur eine ungleich schillerndere Figur ist, sondern dass der Politiker bereits in der Versenkung verschwunden ist und somit die "behauptete Aktualität des Uralten" im Roman auch nicht recht überzeugt. Für Müller hat sich die Quälerei also nicht recht gelohnt.
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