Brendan Taylor

Real Life

Roman
Cover: Real Life
Piper Verlag, München 2021
ISBN 9783492059589
Gebunden, 352 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Eva Bonné. Ein Spätsommerabend bei Freunden, man plaudert und sagt: Wallace könne froh sein, es als einziger Schwarzer an der Uni zum Biochemie-Doktoranden gebracht zu haben. Selbst die, die ihm angeblich nahestehen, sehen oft nicht mehr als die Farbe seiner Haut. Als sein Vater stirbt, brechen die Erinnerungen über Wallace herein: an eine Kindheit in Alabama, die ihrem Elend nicht gewachsene, trinkende Mutter und den kühlen, seltsam unbeteiligten Vater. All das hat Wallace hinter sich gelassen. Doch noch immer spürt er die Kluft der Scham, die ihn von seinen Freunden trennt. Und nicht zuletzt von Miller, mit dem er eine heimliche Affäre beginnt.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 19.10.2021

Der amerikanische Autor Brandon Taylor ist schwarz und schwul - genau wie der Held seines Romans, der 2020 auf der Shortlist des Booker Prize' stand, weiß Rezensent Jörg Häntzschel. Und das sind längst nicht alle Parallelen, ahnt der Kritiker. Wenn ihm Taylor von Wallace erzählt, dem ersten schwarzen Doktoranden am Biochemie-Institut einer amerikanischen Kleinstadt-Uni, der sich im Labor verkriecht, um seine "Fremdheit" in der "weißen Welt" um ihn herum nicht zu spüren, erscheint Häntzschel der Roman wie eine "Abrechnung" des Autors. Sobald Taylors Held nämlich seinen Safe Space verlässt und die weißen Kommilitonen unter die Lupe nimmt wie seine Würmer, stehen plötzlich Rassismus, Sexismus und Klassenunterschiede im Raum. Wallace, so scheint es, fordert das noch heraus, denn ihm ist die Konfrontation lieber als Heuchelei, lesen wir. Dem Rezensenten wird das manchmal langweilig oder zu engstirnig. Dann wieder lobt er den "sinnlichen" Minimalismus des Romans. Man muss sich wohl einfach darauf einlassen.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 30.06.2021

Rezensentin Petra Pluwatsch schätzt Brandon Taylors Roman als Momentaufnahme aus dem Leben eines schwarzen, schwulen, aus prekären sozialen Verhältnissen stammenden Studenten und seines Freundeskreises. Zugleich rechnet der Autor, der hier mutmaßlich eigene Erfahrungen verarbeitet, mit dem privilegierten weißen Amerika ab, meint Pluwatsch. Rassismus ist ein Thema, aber nicht das einzige, erklärt sie. Die Lebensängste und Probleme junger Menschen fängt der Text überzeugend, weil unaufgeregt und genau ein, findet sie.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 24.06.2021

Rezensentin Eva-Maria Tepest gefällt Brandon Taylors "angenehm uneindeutiges" Debüt "Real Life". Der Roman beschreibt, wie sich der schwule, schwarze und arme Protagonist Wallace in seinem von Rassismus, Missbrauch und Armut geprägten Leben und Umfeld an einem Wochenende zurechtfindet, lässt uns Tepest wissen. Szenen wie der Sexismus-Vorwurf einer Kollegin an Wallace, nachdem er von einer weißen Kollegin rassistisch beleidigt wurde, lösen in der Rezensentin den Wunsch nach einem Aufbegehren der Hauptfigur aus, der jedoch nicht erfüllt werden kann. Denn "Real Life" sei ein "ungemildert realistischer Roman", der Tepest zufolge nur durch den immer wieder aufblitzenden Humor des Erzählers ein wenig Leichtigkeit behält. Obwohl der Rezensentin einige überstrapazierte Metaphern auffallen, gelinge es dem Autor mit beeindruckender Sprache clevere Dialoge und komplexe Figuren zu schaffen. Eine Bereicherung für die Literatur, findet Tepest.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 26.05.2021

Rezensent Dirk Knipphals bleibt zunächst etwas auf Abstand zu Brandon Taylors Roman "Real Life", der ihm als Campus-Roman mit einem schwarzen, schwulen Protagonisten fast ein wenig kalkuliert vorkommt. Aber dann lässt er sich doch auf die Geschichte um den Nematodenforscher Wallace ein, und er sieht in ihr das Drama, nicht wahrgenommen zu werden, nicht nur zeitgeistig illustriert, sondern vielschichtig erzählt. Gerade weil Taylor seinem Protagonisten so viel Unsicherheit, Zweifel und Unfertigkeit zubilligt, hält er ihn nicht nur für einen identitätspolitischen Ideenträger, sondern für einen Mann, der durch Liebesverwicklungen, Freundschaften und Literatur geprägt ist. Für Knipphals ergibt "Real Life" einen stimmigen Roman um Ablehnung, Scheitern und Ankommen.